Sonntag, April 27, 2008

Der Koran aus kulturwissenschaftlicher Sicht

Der Einfluss persischer religiöser Raster auf Vorstellungen im Koran. Dieser kurze Beitrag ist wiederum von Volker Popp auf den Seiten 441-455 und umfasst folgendes:
Die arabische Halbinsel war lange Zeit Teil des iranischen Kulturkreises. Die babylonischen Juden waren ein Fremdkörper in Persien. Paradiesvorstellungen übernahmen sie von dort. „Dên“ war göttlich-menschliche Weisheit, eine Art endzeitlicher Glückszustand. Syrisch-iranische Christen verschmolzen dies mit ihrem Glauben. Die Perser selber wiederum nutzten das ganze indo-iranische Sprachgut (für ihre Religion und Kultur), arabisch war der westliche Teil davon. So stammen die grossäugigen Huris ursprünglich aus Indien und waren dort Kuhaugen, in Syrien des 6. Jh. wurden sie zu Trauben. Christliche, syrische Erzväter fütterten Seelen mit Trauben. Und im Iran stellte man sich das Paradies als ewiges Familienfest vor.
Auch die Engel stammen auch aus der persischen Gedankenwelt, „frawahr“ war ihr Totengeist, „fravaschis“ waren beherrschende Mächte und „malik“ war der königliche Gott.
Der Koran hat also auch persischen Hintergrund. Seine Editoren waren Pharisäer und arabische Scharifen der christlichen Gemeinschaft, die von persischer Orthodoxie geprägt waren. Das kommt im „dîn“, dem Glauben, oder genauer: der Beschaffenheit des Glaubens, dem geraden und rechten Weg zur Geltung.

Neue Wege der Koranforschung aus vergleichender sprach- und kulturwissenschaftlicher Sicht. Von Markus Gross auf Seiten 457-639.
Aramäisch war eine Weltsprache und die Verwaltungssprache im persischen Reich, das von Aegypten bis nach Afghanistan reichte. Nach Luxemberg war der primäre Korantext unpunktiert und unvokalisiert, der sogenannte „rasm“. Im islamischen Verständnis ist der Koran unerschaffen und dem Profeten stückweise offenbart worden. Die „Burda“ ist ein Lobgedicht auf Muhammad von Al-Busîrî. Dem Koran selber fehlt ein schöner Rhythmus, das ist ein Hinweis auf eine schriftliche Ueberlieferung. Mekkanische Suren sind zu unterschiedlich lang, medinesische zu unterschiedlich und zu lang. Daher sei der Koran nicht besonders schön, schwer zu lernen und oft langweilig infolge (zu) vieler Wiederholungen. Sein Wert sei religiös motiviert. Die Uneindeutigkeit der damaligen arabischen Sprache kann als Rückschritt aufgefasst werden.

Gross ist ein profunder Sprachkenner, der die Zusammenhänge der verschiedenen Sprachen akribisch zu kennen scheint. Er unterscheidet indogermanische und afroasiatische Sprachen. Zu ersteren gehören Vedisch und Altgriechisch, zu letzteren zählen Akkadisch und Altägyptisch, die aber schlecht belegt sind.
Das arabische Wort für Koran „qur’än“ stammt vom syrischen „qaryänä“, was Lektionar bedeutet. Inhaltlich wurde mit „Es gibt keinen Gott ausser Allah“ stark auf das jüdische Bekenntnis Bezug genommen: „Jahwe ist unser Gott, Jahwe ist einer“. (Anklänge davon gibt es auch im Sikhismus mit „Ik Onkar“, was „Eins Gott“ heisst und den „Om-Macher“ meint.)
Auch Christen waren vom Judentum beeinflusst. Das jüdische Kaddisch-Gebet führte vermutlich zum syrischen Vaterunser: „Vater unser im Himmel; geheiligt sei dein Name, es komme dein Reich zu Ewigkeit der Ewigkeiten. Amen.“
Auch Mani spielte noch eine Rolle. Sein Vater war ein parthischer Adliger, der der aramäisch-christlichen Sekte der Elkesaiten angehörte. Mani selber reiste 240 nach Afghanistan und Indien, wo er den Hinduismus und Buddhismus kennenlernte. 276 wurde er von einem Sassanidenherrscher hingerichtet, und er hinterliess eine sykretistische Religion.

Muhammad als Name geht sicher zuerst aufs Ugaritische „mhmd“ und später aufs Hebräische „machmäd“ zurück und bedeutet: begehrenswert, anmutig und lieblich. Verwandt sind auch „mach’mod“ Kostbarkeiten, „chemad“ Anmut und Schönheit und „chämad“ verlangen, begehren, loben und Gefallen finden bedeutet. Im südarabischen gibt es noch „chmd“, was preisen heisst.
Danach zeigt Gross auf, dass auch die Bezeichnungen für Gott sprachlich zusammenhängen: „ilu“ ist akkadisch, „il“ ugaritisch, „el“ Hebräisch und „iläh“ arabisch. "Allah" wiederum stammt vom syrischen „alähä“. In 29 der ältesten Suren kommt das Wort „Allah“ nicht vor. Im Koran, in den mekkanischen Suren wurden vorwiegend ostsyrische Wörter aufgenommen, „Allah“ jedoch aus der westsyrischen Sprache.
Westliche Forscher übernehmen meist aus politischer Korrektheit mündliche Ueberlieferungen aus arabisch-islamischer Tradition, die Kennzeichen dafür fehlen im Koran selber. Die islamische Frühgeschichte wurde durch Moslems rekonstruiert statt wissenschaftlich erforscht.

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Samstag, April 26, 2008

Islam und Parsismus

Bevor wir zum eigentlichen Thema kommen, noch kurz zu: Relikte syro-aramäischer Buchstaben in frühen Korankodizes von Christoph Luxenberg auf Seiten 377-414. Hier versucht Luxenberg nachzuweisen, dass ursprünglich abgefasste Koranvorlage in syro-aramäischer Schrift war. Nach seinen Erkenntnissen waren Korankopisten syro-aramäisch gebildete Araber. Noch heute gibt es eine ähnliche arabische Schrift „Garschuni“ oder „Karschuni“, die für christliche Liturgie gebraucht wird. So ist es denkbar, dass irgendwo im arabischen Raum ein Urkoran in gleicher oder ähnlicher Sprache vorhanden wäre.

