Mittwoch, November 15, 2006

Das Wesen des Vaters

Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und wurde von Erbarmen bewegt, lief hin, fiel ihm um den Hals und küsste ihn ...
Sein Vater kam heraus und redete ihm gut zu ... Er sprach zu ihm: "Mein Kind, du bist allezeit bei mir, alles, was mein ist, ist dein. ...


Rembrandt folgte in seinem Gemälde nicht wortwörtlich dem Lukasevangelium. Er entschloss sich, einen stilleren Vater darzustellen. Das hat wahrscheinlich mit seiner Biografie zu tun: der äussere Glanz und die Aktivität ist aus seinem Leben gewichen, aber das innere Feuer der Liebe ist durch viel Leid gewachsen und stark geworden. Der Blick des Vaters ist der eines Blinden, er erkennt den Sohn nicht mit den Augen, sondern mit seinem Innern, dem Herzen. Und seine Hände sind Instrumente dieses Herzens, das voll ist von Liebe und Erbarmen. Und diese Hände sind ins Licht und in die Mitte des Bildes gerückt. Sie verkörpern Vergebung, Versöhnung und Heilung.
Rembrandt hat eine Vater- und eine Mutterhand gemalt. Auf der Schulter des Sohnes ruht die kräftige und muskulöse Vaterhand, die festhält. Auf dem Rücken die feingliedrige, sanfte und zärtliche Mutterhand, die streicheln und trösten will. Die Mutterhand ist das Echo auf die Worte aus Jesaja 49,15 "Vergisst denn ein Weib ihren Säugling, ohne Erbarmen für den Sohn ihres Leibes? Auch diese mögen vergessen, ich aber, ich vergesse dich nicht. Da, auf beide Handflächen habe ich dich eingegraben."
Nouwen schreibt über die Hände Gottes: "Sie hielten mich seit der Stunde meiner Empfängnis, sie hiessen mich bei meiner Geburt willkommen, hielten mich an die Brust meiner Mutter gedrückt, sie gaben mir Nahrung und deckten mich zu. Sie schützten mich in Zeiten der Gefahr und trösteten mich in Zeiten des Kummers. Sie winkten mir beim Abschied und begrüssten mich stets beim Wiederkommen. Diese Hände sind Gottes Hände. Es sind auch die Hände meiner Eltern, Lehrer, Freunde, Helfer und all derer, die Gott mir gab, um mich daran zu erinnern, wie sicher gehalten und geborgen ich bin."

Gott will, dass auch wir den Weg von der Kindschaft hin zu Vaterschaft und Mutterschaft gehen. Oft ist es ein langer Weg, bis wir die lähmende Furcht vor Gott wirklich ganz fallen lassen können. Aber Gott wandelt uns in sein Bild um, wenn wir Jesus Christus nachfolgen. "Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist" hat Jesus gesagt. Die gleiche Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung, die er uns schenkt, soll überfliessen auf unsere Nächsten. Das ist die grosse Herausforderung im Alltag: Kann ich bedingungslos lieben, kann ich geben, ohne etwas dafür zu erwarten? Dann können andere nicht mehr Konkurrenten, Rivalen, Gegner und Feinde bleiben, sondern Menschen, denen ich mit Liebe und Wertschätzung begegne und segnend meine Hände auf ihre Schultern lege.

Deshalb lautet die letzte Frage an uns: Identifiziere ich mich mit dem Vater? Bin ich auf dem Weg zur geistlichen Mutter- und Vaterschaft? Wem kann ich väterlich oder mütterlich begegnen?

Father (ein Lied von Adrian Snell 1990, dessen Vater 1988 starb)

My defender, my protector
My provider, Father
Friend and stranger – always there
Never danger when you're near
In the shadow of your love.

Always righeous teacher, pleased to learn
Still the child inside the man
Sometimes right and sometimes wrong
Sometimes weak and sometimes strong.

