Freitag, März 15, 2013

Frans Hendrik Breukelman

Der holländische Theologe Frans H. Breukelman lebte von 1916 bis 1993. Er wuchs in einer liberalen Familie in Rotterdam auf, studierte dann Theologie in Leiden, das ihn jedoch nicht erfüllte und eher orientierungslos zurückliess. Trotzdem wurde er schliesslich reformierter Pfarrer in Rhijnsburg, Rithem und Simonshaven (Südholland). In seiner pfarramtlichen Praxis halfen ihm die Schriften von Barth und Miskotte einen direkten Zugang zum biblischen Text zu finden und diesen auch weitergeben zu können. Auf Wunsch und Druck von Studierenden wurde er 1968 Theologieprofessor in Amsterdam, obwohl er die Methode der historischen Kritik ablehnte. Denn sie war für ihn zu sehr am Wissenschaftsverständnis des 19. und des 20. Jahrhunderts orientiert, und sie konnte den biblischen Text nicht wirklich zum Sprechen bringen. Seine „biblische Theologie“ war beeinflusst von der reformierten Uebersetzungstradition Hollands, die auf Calvin, die Dordrechter Synode 1618/19 und die „Staten-Vertaling-Bibelübersetzung“ zurückzuführen war. Geprägt wurde er auch von seinen theologischen Vorbilder Karl Barth, Kornelis Heiko Miskotte, Franz Rosenzweig und Martin Buber. Von beiden letzteren übernahm er auch die „Kolometrie“, die ihm zum wichtigen Werkzeug wurde. Sie gliedert den gesprochenen Text nach Atempausen, zeigt seine ursprüngliche hebräische Struktur auf und macht so auch zentrale Aussagen besser sichtbar und deutlich. Interpunktionen gehören nicht dazu, denn sie seien bereits Interpretationen. Die biblische Sprache dürfe nicht vereinnahmt werden, sie solle in ihrer Fremdheit zum Klingen kommen und wirken. Konkordanzen und selbst erarbeitete Kontexte seien Kommentaren vorzuziehen. Aehnlich wie Miskotte hat er darauf bestanden, dass die Bibel eine spezifische Offenbarung sei, nicht eine allgemeine, schon gar nicht eine philosophische Gottesidee und Weltsicht. Denn der Gott Israels werde sogar von der christlichen Theologie vergessen und verdrängt. Unser Verständnis müsse vom Besonderen (Gott Israels) zum Allgemeinen (Gott aller Menschen) gehen und nicht umgekehrt. Typische Aussagen von ihm dazu sind: „Nach dem biblischen Zeugnis ist das Sein Gottes und das Sein des Menschen ein Sein in der Tat und dieses Sein in der Tat ist einerseits ein Sein in der Gemeinschaft... ein Sein in der Begegnung und im Verkehr miteinander – alle Gottestaten sind Bundestaten... Erez (=Erde) ist maqom (=Ort)! Maqom, der Platz, den Gott seinem Menschen bereitet hat, um da mit ihm zu sein... die Bühne für die Bundesgeschichte -, nur wo echte Verborgenheit ist (der Himmel), kann echte Offenbarung geschehen. Damit ist alle Neutralität ausgeschlossen! Es gibt keinen neutralen Gott und keinen neutralen Menschen, keine neutralen Wesen und kein neutrales Geschehen, keine neutrale Zeit und keinen neutralen Ort, und deshalb auch keine neutrale Erkenntnis, denn alle Erkenntnis ist Erkenntnis von gut und böse!“ Ein deutscher Freund, Horst Dzubba, sagte über ihn: „Die Predigt von Pastor Breukelman währte eine Stunde: Es war so, als sei man zu Tisch geladen und bekäme ein stärkendes Gericht nach dem anderen gereicht ... Der Schleier, der alles Leben verhüllt, schien fortgenommen; das wahre Leben trat hervor ... Und doch war der Redner kein glänzender Kanzelredner – wie gut, daß er es nicht war! und auch kein Zauberer des Wortes; aber er glühte und teilte aus.“ Mit neun hebräischen Grund- oder Leitworten lasse sich das Wesentliche von Gottes bestimmten Absichten ausdrücken: „schemot“ Namen, Akteure; „davarim“ bestimmte Worte, Tatworte, Geschehen; „yomim“ Tage, Zeit; „schamaim“ Himmel; „erez“ Erde, Ort; „chessed“ Gnade, Huld; „emet“ Treue; „mischpot“ Recht, Gebot; „zedekah“ Bewährung, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit; „jeschah“ Befreiung; „schalom“ Friede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen: · Artikel von Uwe Bauer (2006) „Amsterdamer Schule“ im wissenschaftlichen Bibellexikon (WiBiLex) der deutschen Bibelgesellschaft: http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/zeichen/a/referenz/10000/cache/65c4105abd290cea700ee2c87477a3d8/ · Die Breukelman-Stiftung in Hoorn NL: http://www.breukelmanstichting.nl/de.php · Gespräch mit Frans H. Breukelman, der aus seinem bewegten Leben erzählt; übersetzt von Gisela Strauss: http://www.breukelmanstichting.nl/content/NL/pdf/Duitse%20vertaling%20hoofdstuk%20I.pdf · Der Lehrstuhl Miskotte-Breukelman, der zurzeit von Dr. Rinse Reeling Brouwer betreut wird: http://www.denieuwebijbelschool.nl/index.php/wat-doen-wij/leerstoel-miskotte-breukelman . Texte & Kontexte, exegetische Zeitschrift, Nr. 61, 64 (1994) und 90 (2001): www.texteundkontexte.de