Nun zu Islam und Parsismus, einem Vortrag von Ignaz Goldziher, den er 1900 an der Sorbonne in Paris gehalten hatte, der im Buch von Ohlig auf Seiten 415-439 wiedergegeben ist. Er hat kaum an Aktualität eingebüsst, da es um geschichtliche Zusammenhänge geht, die noch wenig erforscht und publiziert worden sind:
Der Islam anerkannte den Einfluss jüdischer und christlicher Elemente, indem er sich von Juden- und Christentum distanzierte. Das persische Element, der Parsismus, hat jedoch erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erhalten. Die sassanidische Kultur hatte aber nachgewiesen grossen Einfluss bis nach Europa. Eine arabische Geschichtsschreibung gab es nur dank persischen Königen, denn vorislamische Araber hatten kein historisches Bewusstsein. Die Araber eroberten Persien, Perser aber beeinflussten Islam auf geistige und kulturelle Weise, besonders mit den Schulen von Basra und Kufa um 750 und durch Händler.
In der Uebergangszeit von Omaiyaden zu Abbasiden bahnten sich grosse geistige und systemische Veränderungen an: Die Omaiyaden hatten eine weltliche Regierung in Damaskus, die Abbasiden ein theokratisches Regime in Anbar und Bagdad (wie die persischen Sassaniden). Das persische Königstum wurde nachgebildet, wo Religion und Regierung identisch waren. Der König war „bäghi“ also der Göttliche, und diese persische Vorstellung führte zur Kalifenwürde, zum Wächter des Heils, zur „Bewahrung der Sunna“, zu Konfessionalismus, Intoleranz und Inquisition.
Auch die rituelle Reinheit war von der persischen Religion beeinflusst, so galten Polytheisten als unrein in moralischer Hinsicht auch später bei den Sunniten und buchstäblich bei den Schiiten.
Rezitieren heiliger Texte, besonders des Korans, galt als verdienstliche Handlung (bei den Persern: Vendidad). Es gab keine Totenklage, aber die Lehre von der Waage „mizän“ für die guten und schlechten Taten der Menschen nach dem Tod. (Das letzte Gericht im Koran ist zusätzlich vom äthiopischen Henochbuch der Christen beeinflusst.) Dies führte dazu, dass alle Handlungen bewertet werden: so ist gemeinsames Gebet 25x mehr wert als normales Gebet, ein Mekkagebet gar 100’000x! Auch Zahlen wie 33 und 333 sind wichtig, die Hadithe haben dies vom parsischen System übernommen.
Gebet ist zur wichtigsten islamischen Institution geworden, dreimal täglich war jüdische, fünfmal war persische Sitte. Auch „Zahnstochern“ vor dem Gebet „miswäk“ war wichtig und erhöhte den Wert des Gebets erheblich.
Der Freitag galt als Versammlungstag zur Feier des Kults, aber im Gegensatz zu Juden und Christen war er kein Ruhetag.
Hunde genossen Achtung im Persien, weil sie Dämonen sehen können, ihr Bellen liess böse Feinde und Dämonen fliehen. Der Islam kehrte dies ins Gegenteil und verachtete Hunde.
Wahrscheinlich reicht auch der Ursprung des Sufismus nach Persien hinein. Ein Sufi, ein Fakir, hat nämlich folgende Kennzeichen:
1) Er hat immer Hunger
2) Er hat keine ständige Behausung (Brauch der Gottvertrauenden)
3) Er schläft nachts wenig (Brauch der Gottliebenden)
4) Er hinterlässt kein Erbe (Asket)
5) Er verlässt seinen Herrn nicht (Anhänger)
6) Er begnügt sich mit dem Geringsten (Enthaltsamer)
7) Wird er weggejagt, sucht er sich einen neuen Ort (Demütiger)
8) Er gehorcht auch bei schlechter Behandlung (Bescheidener)
9) Er bleibt fern, wenn er Nahrung sieht (Armmütiger)
10) Er nimmt keine Wegzehrung mit (Rückzug von der Welt)

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Freitag, April 25, 2008

Von Muhammad Jesus zum Profeten der Araber

Der Untertitel dazu lautet: Die Historisierung eines christologischen Prädikats. Von Karl-Heinz Ohlig (auf Seiten 327-376)
Der Koran soll 650-656 unter Osman zusammengestellt worden sein. Die ältesten Handschriften stammen aber erst ab 750, der gesamte Kodex etwa um 800. Man darf daher annehmen, dass Bestrebungen da waren, die den Koran älter aussehen lassen sollten, möglichst nahe an die Profetenzeit.
Ab 650 gibt es „muhammad“ als Hoheitstitel Jesu auf Münzen und Inschriften im ostiranischen Raum. 661 steht das syrische „MHMT“ für arabische Herrscher, 693 wird Isa (=Jesus) bn Mariam (=Maria) Muhammad (=erwählt, gepriesen oder hochgelobt) genannt auf einer Inschrift im Felsendom in Jerusalem.
Ohlig macht nochmals darauf aufmerksam, dass die semitische Tradition sich von der griechischen unterscheidet in Bezug auf Jesus. Bei der ersteren ist die Heilsgeschichte, also der Messias, wichtig. Bei letzterer die Inkarnation, der Sohn Gottes.
So ist es verständlich, dass im Laufe der Zeit eine Verselbständigung dieses Würdetitels stattgefunden haben könnte, in diesem Fall unter dem Syrer Abd al-Malik in Jerusalem mit seiner „Bildtheologie“ am Felsendom. In Damaskus passierte Aehnliches: al-Walid setzte „haram“ für das Haupt des Johannes des Täufers ein, und 708 wurde die Omaiyadenmoschee als christliches Bauwerk erbaut.
756 entstand in Medina ein Heiligtum, dort wurde „muhammad“ letztmals als Prädikat verwendet. Ibn Saad, gestorben 845, verfasste eine Mohammedbiografie mit dem Namen „Klassen“ oder „Annalen“, worin er auch die anderen Namen Mohammeds nennt: der erste war „Koham“, dann folgen "Muhammad" (=Gepriesener), "Achmed", "Khatim" (=Siegel), "Haschir" (=Erwecker), "Ateib" (=letzter Profet) und "Machiy" (=Tilger). Es gab weitere Mohammed-Biografien im 9. und 10. Jh. Westliche Christen kannten das christologische Prädikat „muhammad“ nicht, deshalb konnten sie es eher als Namen verstehen.

Zu einigen Namen im Koran: Mekka wird nur einmal erwähnt, Medina 3x, Mohammed 4x, Aaron 20x, Jesus 25x, Adam 25x, Noah 33x, Maria 34x, Profet 43x, Pharao 74x, Abraham 79x, Mose 136x und Gesandter „rasul“ mehr als 300 mal. Die vier Stellen über Mohammed stehen in 3,144, 33,40, 47,2 und 48,29. Nur 33,40 bezieht sich auf einen arabischen Profeten, die andern drei Stellen reden allgemein vom Gesandten, der eben auch Jesus sein könnte.