Now life ending, temple ageing
Sadness sometimes, scarred yet so kind
Sometimes certain, often not
Sometimes broken, sometimes lost
Still with laughter in your eyes.

Father, always, need you, miss you
Thank you deeply – you are in me
I can touch you, hear you, feel you
You are with me, I'll be with you.

strong in faith, living soul
Israel, going home
Whole in love, live complete
Deep in peace – this is love inteed.

Empfohlene Literatur:
· Zuerst Texte der Bibel in verschiedenen Uebersetzungen: besonders Psalmen, Jesajabuch & Lukasevangelium
· Floyd McClung: Das Vaterherz Gottes. JmeM Frankfurt 1986
· Henri J. M. Nouwen: Nimm sein Bild in dein Herz. Herder Freiburg 1991
· Geri Keller: Vater. Ein Blick in das Herz Gottes. Schleifeverlag Winterthur 2002
· Brennan Manning: Verwegenes Vertrauen. Ergreifen, was Gott uns schenkt. Brockhaus Wuppertal 2002
· Susanne Schmid Grether: Jesus der Jude. Schoresch Wetzikon 1997
· W. A.Visser't Hooft: Rembrandts Weg zum Evangelium. Zwingli-Verlag Zürich 1955
· ...und sei Dir des Vater im Himmel gewiss. Zeitschrift Salzkorn OJC 2/2002

Labels: , , , , , , , , , , , , ,

Dienstag, November 14, 2006

Der ältere Sohn

Da wurde der ältere Sohn zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu ... Er sprach zu ihm: "Mein Kind, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Jetzt aber müssen wir feiern und uns freuen, denn dieser da, dein Bruder, war tot und lebt wieder, er war verloren und ist wiedergefunden."

Der Vater will beide Söhne zurück, auch den älteren! Der ältere Sohn hat es genauso nötig, gefunden zu werden und wirklich heimzukommen ins Haus der Vaterfreude. Er ist zu einem Fremden im eigenen Haus geworden, er ist vollkommen versteift und isoliert, obschon er der rechtmässige Erbe des Hofes ist. Echte Gemeinschaft hat er nicht mehr, sie ist unmöglich geworden. Er hat kein Vertrauen mehr, die pure Finsternis herrscht. Doch der Vater gibt ihn nicht auf und geht auch ihm entgegen, bittet, drängt und fleht: lass das vorwurfsvolle Klagen fallen, gib das Vergleichen und die Verbitterung auf und nimm meine Liebe an. Sie gilt auch dir!
Wie die ältere Sohn schlussendlich reagiert hat, wissen wir nicht. Jesus sagt nichts darüber. Auch im Bild ist der Ausgang offen. Die Liebe des Vaters zwingt nicht. Auch wir sind frei, unsere Wahl und Entscheidungen zu treffen, ob wir im Dunkeln bleiben oder in das Licht und die Liebe Gottes kommen wollen. Die Sünde wird unweigerlich unsere Sicht einengen und uns versklaven. Sie ist wie ein wucherndes Krebsgeschwür.

Deshalb lautet die Frage gerade an uns langjährige und "brave" Christen:
Wann und wie stark habe ich mich schon mit dem älteren Sohn identifiziert?

Labels: , , , , , , , , ,

Donnerstag, November 09, 2006

Der jüngere Sohn

Der jüngere Sohn sagte zu dem Vater: "Vater, gib mir den Anteil des Vermögens, der mir zukommt." Da teilte er den Besitz unter sie. Wenige Tage darauf packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog fort in ein fernes Land."