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Samstag, März 09, 2013

Kornelis Heiko Miskotte

Der Holländer Kornelis Heiko Miskotte wurde 1894 geboren, studierte 1914-20 Theologie in Leiden und war dann Pfarrer in Kortgene, Meppel, Haarlem und Amsterdam. Er wurde 1945-59 Theologieprofessor in Leiden, wo er dann auch 1976 starb. Er war verheiratet und hatte Kinder, wobei er seine erste Frau und eine Tochter kurz nach dem Zweiten Weltkrieg durch eine tragische Lebensmittelvergiftung verlor. Er war ein Zeitgenosse von Karl Barth, von dem und dessen "Römerbrief" er seit 1923 beeinflusst und mit dem er auch 1924-1968 befreundet war, was sich in einem langen Briefwechsel ausdrückte. Dieser wies ihm den Weg „zum schriftgemässen Denken“. Miskotte postulierte, dass sich das Neue Testament in den Vorstellungen, Worten, Sehnsüchten und Sicherheiten der Sprache des Alten Testaments bewege. Zudem billigte er dem Ersten Testament eine Eigenständigkeit, eine Art „Ueberschuss“ zu, die sich nicht einfach im Neuen Testament auflösen lasse. Denn die Thora sei die eigentliche Basis, sie enthalte das Zeugnis des unmittelbar eingreifenden Gottes. Die Propheten rufen danach zum Bund zurück, und die Schriften beschreiben, wie die Gemeinde auf Gottes Eingreifen und Zeugnis reagiere. Die Bibel sei zudem ein Wort zum Vorlesen, ja sogar zum Ausrufen und zum Zuhören, jedoch nicht eine Schrift zum stillen Lesen! Bereits 1933 nahm er in seiner Promotion „Das Wesen der jüdischen Religion“ als einer der ersten die wichtigen sprachlichen Erkenntnisse von Franz Rosenzweig und Martin Buber auf und machte sie dem niederländischen Publikum zugänglich und vertraut. Die Bibel, beginnend mit der Thora, sei zudem ein antiheidnisches Zeugnis, die sich auch gegen die natürliche Gotteserkenntnis und Volksreligion gerichtet habe. Diese Erkenntnis wurde in der Auseinandersetzung und Widerstand gegen Nazismus nochmals vertieft und bestärkt, was er 1939 in „Edda und Thora, ein Vergleich von germanischer und israelitischer Religion“ zum Ausdruck brachte. Die Kirche gehöre zu Israel, an die Seite der Synagoge. Und nicht der Mensch frage nach Gott, sondern „Gott fragt nach dem Menschen, und dieser hat ihm zu antworten, sei es auch so, dass sich die Antwort vorläufig in fragenden Worten verhüllt“. Zwei seiner gehaltvollen, tiefsinnigen Werke wurden auch ins Deutsche übersetzt: Wenn die Götter schweigen. Vom Sinn des AT. H. Stoevesandt München 1963. Biblisches ABC: wider das unbiblische Bibellesen. Neukirchen 1976. Eigentlich nur schade, dass Miskotte und sein Werk so wenig bekannt ist im deutschsprachigen Raum! . . . . . . . . . . Quellen: Infoseite der Evangelisch-Reformierten in Deutschland: www.reformiert-info.de/165-0-37-5.html