Ohlig unterscheidet bei der Entstehung des koranischen Materials drei Stufen:
· Älteste Stufe: syrisch-arabisches Christentum, ein namenloser Verkünder verweist auf Jesus
· Mittlere Stufe: christliches Material durch arabischen Verkünder, eine erste Etappe in der Historisierung von „Muhammad“ findet statt
· Jüngste Stufe: Koran als letztgültige Offenbarung, arabischer Profet als Promotor und Religionsgründer
· Nachkoranische Stufe: Entfaltung und Ausschmückung der Biografie Mohammeds im 9. und 10. Jh. (Hadithsammlungen aus dieser Zeit haben legendarischen Charakter, erkannt seit Ignaz Goldziher)

Der Koran hat vergleichbare Ausführungen wie die syrischen Apokalypsen. Jüngeren Koranschichten lässt sich ein arabischer Profet entnehmen, der aber nicht zwingend Mohammed sein muss. Mekka könnte auch bei Haran und Ur liegen, der Gegend, aus der Abraham kam. „Bakka“ für Mekka meint zuerst einmal einen umzäunten heiligen Bezirk. "Qibla", die Gebetsrichtung, war von christlichen Altären beeinflusst, die zuerst nach Osten schauten, dann nach Jerusalem und erst um 800 nach Mekka.
Altarabische Straflegenden sind Erzählungen, die nach einem bestimmten Schema gestaltet waren: Gott sandte Profeten, die Leute lehnten ihn ab, Gott vernichtete sie, Profet und Gläubige wurden gerettet.
Ohlig macht darauf aufmerksam, dass der Koran seltsam geografisch unbestimmt sei, er sei nicht an die arabische Halbinsel gebunden. Er weist zudem Einflüsse syrischer und persischer Sprach auf.

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Donnerstag, April 24, 2008

Christliche Literatur unter islamischer Herrschaft?

Hinweise auf eine neue Religion in der christlichen Literatur „unter islamischer Herrschaft“? schreibt Karl-Heinz Ohlig auf Seiten 223-325. Er beginnt mit grundlegenden Vorbemerkungen zu diesem Thema:
· islamische Grossreiche haben ausser dem Koran keine literarischen Zeugnisse hinterlassen von 620-820nChr, danach erst gab es Biografien und Historiografien
· es gibt keine religiösen Zeugnisse der Araber als Vasallen in Byzanz
· es gibt eine Fülle von christlich-missionarischer Literatur bis 800, aber keine Erwähnung islamischer Herrschaft; keine kritischen Editionen
· wenig Fakten (für Frühzeit) – viel Interpretation in Richtung Islam, mit zeitlich grosser Distanz

Dann folgen Erklärungen für „die Bezeichnungen Araber, Sarazenen, Ismaeliten und Hagarener vor dem 7. Jh.“ So bedeutet „’arab“ auf syrisch Nomade, „’arba“ Schaf respektiv Schafzüchter. „’arabi“ waren Steppenbewohner, wie es auch im Jesajabuch 13,20 überliefert worden ist. „arabah“ war die Steppe oder Wüste. Arabien kommt in einigen Stellen des Alten Testaments vor (Dt 1,1+2; 4,49; Jos 3,16; 2Ch 17,11; 21,16; Jer 3,2; Ez 27,21) und meint auch das Jordanufer, den Negev oder den Süden von Damaskus. Eigentlich war es „Arabia deserta“, das das südliche Arabien umfasste. Die Bewohner Arabiens sprachen arabisch, syro-aramäisch oder griechisch und das syrische Christentum war die vorherrschende Religion. Eine Volksgruppe waren die Ghassaniden, die monophysitische Jakobiten waren. Ab 750 bestand ein Heiligtum in Medina und erst ab 800 eines in Mekka.
Sarazenen „saraceni“ war die römische Bezeichnung aller Nomaden zwischen Euphrat und Sinai ab dem 2. Jh. Man geht davon aus, dass es ursprünglich Midianiter waren. 106nChr eroberten die Römer das Nabatäerreich. Die Herkunft des Namens Sarazenen ist nicht ganz gesichert: „sark“ heisst auf arabisch Westen, „sarik“ Plünderer oder Räuber, „s(a)r(i)k(a)t“ Konföderation und „serak“ auf aramäisch Leere, Oede, Wüste, leer machen, räumen, rauben oder stehlen. Ab dem 4. Jh. sind nomadische Gruppen als Plünderer und Räuber belegt. Sie galten zudem als Heiden, die Steine und den Morgenstern, die Venus, verehrten.

Die „christlichen Zeugnisse unter der Herrschaft der Ararber bis gegen Ende des 8. Jh.“ sind vielfältig. Auf diesen Tatbestand verweist Ohlig, obschon diese Literatur noch nicht wirklich vollständig erfasst und ausgewertet ist. Er listet dazu 29 verschiedene Textbeispiele auf und beschreibt sie kurz:
1. Weihnachtspredigt des Sophronius, des Patriarchen von Jerusalem 634-638. Er beschreibt, wie gottlose Sarazenen den Weg nach Bethlehem versperren
2. Doctrina Jacobi nuper baptizati (um 640): falscher Profet sei mit Sarzenen gekommen (Harald Suermann hält ihn für Muhammad) Ohlig sieht darin eher eine antijüdische Endzeiterwartung syrischer und arabischer Christen in der Tradition Daniels, zudem scheint Karthago als Ort fiktiv zu sein
3. Maximus Confessor, 580-662, verbannter Streiter gegen den Monoeletismus und Monoenergetismus, schrieb im Brief an Petros Illustrios vom barbarischen Volk der Wüste in antijüdischer Polemik und Stereotypen
4. Dialog zwischen Patriarch Johannes und einem Emir (syrisch, 876) enthält die Fragen: ein Evangelium, aber verschiedener Glaube? Ist Jesus Gott oder Gottes Sohn? Trinität? (Es gab damals grosse christliche Gegensätze zwischen Monophysiten: allmächtiger Gott ist am Kreuz gestorben und Ostsyrern: Messias Jesus ist am Kreuz gestorben) Gesetze der Christen einhalten oder arabische übernehmen?
5. Iso’yaw III, gestorben 659, bezeugt christliches Leben unter arabischer Herrschaft Mu’awiyas
6. Johannes Moschus (540/550-619/628 in Rom) schrieb von syrischer Kirche, der “midzgitha”
7. Pseudo-Sebeos schrieb die Geschichte des Heraklius, ein antijüdisches Programm
8. Anastasius Sinaita (610-701) war Mönchspriester im Sinai
9. Jakob von Edessa (633-708) schrieb über Exegese, Kirchenrecht und Philologie; übersetzte Aristoteles ins Syrische; sah die Araberherrschaft als Strafe für Sünde der christlichen Spaltungen (z.B. Monophysitismus kontra Chalkedonismus)