So kurz und schlicht beschreibt Lukas, was der jüngere Sohn sagt und tut. Doch die Tragweite ist gross, die Beziehung zum Vater und zum Zuhause wird dramatisch abgebrochen: Der jüngere Sohn wünscht sich zutiefst, dass der Vater tot sei. Er verlangt nicht nur die Teilung des Erbes, sondern auch das sofortige Verfügungsrecht. Beide Forderungen wurden damals wie heute und in allen Kulturen als hartherzig, brutal, anstössig und ungeheuerlich empfunden. Sie setzen stillschweigend voraus: "Vater, ich kann nicht warten bis du tot bist!" (nach Kenneth Bailey)
Der Sohn trennt sich von allem, was ihm der Vater gelehrt und beigebracht hat: Werte, Denkweise, Lebensstil, etc. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass er dann in seiner Armut und Not nicht zu einem Juden oder zur jüdischen Gemeinde geht, wie es damals üblich war, sondern zu einem Bürger des dortigen Landes.
Wenn ich vom Vaterhause weggehe, bedeutet das auch, dass ich das Geschaffen- und Geliebtsein von Gott, dem Vater, ablehne. Die feine Stimme Gottes, die mich als Geliebter ansprechen will, ist dann weit weg und stirbt gar langsam ab. Andere Stimmen treten an seine Stelle auf: "Zeige, dass du liebenswert bist! Zeige, dass du ein braver Junge, ein gutes Mädchen bist! Zeige, dass du leistungsfähig bist! Zeige, dass du besser als die andern bist! Zeige, dass du das Leben meisterst, dass du es alleine schaffst! Nimm dein Leben an die Hand! etc."
Nouwen schreibt: "Sucht ist das vielleicht treffendste Wort für die Verlorenheit, die unsere heutige Gesellschaft durchdringt. Es geht um Macht, Reichtum, Geltungsdrang und Verschwendung, doch diese stillen niemals unsere tiefsten Bedürfnisse."
Doch es gibt einen Weg heraus und zurück, auch wenn er uns alles abverlangt. Er fängt mit der Einsicht an, dass ich meine wahre Identität als Sohn oder Tochter verspielt habe. Ich muss bereit werden, meine falsche Identität aufzugeben und den Vater, um Vergebung zu bitten. Ich muss so weit kommen, dass ich keine Forderungen und Bedingungen mehr stelle. Ich kann nicht mehr abschätzen, was mit mir dann passieren wird. Zu Gott kann ich nur leer, demütig und als Verlorener kommen. Der Zöllner schlug sich an die Brust und betete: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" (Lk 18,13b). Um beim Bild zu bleiben: Fast alles ist dem jüngeren Sohn genommen oder verschlissen worden auf seinem falschen Weg: Haare, Kleider (Mantel) und Schuhe. Die Sünde nimmt uns letztlich alles, aber sie gibt uns nichts wirklich.

Die Frage an dich lautet: Wann und wie stark habe ich mich schon mit dem jüngeren Sohn identifiziert?

Labels: , , , , , , , , , ,

Ein Vater und seine Söhne

Ich möchte einige meiner Gedanken zum bekannten Gleichnis von Jesus über den Vater und seine beiden Söhne festhalten. Der grosse Kirchenvater Augustinus hat es "das Evangelium im Evangelium genannt" und ich stimme ihm vollständig zu. Interessant ist, dass es ja nur im Lukasevangelium aufgeschrieben ist, und zwar in Lukas 15,11-32. (Andere Aussagen von Jesus sind ja jeweils mehrmals erwähnt, Lukas hat aber ein besonderes Sensorium für Jesus als Menschen und seine Beziehungen).
Aufschlussreich für das Verständnis des Textes sind auch die Adressaten und die Einbettung dieses Gleichnisses. In Lukas 15,1-3a steht: Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: ...
Danach folgen die drei Geschichten vom Verlorensein, Geschichten die einen tiefen innern Zusammenhang aufweisen. Diese Erzählungen sind also an Menschen gerichtet, die die Schriften des Alten Testaments äusserlich sehr gut kannten, aber nicht nach Gottes Herzen gelebt und gehandelt und sich daran gestossen haben, dass Jesus Gemeinschaft mit den verachteten Zöllnern und Sünder hatte. Man hatte nur Tischgemeinschaft mit Seinesgleichen und das ist ja heute noch so, oder?!?
Zum Gleichnis selbst: schon die von den Menschen eingefügten Titel machen es uns nicht gerade leicht. Wie soll eigentlich die Ueberschrift heissen? Ein paar gängige Varianten:
· Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Zürcher Bibel)
· Der Vater und seine zwei Söhne (Gute Nachricht)
· Drei Gleichnisse vom Erbarmen; der verlorene Sohn (Herdertext)
· Verloren und wiedergefunden (Neue Genfer Uebersetzung)
· Heimkehr der Verlorenen (Uebertragung von Jörg Zink)
· Der wartende Vater (Floyd McClung)
· Das Gleichnis von der Liebe des Vaters (Henri Nouwen)