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Samstag, März 02, 2013

Amsterdamer Schule

Mit dem Begriff „Amsterdamer Schule“ werden auch bestimmte, vorwiegend reformierte Theologen der Niederlande im 20. Jahrhundert bezeichnet, die bewusst auch jüdische Sichtweisen zugelassen und Lernen von der Hebräischen Bibel gefördert haben. Dies hat im Speziellen für das Bibelverständnis und die Bibelwissenschaft gegolten. Denn Amsterdam war das sogenannte „Mokum“, in Hebräisch „Maqom Alef“, was den „ersten Ort“ bezeichnete. Diese holländische Stadt war für viele Juden nach der Vertreibung aus Spanien 1492 und etwas später aus Portugal zur neuen, sicheren Heimat, zum „Jerusalem des Westens“ geworden. Diese Heimat wurde erst 1942, als die Nazis die Juden aus den Niederlanden deportiert und vernichtet hatten, jäh unterbrochen und zerstört. Zum Bibelverständnis: Es geht um die Dialektik Lesen und Hören: · Literarisches Auge für den Text · Theologisches Ohr für das Wort · Hörend lesen, lesend hören und lernen · Text zum Klingen bringen, so dass er sich vernehmen lässt und zur Ansprache wird (=hören) Weiter sind folgende Prämissen und Punkte zu beachten: · Die Vielfalt der Bibel weist viele innere Beziehungen auf · Die biblischen Texte sind aus verschiedenen Elementen zusammengewachsen, trotzdem sind sich als organische Einheit zu begreifen (nach Martin Buber) · Wir werden immer im Defizit gegenüber dem Bibeltext bleiben · Die Schrift wird in jeder Situation neu zu Menschen sprechen · Gott spricht verstehbar durch biblische Texte · Wir können die Schrift nur deuten, wenn auch die Schrift uns selbst deutet · Der Text darf es sagen, er ist in seiner Endgestalt zu respektieren, er ist ein sinnvolles Ganzes, eine Einheit, auch wenn er zusammengefügt sein sollte. Er ist die Instanz, die unser Leben kritisiert. Durch ihn kommt Gottes Wort und Handeln zur Sprache. · Die Bibel legt sich selbst aus und kritisiert sich selbst · Der biblische Text in seiner Einheit ist wichtiger als jede Methode, das gilt auch für die historisch-kritische Methode. Denn es gibt keine wertfreie Interpretation! · Jeder der Schulung durch die Schrift sucht, kann zugleich lernen und lehren · Das Fächerübergreifende ist wichtig, das Gespräch zwischen den verschiedenen Richtungen Herangehensweise: · Vorläufige Uebersetzung · Kontext und Parallelstellen · Stilistische Erscheinungen hervorheben · Subjekte (Wer?) und Gliederung · Inhaltliche Fragen: Themen und Bedeutung · Thesen · Assoziationen und Anspielungen erkennen · Was geschieht mit mir beim Schreiben, Lesen und Hören? · Kommentare möglichst spät beiziehen, wenn überhaupt! Vertreter oder Nahestehende waren und sind: · Frans H. Breukelman, 1916-1993, Pfarrer und Theologieprofessor in Amsterdam · Karel A. Deurloo, geboren 1936, Theologieprofessor (und Nachfolger von Breukelman) in Amsterdam · Friedrich Wilhelm Marquardt, 1928-2002, Theologe, Pfarrer, Studentenpfarrer und Theologieprofessor in Berlin · Kornelis Heiko Miskotte, 1894-1976, Pfarrer und Theologieprofessor in Leiden · Huub Osterhuis, geboren 1933, Philosoph und Theologe, ehemaliger Jesuit und Priester, lebt in Amsterdam · Nico Ter Linden, geboren 1936, Pfarrer an der „Westerkerk“ in Amsterdam · Ton Veerkamp, geboren 1933, ehemaliger Jesuit und Priester, Studentenpfarrer in Berlin, Publizist, lebt heute in Norddeutschland · u.a.m. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen: · Artikel von Uwe Bauer (2006) „Amsterdamer Schule“ im wissenschaftlichen Bibellexikon (WiBiLex) der deutschen Bibelgesellschaft: http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/zeichen/a/referenz/10000/cache/65c4105abd290cea700ee2c87477a3d8/ · Infoseite der reformierten Kirche Potsdam: http://www.reformiert-potsdam.de/FrP-Arbeit%20mit%20der%20Bibel-Amsterdamer%20Schule.htm · Texte & Kontexte, exegetische Zeitschrift, Nr. 61, 64 (1994) und 90 (2001): www.texteundkontexte.de · Die theologische Zeitschrift „in de waagschaal“: http://www.karlbarth.nl/homepagina · Wikipedia in Niederländisch: http://nl.wikipedia.org/wiki/Amsterdamse_school_%28theologie%29

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