Montag, Dezember 17, 2012

Tomas Halik: Geduld mit Gott

Der Tscheche Tomas Halik hat die Geschichte von Zachäus originell aktualisiert. Sein Buch, das 2010 im Herderverlag Freiburg mit der ISBN-Nummer 978-3-451-30382-1 herausgekommen ist, heisst ganz einfach: "Geduld mit Gott". Etwas zum Autor: Tomas Halik wurde 1948 in der Tschechoslowakei geboren. Er wuchs also in einem kommunistischen Staat auf, der auch einen materialistischen Atheismus propagierte. Er studierte Soziologie und Religionsphilosophie, er konnte jedoch wegen seiner christlichen Gesinnung nicht Karriere machen und Dozent werden. 1978 wurde er in der DDR zum römisch-katholischen Priester geweiht. Nach der Wende studierte er in Rom weiter, später wurde er sogar externer Berater von Vaclav Havel. Heute ist er Professor für Soziologie in Prag und Rektor der Universitätskirche. Nun zum Inhalt: Tomas Halik setzte sich intensiv mit dem Atheismus in seiner Heimat auseinander. Aus diesen Erfahrungen kann er sagen: „Mit Atheisten bestimmter Prägung kann ich die Wahrnehmung der Abwesenheit Gottes in der Welt nachvollziehen. Ich erachte ihre Deutung dieses Gefühls jedoch für übereilt... Das Schweigen Gottes und die beklemmende Gottesferne bedrängen oft auch mich... Ich kenne drei Arten von Geduld angesichts der Abwesenheit Gottes: es sind dies Glaube, Hoffnung und Liebe.“ Aus Ueberzeugung zitiert er Adel Bestavros, der gesagt hat: „Geduld mit andern ist Liebe, Geduld mit sich selbst ist Hoffnung, Geduld mit Gott ist Glaube.“ Zusammen mit dem Philosophen Slavoj Zizek möchte er das authentische Erbe des Christentums nicht fundamentalistischen Sonderlingen überlassen, weil es zu wertvoll sei. In der biblischen Person des Zöllner Zachäus erkennt er jene Menschen wieder, die Distanz wahren, aber durch Anrede und Dialog wahr werden und Gott nahe kommen. Dieses Geschehen sei auch geheimnisvoll, ein unerschöpfliches Geheimnis des Glaubens. Glaube sei Nachfolge, ein nie endender Weg durch diese Welt. Gott sei nicht leicht zu haben, mit ihm müsse man ringen. Man darf sich seiner nicht zu sicher, aber eben auch nicht zu gleichgültig sein. Die Liebe zu Gott lasse uns seltsame Gedanken und Prüfungen erdulden, Thérèse von Lisieux sprach in diesem Zusammenhang von der „Nacht des Nichts“, die eine Art Entkleidung des Glaubens sei. Den Unglauben überwältigen könne der Glaube nur, wenn er ihn umarmt. Der Gläubige zeige sich auch darin solidarisch mit dem Ungläubigen. Denn Atheismus sei nicht Lüge, sondern nicht zu Ende gesprochene Wahrheit. Gott sei stets grösser, mehr als es unsere Vorstellungen erlauben. „Glaube ist ein Weg der leidenschaftlichen Suche nach Gott“, das hat bereits Sören Kierkegaard festgestellt und gesagt. Und Gott sei deshalb so unbekannt, weil er eigentlich so nahe ist. Für Halik gilt deshalb: „Christi Auferstehung muss eine Provokation, eine Torheit, ein Skandal bleiben; wollten wir dieses zentrale Geheimnis unseres Glaubens beweisen, dann würden wir es um seine Kraft bringen.“ (Seite 174). Mit Martin Heidegger stellt Halik fest, dass die Technik fast alle Entfernungen überwunden hat, aber trotzdem keine wirkliche Nähe geschaffen hat. Zudem seien heute die Bilder der Medien eine Art „Antimeditation“. Das zwinge uns auch zur Erneuerung unserer religiöser Sprache. Verstaubte und abgenutzte Wörter sollten wir in jene ursprüngliche Quelle des Glaubens eintauchen. Diese befreiende und verwandelnde Freude durften bereits Thomas, Maria Magdalena, Zachäus und die blutflüssige Frau in ihrer Begegnung mit Jesus erfahren (S. 215). Das Privileg der Heiligen sei, die eigene Sündhaftigkeit wirklich scharf zu sehen. Das führe unweigerlich zum Weinen über die Sünde und zum Gott preisen für seine Barmherzigkeit. Denn nicht die schmerzvolle Reue sei wesentlicher Bestandteil der Umkehr, sondern Vertrauen in die Macht Gottes und Vergebung. Und wie Gott mir tut, so tue ich auch dir! Die bekannte Geschichte im Lukasevangelium Kapitel 15 nennt er das Gleichnis der verlorenen Söhne; denn der Weg beider Söhne gehe am Vater, der hier für Gott stehe, vorbei. Sowohl Beliebigkeit und Lasterhaftigkeit als auch Bravheit und Moralität seien falsche Wege; sich selbst und andere abwerten oder sich überheben verfehlen je das Ziel. Insgesamt ein spannendes, gut lesbares, apologetisches Werk mit schlüssigen und nachvollziehbaren Argumenten. Es passt bestens in unsere Zeit, in der Glaube an Gott stark in Frage gestellt wird. Halik dreht deshalb den Spiess um, indem er die Ungeduld, die Vorurteile und die Selbstgefälligkeit der Menschen kritisiert. Denn bereits früh war er dem rauen Wind seiner Zeit ausgesetzt, so dass er Worte und Formulierungen suchen musste, um neue, glaubwürdige Antworten für kritische und skeptische Zeitgenossen zu finden.

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