Wie würdest du dieses Gleichnis benennen?
Gehe ich richtig in der Annahme, dass du den Inhalt dieses Gleichnisses kennst? Deshalb möchte ich einen kleinen Test machen, um zu schauen, wie genau du diese bekannte Geschichte verinnerlicht hast. Ich lege einen zentralen Satzteil aus dem Gleichnis vor und du schreibst diesen Satz weiter, so wir du ihn aus dem Gedächtnis kennst:
"Und er (=der jüngere Sohn) machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und ...
Wie geht dieser Satz weiter? Bitte schreib es auf, ohne in der Bibel nachzuschauen.

Die richtige Antwort lautet je nach Bibelübersetzung so:
· ... empfand Erbarmen (Interlinearübersetzung)
· ... es jammerte ihn (Luther Bibel)
· ... wurde innerlich bewegt (Elberfelder Bibel)
· ... es tat ihm weh, ihn so zu sehen, und er tat ihm leid. (Uebertragung von Jörg Zink)

Die meisten Reaktionen, die ich bis heute gehört habe, waren: ... ging ihm entgegen.
Das ist äusserst aufschlussreich, wie wir etwas ganz Wesentliches, das Jesus über seinen Vater sagen will, überlesen, unterschlagen oder ignorieren. Es kommt mir vor wie ein kollektiver blinder Fleck. Es gäbe noch einige biblische Beispiele, wo das ähnlich abläuft. Irgendwie wollen wir gleich zum Handeln kommen, ohne Gottes tiefes Erbarmen für uns Menschen wirklich ernst zu nehmen und auf uns einwirken zu lassen. Meister Eckhart hat es so formuliert: "Die Leute brauchen so viel nachzudenken, was sie tun sollen; sie sollen vielmehr bedenken, was sie seien."

In den nächsten Posts möchte ich den Inhalt dieses Gleichnisses über ein Bild erschliessen, das mir in den letzten Jahren sehr wichtig geworden ist. Das Thema des Vaters berührt mich seit Jahrzehnten, da ich selber ohne Vater aufgewachsen bin. Auch viele Kunstmaler haben die Szene des zurückkehrenden Sohnes und barmherzigen Vaters aufgegriffen und umgesetzt. Ein Gemälde ragt jedoch für mich aus den vielen heraus. Als visuell orientierter Mensch hat mich gerade dieses Bild und das auslegende Buch von Henri Nouwen "Nimm sein Bild in dein Herz" die Türe zu Gott und auch zu mir selbst weiter geöffnet. Es handelt sich um das Bild "Die Rückkehr des Verlorenen Sohnes" von Rembrandt Harmenszoon van Rijn, der von 1606-1669 in den Niederlanden gelebt hatte. Er hat das grossformatige (2.62x2.06m) Oelgemälde 1666-69, also kurz vor seinem Tod nach einem äusserst bewegten Leben gemalt.