Aehnlich geht es weiter, viele Schriften hatten apokalyptische Züge, die Hoffnung, Trost und Durchhalten in grosser Not vermitteln wollten. Denn der Frevel hatte sich vermehrt auf Erden, Geschrei war aufgestiegen zu Gott, der dann eingegriffen hatte. Modell dafür war Daniel, was auch zur syrischen Danielapokalypse um 500 geführt hatte. Ephräm der Syrer, gestorben 373, hatte im Sermo 5 vom „Räubervolk, das siegen wird“ geschrieben.
Pseudo-Methodius verfasste auch eine syrische Apokalypse um 680, die zehn Jahr später ins Griechische und 727 ins Lateinische übersetzt wurde (G.J. Reinink übersetzte sie 1993 ins Deutsche). Sie umfasst 14 Strophen, die eine verworrene Weltgeschichte darstellen von Adam bis zum Weltende. Kuschiter, Makedonier, Griechen, Römer und Söhne Ismaels, der Arm des Südens (aus Daniel 11,15), kommen vor, ebenso der Abfall der Christen und die Herrschaft der Byzantiner als christliches Endreich. Ziel war es, eine Hoffnungsperspektive für Christen unter arabischer Herrschaft aufzuzeigen. Weiter gibt es ein syrisches „Evangelium der zwölf Apostel zusammen mit den Apokalypsen eines jeden von ihnen“, das um 790 in Edessa verfasst wurde. Darin steht: „Ismael dienen alle Enden der Erde, viele Herrschaften sind ihm unterworfen“.
Des weiteren gibt es koptische Quellen und griechische Texte aus dem 8. Jh. Dazu gehören Germanus, der Patriarch von Konstantinopel (bis 730) und Bilderverehrer. Dann Johannes von Damaskus, geboren 650, byzantinischer Theologe und katholischer Lehrer. 750 verfasste er „Ueber die Häresien“, worin hundert Häresien behandelt wurden in einer Disputation zwischen einem Sarazenen und einem Christen. Der „Islam“ ist dort die 100. christliche Häresie, denn die frühen Suren haben eine syrische, vornizenische Theologie.

Zur Religion der Araber
Erst im 9. Jh. erfolgte christliche Auseinandersetzung mit dem Islam. In Ostsyrien herrschte ein vornizenisches, syrisch-aramäisches Christentum, das die Gottessohnschaft Jesu ablehnte (wird auch unitarischer Monotheismus oder Monarchianismus genannt). Auch (viele) Araber waren christianisiert, heidnische Bräuche blieben bestehen (gemäss Predigt von Isaak von Antiochien im 5. Jh., Hieronymus und Johannes Damacenus).
Ohlig vertritt die These, dass ein „basic monotheism“ die Gemeinsamkeit von Judentum, Christentum, Zoroastrismus und Randäismus war mit einer Orientierung an der Figur „Abrahams“. Nach 750 erschien sie dann als neue Religion der Araber, indem eine Abkehr von der Letztrelevanz und Einzigartigkeit Jesu erfolgte. Dies ist bezeugt in der apokalyptischen Literatur. Nach 850 wurde Jesus als Messias durch Mohammeds Verkündigung des Korans abgelöst.
(Ohlig verweist in diesem Zusammenhang auch auf sein Werk Fundamentalchristologie, München 1986, worin er unter anderem die unterschiedliche Bedeutung des Kreuzestodes Jesu darlegt. Für das lateinische (westliche) Christentum ist es der Angelpunkt. Er spricht von „Staurozentrischer Christologie“. Augustinus und Tertullian: „Das Kreuz ist die einzige Hoffnung der ganzen Welt“ waren die wichtigsten Begründer dieser Sicht. Für das griechische Christentum war das Kreuz ein Zeichen der Inkarnation, also Inkarnationschristologie. Für die syrischen Christen war es Gehorsam gegen Gott, also Bewährungschristologie. Die Kreuzesinschriften waren in griechisch, lateinisch und hebräisch gehalten, nicht aber in syrisch. Denn die Syrer hatten mit dem Tod Jesu nichts zu tun, daher war er ihnen auch nicht so wichtig.)
Wer war der arabische Profet? Klar ist, dass er Prediger, Händler, Krieger und namenlos war, denn „Mohammed“ war zuerst ein christologisches Prädikat. War er vielleicht ein christlicher Wanderprediger? Literarische Aeusserungen widersprechen traditionellen islamischen Berichten, die rückwirkend konstruiert wurden. Die Islamwissenschaft hat sich der Historie kaum gestellt.