Labels: , , , , , , , , , , , ,

Samstag, November 04, 2006

Rembrandt: Leben und Werk

Seit ich vor Jahren auf das starke Buch von Henri Nouwen: "Nimm sein Bild in dein Herz" gestossen bin und es richtiggehend aufgesogen habe, beschäftige ich mich mit dem bekannten Maler Rembrandt. Er hatte ein bewegtes Leben, deshalb möchte ich es kurz nachzeichnen:

Der berühmte holländische Maler bekannt mit dem Namen Rembrandt hiess eigentlich Harmenszoon van Rijn. Er wurde 1606 als 8. von neun Kinder in der holländischen Stadt Leiden geboren. Sein Vater war Müller und der junge Rembrandt durfte als einziger der Familie die calvinistische Lateinschule und danach die Universität besuchen. Dort begann er die alten Sprachen zu lernen. Doch er brach sein Studium bald wieder ab und trat als Kunstmalerlehrling bei Jacob Isaacsz van Swanenburgh ein. Danach arbeitete er beim berühmten Historienmaler Pieter Lastman in Amsterdam. (Amsterdam entwickelte sich damals zu einer der weltweit wichtigsten Handelsstädte, eingewanderte Juden aus Portugal und Spanien hatten wesentlichen Anteil daran. Holland gehörte noch bis 1648 zum mächtigen Königreich Spanien, befand sich aber schon lange in einem anhaltenden Unabhängigkeitskrieg.)
Bereits mit 19 Jahren gründete er eine eigene Werkstatt mit seinem Freund Jan Lievens in Leiden. Er malte Historienbilder, Selbstportraits, Stiche und Radierungen. Aus dieser Zeit ist auch das früheste erhaltene Gemälde bekannt: „Die Steinigung des Stephanus“. Schon mit 23 Jahren stellten sich erste Erfolge ein: der Graf Robert Kerr kaufte drei Bilder und schenkte sie dem englischen König. Die Bilder "Judas bringt die dreissig Silberlinge zurück" und "die Auferweckung des Lazarus" werden gar mehrfach "kopiert" und in Rembrandts Atelier sind bereits Lehrlinge und Mitarbeiter tätig.
Mit 25 Jahren siedelte er erneut nach Amsterdam über, wo er im Haus des Kunsthändlers Hendrik Uylenburgh Platz fand. Er malte Portraits für wohlhabende Patrizier und war auch sonst sehr produktiv. Das Gruppenporträt „Die Anatomie des Dr. Tulp“ entsteht. Mit 28 Jahren heiratete er Saskia van Uylenburgh, die aus einem wohlhabenden, reformierten Patrizierhaus stammte. Rembrandt befand sich nun im steilen gesellschaftlichen Aufstieg, was seinen Charakter sehr prägte und verformte: er wurde stolz, frech, eingebildet und selbstzufrieden. Er begann, protzig, luxeriös und verschwenderisch zu leben. (Calvinistische Patrizier und Händler gehörten zur führenden und wohlhabenden Gesellschaftsschicht in Holland; Juden, Katholiken und Täufer wurden toleriert, waren aber eher am gesellschaftlichen Rand angesiedelt.)
Rembrandt trat der Lukasgilde bei, um als Meister Lehrlinge ausbilden zu können. Ganze acht Schüler arbeiteten nun in seiner Werkstatt. Mit 29 Jahren wurde er Vater, sein erster Sohn Rumbertus kam auf die Welt, starb jedoch nach wenigen Monaten. Mit 30 Jahren begann er mit Kunst zu handeln und sie auch zu sammeln, zusätzlich gehörten historische und wissenschaftliche Objekte zu seiner umfangreichen Sammlung. Als 32 Jähriger wurde er wieder Vater der Tochter Cornelia, die aber auch nach kurzer Zeit starb. Zwei Jahre später erhielt das Paar nochmals eine Tochter mit gleichem Namen, jedoch auch dieses Mädchen starb bald. Kurz zuvor erwarb Rembrandt ein Haus in der Breestraat. In dieser Zeit begann Rembrandt Landschaften zu malen und zu stechen. 1641 kam dann sein zweiter Sohn mit dem Namen Titus zur Welt. Ein Jahr später vollendete er das Gemälde, da unter dem Namen „die Nachtwache“ bekannt geworden ist.