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Mittwoch, April 23, 2008

Von Ugarit nach Samarra

Eine archäologische Reise auf den Spuren Ernst Herzfelds von Volker Popp auf den Seiten 13-222.
Popp versucht als erstes Namen und Begriffe zu klären: „M(u)H(a)M(ma)D“ ist ugaritisch und meint eine ausgesuchte Qualität des Golds von höchster Reinheit, im übertragenen Sinne also ausgewählt, auserkoren, erwählt und auserwählt.
(A)r(a)bî“ bedeutet zuerst Westen, dann Bewohner des Westens (von Persien aus gesehen), dann Beduinen, beduinisch und erst schlussendlich arabisch.
Die Sassaniden stammten aus dem Südiran. 500nChr entstand die syrische Daniel-Apokalypse, die Jesue als Sieger „mansûr“ bezeichnete. 540 wurden die Christen Antiochiens nach Persien deportiert. Jesus als Abkömmling des göttlichen Glanzes ist eine persische Idee.
Wichtig war dann das Jahr 622, das Jahr der Araber, denn da wurden die persischen Sassaniden von den Byzantiner unter Herakleios in Armenien geschlagen. Das war der Beginn einer neuen Zeitrechnung und bedeutete für die christianisierten Araber, die mesopotamischen „Lakhmiden“, monophysitischen „Ghassaniden“ und syrischen „Omaiyaden“ das Ende der sassanidischen Unterdrückung und somit Selbstherrschaft. (Die Omaiyaden waren altgläubige, häretische Christen, die über „koranisches“ Material verfügten. Für sie war Jesus der Gottesknecht „abdallah“ und Erwählte „muhammadun“, sie lehnten die klassisch-griechische Trinität Gottes ab.)
Ab 628 herrschte Frieden zwischen den Grossmächten Persien und Byzanz. Die syrische Alexanderlegende wurde 629 geschrieben und diente als byzantinische Reichseschatologie gegen Persien. Der persische Schah war der Antichrist und Pharao im (arabischen) Koran, nur so konnte Israels Geschichte wiederholt und angeeignet werden.
638 gingen Syrien und Aegypten für Byzanz verloren. Ab 661 steht „MHMMD“ für sassanidische Herrscher auf Münzen. Und es wurden Bleiplomben gefunden, in denen der arabische Herrscher Abd al-Malik, der in Erwartung der Wiederkehr des Messias lebte, sich als neuer „Joschua“ fühlte und 686-706 regierte, einschreiben liess: „Es gibt keinen Gott, ausser Gott allein, er hat keine Beigesellung, erwählt ist der Gesandte Gottes“. Einen ähnlichen, vornizenischen Text gibt es auch im Felsendom, der den Wiederaufbau des Tempels verkörperte: „Der Erwählte „muhammad/un“ ist Jesus, Sohn der Maria, er ist der Messias „al-Masîh“.
Folgende Bezeichnungen gelten primär als Begriffe und Prädikate und nicht als Namen:
· “abd-Allâh Harûn amir al-mû’minin” Knecht Gottes Aaron Landpfleger oder Sicherheitsgewährer
· „Alì“ Erhabender, Koranleser, scheiternder Jesus, später auch angeblicher Schwiegersohn des Profeten, der 661 gestorben sei
· “Allâh rabb al-hukm” Gott ist Herr des Befehls oder Gesetzes (ab 675)
· „Amîr al-mu’minîn“ Polizeichef
· „Bahîra“ Mönch
· „bism’llâh walî Allâh“ im Namen Gottes ist er der Beauftragte oder Stellvertreter
· „Imâm“ Führer, Merkmal, Muster, Sprecher oder Vorbild (seit 815) geht auf „ma’mûn“ zurück, das „der, dem man vertraut“ bedeutet
· „Khal(î)fat Allâh” Sprecher oder Stellvertreter Gottes
· „Mahdi“ Herrschaft Abwesender oder Verborgener oder Rechtgeleiteter
· „Mansûr“ Sieger, siegreich oder „dem der Sieg gegeben wird“
· „(mu)sl(i)m“ Anhänger der Eintracht
· “Rasûl” Apostel oder Gesandter
· „walî’ahd al-muslimîn“ Beauftragter im Bund der Friedfertigen
· „walî al-amr“ Stellvertreter im Befehl
· „Walî’llâh“ Beauftragter, Bundesgenosse, Freund, Heiliger, Sachwalter, Stellvertreter oder Verwandter Gottes (ab 692, kommt heute noch im Schiismus vor)

Von 663-674 verwüstete Mu’awiya mit Arabern Kleinasien bis Konstantinopel. Westliche Syrer waren monophysitische Christen, östliche Syrer wurden erst um 680 nestorianische Christen, diese Differenz ist auch im Koran enthalten: 2,135 & 141; 3,110; 5,73 & 82. Erstmals taucht 687 „MHMT“ in persischer Schreibweise auf. 698 wurde die „Apokalypse“ erwartet. Um das Ueberleben in dieser schwierigen Zeit zu sichern, wurde „Isâ bn Maryam“ fallen gelassen. „Dîn“, der gute, rechte, reine, unbeugsame und wahre Glaube(nsgeist) im Sinne einer Bindung an Gott wurde dagegen wichtiger und „islâm“ wurde als Abwesenheit von Streit und Eintracht verstanden von den strengen Persern. Neue, bildlose Münzen mit anonymen Inschriften tauchten auf. Jerusalem wurde als geistliches Zentrum aufgegeben und Damaskus wurde als Stadt mit dem Patron Johannes dem Täufer wichtiger. 702 wurde „al-Walîd, der Sohn Abd al-Malik zum Kronprinzen ernannt.
717-740 Belagerung Konstantinopel und Niederlage der Araber
Karl Martell siegte 732 bei Poitiers und 737 bei Narbonne gegen die anrückenden Muslims und rettete die Franken und somit das Abendland. Karl der Grosse verdammte die Lehre eines adoptierten Sohnes Gottes, mit der die spanischen Bischofe liebäugelten, die näher beim Islam waren.
754 erfolgte eine anonyme Goldprägung mit dem Motto aus dem Koran 9,33: „Er ist es, der den Gesandten geschickt hat...“ Das Leben Mohammeds wurde erstmals von Ibn Ishaq, gestorben 768, biografisiert. Die Grundlinien des Islams wurden etwa um 800 festgelegt, erst jetzt wurden diakritsche Zeichen des Korans festgelegt, die zu neuer Lesung führte. Rechtsschulen festigten die reine Lehre und Zweifel wurden eliminiert. Auf 822 wird die früheste geprägte Münze Mekkas datiert, auf 870 ein Goldmünze. 823-826 wurde die Hierarchie im persischen Raum neu organisiert. Neue Namen und Bezeichnungen wurden eingeführt. Es fand eine Art Uebergang von „proto-schiitischer“ zu „proto-sunnitischer“ Herrschaftspraxis statt. Für die Perser war Christus der Profet des Westens, der in Medina begraben war, und Zoroaster der Profet des Ostens, der in Chorasan begraben war. Mohammed war nicht als Fürsprecher am Tag des jüngsten Gerichts gedacht. Wichtige „Erkenntnisse“ über Mohammed stammten später von Ijad al-Jahsubi, der 1148 gestorben ist. Er bezeichnete Zweifel an der Allzuständigkeit Mohammeds als verwerflichen Abfall vom Islam, der mit dem Tod zu bestrafen sei. Er sagte: „Beachte nicht Historiker...“