Dann schlugen weitere Schicksalsschläge über ihn herein, die in seinem Werk Niederschlag fanden: 1642 starb seine geliebte Frau Saskia und Rembrandt geriet in eine grosse Lebens- und Existenzkrise, arbeitete jedoch weiter. In der Folge verloren seine Bilder allmählich die damals vorherrschende barocke Bewegtheit, Dramatik, Repräsentation und Ueberheblichkeit, gewannen jedoch an Dichte, Tiefe, Zerbrechlichkeit und biblischem Inhalt. So beutete er die biblischen Geschichten nicht mehr nur für neue Bildideen aus, sondern wurde zum Erzähler und Ausleger der Bibel. Er begann mit seiner berühmtesten Radierung "Das Hundertguldenblatt", der Name geht auf den hohen Preis zurück. Inhaltlich umfasste sie Szenen mit Jesus in der Mitte, der von leidenden Menschen umgeben war, wie sie im Matthäusevangelium Kapitel 19 beschrieben sind. Noch waren seine Grafiken beliebt und sie wurden auch häufig kopiert, was damals eine übliche Praxis war. Trotz vieler Aufträge kam er aber nicht mehr aus seinen selbstverschuldeten finanziellen Problemen heraus.
Er lebte nun mit Geertje Dircx, die bei ihm als Haushälterin und Kinderpflegerin arbeitete, und seinem Sohn zusammen. Diese verklagte ihn später wegen nicht eingehaltenem Eheversprechen, bekam jedoch nicht Recht und musste sogar ins Zuchthaus deswegen. Aus finanziellen und erbrechtlichen Gründen konnte er Hendrickje Stoffels, seine zweite Haushälterin, offiziell und kirchlich nicht heiraten. 1654 bekam er von ihr eine Tochter, die wiederum Cornelia genannt wurde. Hendrickje wurde danach vom Amsterdamer Kirchenrat wegen unzüchtigem Zusammenleben mit Rembrandt gemassregelt.
Zwei Jahr später, 1656 wurde Rembrandt für zahlungsunfähig erklärt, weil er seine vielen Geldschulden, die er bei Freunden immer wieder gemacht hatte, nicht mehr zurückzahlen konnte. Das Haus in Amsterdam wurde vorher auf seinen Sohn Titus überschrieben. 1657 wurden Haus und Sammlung versteigert, doch nicht alle Schulden konnten damit getilgt werden. Rembrandt musste umziehen in die bescheidenere Roozengracht. Viele angesehene Leute zogen sich von ihm zurück, er wurde geächtet, so dass ihm vorwiegend mennonitische und jüdische Freunde verblieben. Sein Leben wurde nun zurückgezogener, einsamer und abgeschiedener. 1660 stellten ihn sein Sohn Titus und seine Frau Hendrickje in ihrer Kunsthandlung an. So konnte er wieder Aufträge übernehmen und Schüler beschäftigen. Drei Jahre später starb auch seine Haushälterin und Geliebte Hendrickje. 1665 wurde sein Sohn Titus volljährig und erhielt sein Erbe aus der ehemaligen Konkursmasse. Doch Titus starb bereits drei Jahre später, nachdem er erst ein halbes Jahr verheiratet gewesen war. Rembrandt konnte nun bei seiner Schwiegertochter leben und wurde Pate seines ersten Enkelkindes Titia. Im folgenden Jahr 1669 starb er mit 63 Jahren. Aus der eigenen Familie überlebte ihn nur seine Tochter Cornelia, bei der er zuletzt gelebt hatte.
Eines seiner tiefgründigsten Bilder "Simeon im Tempel" war im Entstehen begriffen. Man nimmt an, dass ein Schüler es in seiner Werkstatt vollendet hatte. Das gleiche Vorgehen wird auch bei "Die Heimkehr des verlorenen Sohnes" angenommen. Es war damals üblich, das der Meister die Komposition festlegte und nur die wichtigsten Teile eines so grossen Gemäldes auch selber malte. Vorbereitungsarbeiten und grosse Flächen wurden von Schülern oder Gesellen ausgeführt.

Rembrandt hatte eine immense Schaffenskraft und hinterliess insgesamt ungefähr 650 Gemälde, 300 Radierungen und 1400 Zeichnungen. 145 Gemälde, 70 Radierungen und 575 Zeichnungen basieren auf biblischen Themen und Geschichten. Vor allem in seiner zweiten Lebenshälfte gab er wieder, was er selber gesehen, gehört und verstanden hatte: Gott wurde in Jesus Christus ganz Mensch. Er erniedrigte sich und wurde zerbrechlich und unscheinbar wie jeder andere auch, aber er heilte und lehrte mit Vollmacht. Weitere wichtige Themen waren die Versuchung Jesu, die Begegnung einzelner Menschen mit Gott und Maria als ganz normale Frau. Er stellte sein Talent in den Dienst Gottes und machte mit seinen Hell-Dunkel-Kontrasten Unsagbares, Unbeschreibbares, Verborgenes und die übernatürliche Ruhe und Autorität Jesu ein Stück weit sichtbar.

Wichtigste Quellen:
· Henri J. M. Nouwen: Nimm sein Bild in dein Herz. Herder Freiburg 1991
· Christian Tümpel: Rembrandt. Rowohlt Hamburg 1977. Ueberarbeitet Neuausgabe 2006
· W. A.Visser't Hooft: Rembrandts Weg zum Evangelium. Zwingli-Verlag Zürich 1955