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Montag, April 21, 2008

Der frühe Islam von Karl-Heinz Ohlig

Karl-Heinz Ohlig ist Herausgeber und Autor zusammen mit weiteren Autoren von dem Buch mit dem Titel: Der frühe Islam. Der Untertitel lautet: Eine historisch-kritsche Rekonstruktion anhand zeitgenössischer Quellen. Es ist im letzten Jahr, 2007 im Hans Schiler Verlag in Berlin erschienen unter der ISB-Nummer: 978-389930-090-1.
Dieses umfangreiche Buch von 666 Seiten birgt einiges an neuen Erkenntnissen und somit Sprengkraft, denn es will die Anfänge des Islams erhellen: „Licht ins Dunkel der Anfänge des Islam“ bringen (Seite 7-11). Folgende Themen werden angeschnitten und daraus diese Thesen formuliert:
· „muhammad“ war ein Motto, kein Name, ein Prädikat für Jesus, wurde im 8. Jh. historisiert, im 9. Jh. biografisiert
· der Islam hat auch persische Vorstellungen übernommen (Ignaz Goldziher)
· es gab eine komplexe religiös-politische Entwicklung im 7. und 8. Jh. mit Byzantiner, Sassaniden und Araber
· In Frage stellen der islamischen Tradition und seiner Literatur:
1. Geht Koran auf Verkündigung Mohammeds 570-632 zurück?
2. Hat sich alles auf arabischer Halbinsel, in Mekka und Medina abgespielt?
3. Lag endgültige Fassung des Korans schon bald nach Tod Mohammeds vor?
4. War Islam war im frühen 7. Jh. eine fertige neue Religion? Ist Koransprache reines Arabisch? Denn Aufklärung hat auch dem Christentum letztlich auch nicht geschadet, so beschädigt historische Forschung auch den Islam nicht, meint Ohlig.

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Sonntag, April 20, 2008

Zur Aerchologie des Korans

Zur Archäologie einer Heiligen Schrift. Ueberlegungen zum Koran vor seiner Kompilation.“ Ein Beitrag von Angelika Neuwirth auf Seiten 130-145. Diese Forscherin benennt zuerst drei umstrittene Koranthesen der letzten 35 Jahre. Sie stammen von Günther Lüling, John Wansbrough und Christoph Luxenberg. Lüling behauptete 1974, dass der überlieferte Koran auf christlichen Hymnen in arabischen Dialekten basiere. Später wurde er von Unbekannten umgeschrieben. Wansbrough meinte 1977, dass Kodifizierung und Kompilation erst im 9. Jh. durch südirakische Gelehrte stattfand. Das islamische Geschichtsbild sei ein Konstrukt. Luxenbergs These im Jahr 2000 war, dass der Koran ein aus dem Syrischen in unfertiges Arabisch übersetztes Lektionar mit kirchlichen Elementen sei. Er bestehe also aus einer syrisch-arabischen Mischsprache.
Allen Thesen gemein sei, dass einzelne koranische Texttypen ausgeblendet werden müssen. Es gebe aber kein Interpretationsmonopol, da es auch verschiedene Textsorten im Koran gibt. Neuwirth plädiert dafür, den Koran als situationsgebundenen, kanonischen Kommunikationsprozess zu begreifen. Er sei die Hälfte eines Dialogs, Gesprächs oder Streitgesprächs zwischen Sprecher und Gemeinde. Die Begründung findet sie vorwiegend in den mittelmekkanischen Suren, wie der 15: biblische Erzählungen sind umgeben von dialogischem Gotteslob, Apologetik, Polemik oder Tröstung. Das entspricht einem frühchristlichen Gottesdienstaufbau. Später sind Texterweiterungen dazugekommen, die medinischen Zusätze stellen eine Weiterentwicklung dar. Belegt wird dies mit Suren 7 und 20, die Erzählungen über Mose zum Inhalt haben, aber gegenüber der Tora theologisch ergänzt sind. Ramadanfasten lasse sich aus Yom-Kippur-Fasten ableiten.

Der globalisierte Koran. Moderne Selbstbegründungen“ Ein Gespräch mit Reinhard Schulze auf Seiten 146-158, worin er meint: Der Koran enthalte wenige, unabänderliche Rechtssetzungen, die zu gesellschaftlichen Verfassungen führen. Der erste Koran wurde erst 1802 im russischen Kazan gedruckt. Später hat sich der Standardtext der Kairiner Ausgabe durchgesetzt. Ab 1926 wurde damit das individuelle, private Lesen gefördert. So wurde der Koran zum Hintergrund und Referenzrahmen für politische Manifestationen, denn alles in ihm ist Wort Gottes, also göttlicher Text par excellence.

Zurück in die Zukunft. Korankritik in der europäischen Diaspora.“ Ein Gespräch von M. Briefs mit Soheib Bensheikh auf Seiten 159-170. Bensheikh ist Mufti von Marseille, als liberaler Moslem steht er auf der Todesliste der GIA. Er macht auf den enormen sozialen und religiösen Druck in vielen islamischen Länder aufmerksam. Dabei bezieht sich Tod bei Religionswechsel auf einen einzigen Hadith.

Den Koran neu denken. Für eine humanistische Hermeneutik.“ Ein Beitrag von Nasr Hamid Abu Zaid auf Seiten 171-193. Er versteht den Koran als polyphone Diskurse. Es gibt Ich-, Du-, Er- und Wir-Stimmen darin, die auf einen impliziten Dialog schliessen lassen.

Reaktionen und Reaktion. Christoph Luxenberg über die Rezeption seine Forschungsergebnisse zum Koran auf Seiten 194-206. Er weist nochmals auf wichtige Punkte seiner Forschungen hin und hält thesenartig fest:
· Aramäisch wird heute nur noch an wenigen Orten in der Türkei, Syrien und im Irak benutzt
· Aramäisch sei älter als Arabisch
· Arabische Sprachentwicklung ist unerforscht
· es gibt kein etymologische arabisches Wörterbuch.
· In Europa wurde Arabisch (und Persisch) in den zwei letzten Jahrhunderten romantisiert und mystifiziert
· Es gibt kein arabisches Buch zwischen 632 (Tod Mohammeds) und 880
· Koran sei missverstandene Grundschrift durch Korankommentatoren

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Mittwoch, April 16, 2008

Bahira-Legende und Luxenberg

In „Bahira-Legende, Dante und Luxenberg. Von verschiedenen Koranwahrnehmungen“ macht Michael Marx auf Seiten 112-129 einen kurzen Abriss über die Wahrnehmung des Koran. Er beginnt mit Bahira, der ein nestorianischer Mönch war, der Mohammed unterwiesen und inspiriert haben soll. Dies wurde sowohl von Christen als auch von Moslems überliefert, jedoch unterschiedlich gedeutet. Aus der frühen christlichen Sicht ist der Islam ein verdrehtes, häretisches Christentum aus dem 8. Jh. Der Koran ist nach Johannes von Damaskus (675-749) ein christlicher Auslegungstext. Erste lateinische Koranübersetzungen wurden im 12. Jh. In Spanien geschaffen. Noch Nicolaus Cusanus sah im Koran verborgene Wahrheiten des Evangeliums, ein verdecktes christliches Erbe. Martin Luther war dagegen kämpferischer: Katholizismus und Islam seien die beiden Hörner des Antichristen. Carl Heinrich Becker meinte: Ohne Alexander dem Grossen keine islamische Zivilisation. Er trug griechische Kultur, Wissenschaft und Philosophie in den Orient. Abbasidische Forscher rezipierten dies. Und ohne Juden und Christen keine islamische Theologie (Seite 123).