Labels: , , , , , , , , , , , , ,

Freitag, November 03, 2006

Die Gleichnisse von Jesus

Gleichnisse waren eine übliche Erzählform zur Zeit des Alten Testaments: Natan erzählte David die Geschichte zweier Männer in 2. Samuel 12,1-5. Der Weinberg als Gleichnis für Israel steht in Jesaja 5. Propheten wie Jeremia, Hesekiel und Hosea mussten selber zeichenhafte Handlungen vornehmen, um Gottes Botschaft zu veranschaulichen und zu verdeutlichen. Dazu ein jüdisches Sprichwort: "Der Reiche hilft dem Armen in dieser Welt, doch der Arme hilft dem Reichen in der zukünftigen Welt." Wahrer Reichtum besteht nicht darin, was man sich anhäuft, sondern darin, was ich verschenke! Auch Ambrosuis wusste: "Das Herz der Armen, die Häuser der Witwen und der Mund der Kinder sind die unvergänglichen Scheunen dieser Welt".
Gleichnisse sind ausgebaute Vergleiche (Martin Forster): Eine Geschichte oder ein Bild steht für die eigentliche Sache, die geistliche Wahrheit, die erklärt werden will: Himmelreich, Frohbotschaft Gottes, Bussruf, Endzeit. Gleichnisse haben zwei Ebenen: eine Erfahrungsebene und eine Offenbarungsebene. Vater, König, Richter, Hausherr, Gastgeber, Hirte und Weinbergbesitzer stehen für Gott, Kinder, Knechte, Schuldner, Gäste und Schafe für die Menschen. Die Erfahrungsebene ist nur scheinbar real, sie ist pseudorealistisch und stilisiert (Susanne Schmid). Das äussert sich an Abweichungen zum Ueblichen, beispielsweise in übertriebener Härte wie "Knecht in Stücke hauen", in spezifischen Zahlen wie die zehn Jungfrauen, ungeschicktem Verhalten und in Sprechchören
Die Gleichnisse haben oft Galiläa als Hintergrund und setzten Lebensart, Gewohnheiten, historische Ereignisse und aramäische Sprache der Bewohner voraus. Galiläa war ein königliches Land mit dörflich-landwirtschaftlichen Strukturen, das an verdiente Leute, die Haushalter oder Verwalter, verpachtet wurde. Diese waren verantwortlich für eine gute Bewirtschaftung und Geschäftsführung. Die eigentlichen Grundstückbesitzer wohnten aber meistens weit weg, ausserhalb von Galiläa. Orientalische Erzähler haben Freude an grossen Zahlen, wunderbaren Vorgängen und Uebertreibungen und setzen dies gekonnt ein.
Die Gleichnisse sind an drei verschiedene Adressaten gerichtet: die Jünger, das Volk oder die Pharisäer. Die Adressaten sind wichtig, damit wir nicht falsche Schlüsse ziehen.
Gleichnisse sind zudem sprachliche Waffen, denn das Gegenüber kann schockiert und zur sofortigen Reaktion herausgefordert werden. (frei nach Joachim Jeremias). Gleichnisse sind auch ein Weg, um zu Menschen in "Trance", im Sinne von Verblendung und Fixiertheit, zu sprechen; Menschen, die eigentlich sehen und hören können, es aber trotzdem nicht tun (nach Clarence Thomson)
Es gibt viele Mehrfachgleichnisse: zwei oder mehrere verschiedene Gleichnisse, die den gleichen Sachverhalt, die gleiche Wahrheit mit unterschiedlichen Geschichten beleuchteten. Zum Beispiel: Lukas 15: drei Gleichnisse, die Gottes Erbarmen illustrieren: Das verlorene Schaf, das verlorene Geldstück und der verlorene Sohn. Lukas 16: zwei Gleichnisse zum Umgang mit Geld und Besitz ("Mammon"): Der untreue Verwalter und der Reiche und der arme Lazarus. Dann gibt es längere Gleichnisse, die zwei Höhepunkte haben: die Einladung zum Hochzeitmahl und der Mann ohne Festgewand
Jedes Gleichnis hat eine "Pointe", einen springenden Punkt. Klaus Berger, der deutsche Theologe schreibt in seinem Buch "Jesus" auf Seite 238 dazu: Das Gleichnis (vom verlorenen Groschen in Lukas 15,8-10) handelt aber von Gott. Im Bild dieser Frau steht seine närrische Suche im Zentrum, seine, Gottes wahnsinnige Freude. Denn er, der Herr der Welten, ist auf der Suche nach jedem verlorenen kleinen Menschen. Er kehrt das Haus um, auf dass er den Letzten finden kann. Die normale Weltordnung ist hier verkehrt worden: Nicht wir müssen Gott suchen, den mächtigen und barmherzigen, sondern er sucht uns. Verzweifelt fast, um jeden Preis. Und wer sein Haus umkehrt, um einen Groschen zu suchen, der tut es auf Knien. Nicht wir knien hier, sondern Jesus schildert hier Gott auf Knien. Ein merkwürdiger Gott – versteht der denn gar nichts von Würde?
Oder zum Beispiel Lukas 16: Der untreue Verwalter. Der springende Punkt ist, dass die Klugheit dieses Betrügers gelobt wird! Er schafft sich Freunde mit dem Geld. Auch wir sollen klug sein im Umgang mit Geld und uns ewige Freunde damit verschaffen!
Zum Gleichnis vom vierfachen Acker sagte der deutsche Theologe Helmut Thielicke: Gottes Gnade ist keine billige Gnade; man muss sie mit allem, was man ist und hat, bezahlen. In die Hölle kann man bummeln. Das Himmelreich kann man nur mit Gewalt an sich reissen. Ja, es ist sehr aufregend, ein Christ zu sein. Da geht es immer ums Ganze. Und auf den stillen Aeckern passiert mehr als an den grossen Knotenpunkten des Verkehrs, wo die roten und grünen Ampeln hängen.

Labels: , , , , , , , , , , , , ,