Im islamischen Verständnis ist der Koran das ungeschaffene, vor Erschaffung der Welt bei Gott vorhandene Wort Gottes. In der frühchristliches Theologie hatte nur Christus diese Stellung. Marx bezeichnet den Koran als Nachhall, Echo oder Bestandteil der spätantiken Kirchengeschichte.

Luxenberg wird von Marx sehr sachlich bewertet. Er vermerkt die uneinige Fachwelt und vielstimmige Bewertung. Aber nur wenige Forscher beherrschen heute sowohl Aramäisch, Hebräisch und Arabisch. In islamischen Ländern hatten Luxenbergs Thesen bis heute wenig Echo, es gibt nur je eine Rezeption im Libanon und Iran. Marx bemängelt des weiteren die fehlende Textforschung seit 1945 und die minime Interaktion zwischen Forschern, Fächern, Sprachen und Kulturen. Das ist mit ein Grund, weshalb jüdisch-christliche Anteile im Koran noch wenig erforscht sind.

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Korrumpierte Tradition und religiöse Geschichtsbildung

Das Gespräch mit Gerd-Rüdiger Puin, auf Seiten 99-111, handelt um Die korrumpierte Tradition. Zur religiösen Geschichtsbildung.“. Darin wird folgendes festgehalten: Die ältesten Koranhandschriften stammen aus dem 7. Jh., ihr Stil ist archaisch, vorkufisch und hedjasisch (wie die Inschriften im Felsendom). Ab 750 herrscht der kufische, klassische Stil vor. Den Kairiner Koran von 1924 bezeichnet er als Meisterwerk der arabischen Typografie. Er gibt den Standardtext wieder, der den unveränderten, korrekten, konservativen Haupttext in Defektivschreibung (arabisch „rasm“), der auf al Madani zurückgeht, und Leseanweisungen umfasst. Für Moslems ist das Rezitieren des Korans wichtiger als das Verstehen. Der Koran ist zudem ein politisches Buch, ein religiöses und weltliches Gesetzesbuch, denn das religiöse Heil ist abhängig von der Befolgung des Rechts und der Rechtsvorschriften. Deshalb lassen sich Religion und Politik im Islam nicht trennen. Im Mittelalter entwickelten islamische Rechtsschulen ganze Gesetzessysteme. Textkritik des Koran ist unmöglich, da es sich um die Rede Gottes handelt. Auch heute werden Korankritiker in islamischen Ländern verfolgt. Koranschulen fördern ein fundamentalistisches Verstehen des Koran, der Wahhabismus einen Skripturalismus, der eigenwilliges Verstehen begünstigt.

So kämpfen terroristische Attentäter für den Islam und kommen bei ihrem Tod direkt ins Paradies.

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Montag, April 14, 2008

Antikes Lernen

Ueber die orale Rezeption des Koran“ lässt sich Manfred Kropp in einem Gespräch sachlich und teilweise gar diplomatisch aus (Seite 90-98). Auch er geht davon aus, dass der Koran auf einer aramäischen Vorlage oder aber mindestens auf aramäischen Sprachhintergrund basiert. Die Sprachgeschichte des Arabischen muss sich ändern, weil sie zu konstruiert ist. Deshalb ist textkritische Forschung so notwendig, es gibt sie aber erst seit knapp 50 Jahren! Hingegen wird der Koran seit 900nChr im Wesentlichen so gelesen und verstanden wie heute. Davor war aber die formative Phase, die ihn interessiert. Darum sollten Handschriften und Fragmente in einer kritischen Ausgabe vereint werden, was noch ausstehend ist. Auch die Forschungsgrundlagen sind heute noch unvollständig. Die mündliche Ueberlieferung des Koran ist ununterbrochen bis heute, aber unklare Stellen haben zu mehr als dreissig Erklärungen geführt. Es gibt keine gesicherte Textgrundlage, jedoch das Dogma des direkt offenbarten Wort Gottes. Dies hindert die Erforschung des Koran. Weil zuviel aus Judentum und Christentum stammte (und nicht aus dem Heidentum, wie Moslems behaupten), bestand ein grosses Bedürfnis nach Abgrenzung.

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Samstag, April 12, 2008

Weintrauben statt Jungfrauen

Im nächsten Kapitel „Weintrauben statt Jungfrauen“ stellt Rainer Nabielek die neue Lesart des Koran und ihren Stellenwert innerhalb der modernen Koranforschung vor (Seite 39-61). Luxenberg bezeichne den Koran als philologisch ungeklärten Text und versetze ihn daher in seinen historischen Kontext. Seine Methodik umfasst sechs Stufen:
1. arabische Ueberlieferung beachten, insbesondere den Kommentar von at-Tabari
2. arabisches Hauptlexikon „Lisan al-arab“ von Ibn Manzur (1232-1311) konsultieren
3. syro-aramäische homonyme Wurzel suchen
4. aus Grundzeichenbestand (arabisch „rasm“) Lesevariante entdecken
5. diakritische Punkte abändern
6. Rückübersetzung ins Aramäische. Benutzung des syrischen Sprachlexikon „Thesaurus Syriacus“

Weiter ist zu vermerken, dass der Koran christliches Gedankengut und Dogmen enthalte. Schon Johannes Damascenus 675-750 meinte: „Islam ist eine christliche Häresie“. Und noch Nikolaus von Kues war der Ansicht: „Im Koran ist die Wahrheit des Evangelium zu finden.“

Als Beispiel für Luxenbergs Methodik kann der nächste kurze Beitrag von ihm „Weihnachten im Koran“ angeschaut werden (Seite 62-68). Er zeigt auf, dass der Name „Koran“ eigentlich syrisch ist und somit „Qeryan“ hiess. Dieser war eine Art Lektionar. Das ist ein Buch, aus dem im christlichen Gottesdienst Lesungen vorgetragen wurden.
Deshalb komme Jesus, arabisch „Isa“ 25x im Koran vor, Messias „al Masih“ noch 11x. Christi Geburt wird in Sure 19, der Mariensure, beschrieben. Darin kommt „Bächlein unter dir (=Maria) machen“ vor, was eigentlich keinen wirklichen Sinn ergibt. Luxenberg rückübersetzt ins Aramäische und kommt im gleichen Satz auf „Niederkunft (Marias) legitim machen“.
Und die Sure 97 mit dem Titel „Nacht der Bestimmung“ wird nach der gleichen Methode vom herabgekommenen Koran zur Geburt Jesu. Luxenberg meint, dass diese Sure ursprünglich als Einleitung zu einer Weihnachtsliturgie gedient habe.

Anhand des Worts „Satan“ schaut Luxenberg im nächsten Kapitel (Seite 69-82) „Morphologie und Etymologie“ der drei Sprachen Aramäisch, Hebräisch und Arabisch an: „Ostsyrisch-babylonisches Aramäisch strahlte auf das vorchristliche biblische Hebräisch und auf das nachchristliche koranische Arabisch aus“. Auch die äthiopische Bibelübersetzung 350nChr war noch in diesem Einflussbereich.

Im Beitrag „Der Koran zum islamischen Kopftuch“ weist Luxenberg mit seiner Methode nach, dass „chumar“ nicht zwingend mit Kopftuch, sondern auch mit Gürtel übersetzt werden kann. Das Kopftuch lässt sich also nicht durch den Koran begründen, sondern durch die Sittengeschichte.

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Donnerstag, April 10, 2008

Luxemburg-Debatte oder Streit um den Koran

Christoph Burgmer ist der Herausgeber, zusammen mit verschiedenen Autoren, dieses Buchs mit Sprengkraft: Streit um den Koran, Die Luxenberg-Debatte: Standpunkte und Hintergründe. Dieses 200 seitige Werk ist im Hans Schiler-Verlag Berlin im Jahr 2004 erschienen mit der ISB-Nummer: 3-89930-145-5.
Für Uneingeweihte ist es etwas schwierig zu verstehen, um was es sich eigentlich bei der „Luxenberg-Debatte“ handelt. Der Titel gibt eine Teilantwort: Es geht um den Koran und um den Streit, wie dieser ursprünglich zu verstehen sei. Dies hat auch grossen Einfluss auf das heutige Verständnis, weil Ueberlieferungen in der islamischen Tradition wichtig sind.
Ein deutscher Sprachforscher hat sich vorsichtshalber das Pseudonym „Christoph Luxenberg“ zugelegt. Er ist ein akribischer Kenner und Spezialist orientalischer Sprachen und hat im Jahr 2000 das Buch „Die syro-aramäische Lesart des Korans“ veröffentlicht, um den Koran besser zu verstehen. Er geht davon aus und weist nach, dass einige schwierige Stellen im Koran nur mit einer Rückübersetzung ins Aramäische zu verstehen seien. Das hat ein kleines Erdbeben und Kontroversen in der Fachwelt ausgelöst, ging man doch mehrheitlich davon aus, dass der Koran ursprünglich in reinem Hocharabisch überliefert worden sei. Auch die islamische Tradition stellt es so dar, ungeachtet sprachhistorischer Forschungen und Erkenntnisse. Forschung gestaltet sich in diesem Bereich aber als schwierig, da es wenig schriftliche Dokumente aus dem arabischen Raum der damaligen Zeit gibt. In diesem Buch haben einige Forscher erneut Material zusammengetragen, die die These Luxenbergs stützen, erweitern oder auch relativieren.

Zuerst, von Seite 18-38, kommt nochmals Luxenberg in einem Gespräch zu Wort. „Licht ins Dunkel. Der Koran als philologischer Steinbruch“ heisst die Ueberschrift dazu. Er beginnt mit dem Versuch, die damalige Sprachsituation Arabiens darzulegen. Er weist darauf hin, dass auch Araber, beispielsweise die Nabatäer, im 7. Jh. Aramäisch gesprochen haben. In syrischen Städten sprach man dagegen Griechisch. Die armäische Sprache umfasste 22 Buchstaben, die arabische damals nur 15, heute hat sie 28 Zeichen, davon sind aber nur sechs eindeutig und 22 zwei- oder mehrdeutig.

„Mekka“ ist eine aramäische Bezeichnung und bedeutet Senke. Diese Stadt war eine wichtige Handelsmetropole zwischen Syrien und Südarabien. Erst ungefähr 690 nChr, 68 Jahre nach Mohammeds Tod, wurde die syrische Schriftsprache unter Abdel Malik Ibn Marwan durch die arabische ersetzt. Das stellt die islamische Selbstannahme, dass Koranarabisch aus vorislamischer arabischer Poesie entstanden ist, in Frage. Zudem ist keine Koranhandschrift aus der Zeit der Entstehung mehr vorhanden. Und weitere arabische Literatur ist erst ab 750nChr bekannt. Wie überbrückt man glaubwürdig eine Lücke von 130 oder mehr Jahren?

Altarabische Inschriften sind mit aramäischen Wörtern vermischt. Zur Zeit Mohammeds sprach man vermutlich arabisch-aramäische Dialekte. Seine Offenbarungen teilte Mohammed mündlich mit und verkündete sie, Zuhörer schrieben sie in einer arabisch-aramäischen Mischsprache auf. Die diakritischen Zeichen, die die Aussprache festlegen, wurden später eingefügt, sie sind also Menschenwerk und gehörten nie zur Offenbarung. Diese Punktsetzung sei aber teilweise irrig, gerade auch weil die aramäisch-arabische Sprachverwandtschaft schon früh ignoriert wurde. Auch gab es verschiedene Koranfassungen mit erheblichen Abweichungen.

Heute gilt nur noch die Kairiner Fassung von 1924 als kanonisch, denn sie geht auf Tabari zurück, der um 900 gelebt hatte. Dieser wiederum berief sich auf die mündliche Ueberlieferung und altarabische Poesie.

Auch die westliche Koranforschung verlässt sich zu stark auf die arabisch-islamische Tradition. Luxenberg möchte, dass vermehrt die Unterschiede zwischen Korantext und –exegese aufgezeigt würden. Ihn interessieren primär sprachhistorische Erkenntnisse, daher fühlt er sich nicht der islamischen Tradition verpflichtet. Diese Trennung, die er macht, ist für das ganzheitliche Verständnis, das Moslems in der Regel haben, schwer nachvollziehbar. Zudem sind in der islamischen Tradition die zuletzt geoffenbarten Suren, die medinesischen Suren, ausschlaggebend für die islamische Interpretation.

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