Samstag, Dezember 20, 2008

Das universale Lob. Psalm 100


Es geht auf Seiten 373 bis 379 um die „toda“, das Dankopfer, in der Form lobpreisenden Sprechens, das sichtbare Opfergaben begleitet. Eine Liturgie, die für die wesentliche Ausgerichtetheit des Lebens steht, totalitär, einzigartig und selbstverständlich ist. Allein der Name (JHWH) ruft diesen Lobpreis wach, und er ist Hinweis auf Auesserstes an Lebensfülle. Lobpreis umfasst:

. Bekennen

. anerkennen

. ehren

. Schuld bekennen

. sich unter das Gericht beugen

. Friedensopfer (bringen)

. öffentliche Danksagung des Einzelnen (ev. Dankopfer)

. Lobpreis der Gemeinde, liturgische Doxologie


Lobpreis will sich Rechenschaft geben von JHWHs Tugenden (Ex 34,6; Num 14,18; Ps 86,15; 103,8; 145,8)

Miskotte schreibt dazu noch: „JHWH ist unser Bundesgenosse. Er hat mit uns einen Bund geschlossen, um uns zu beschirmen gegen uns selbst, die wir in unseren Gedanken immer wieder mit dem amor fati spielen, die wir die Tragik und die Wehmut der irdischen Existenz beinahe – suchen. Er muss uns, gegen unsere Neigung, daran verhindern, Bundesgenossen des süss- oder bitter-schweigenden Schicksals zu werden, damit wir, genau umgekehrt, Ihn bekennen, d.h. loben als unseren Bundesgenossen gegen das Schicksal, von dem wir für unser Empfinden gänzlich umfangen sind.

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Mittwoch, Dezember 17, 2008

Der Baum des Lebens


Immer wieder tauchen in Miskottes Text, der nicht nur einfach gehalten ist, Kernsätze auf, die es lohnt einzuprägen und zu bedenken: „Das Schweigen Gottes im Alten Testament ist eher ein Nicht-Handeln als ein Nicht-Sprechen... Die Weisheit bringt das Leben, nicht das Leben macht weise

Ab Seite 353 spielt der Baum des Lebens eine wesentliche Rolle, der Gegenwart und Güte JHWHs verkörpert, so dass die Erde Paradies für die Menschen wurde. Der Lebensbaum breite seine Zweige über alle Völker aus, sagt der Talmud.
1. Die „Entmythologisierung“ des Lebensbaums bezeugt und verbürgt, dass kein Lebenselixier im Kosmos vorhanden sei, dass das Leben einzig im Nahesein JHWHs liege, der das Paradies zum Paradies mache und der den erschaffe, von dem es heisst: „Der Lebende, nur der Lebende, der lobt dich“ (Jes 38,19)
2. Das Siegel... der Mensch darf sterben. Die Präsenz Gottes dient nicht zur Stillung des Lebenshungers und Ueberwindung der Todesangst. Der Lebensbaum muss zum Todesbaum werden. In der Bestimmung der Endlichkeit findet der Glaube immer an den Grenzen, das göttliche Leben
3. Der Baum des Lebens figuriert... als Bild der "Chokma" (=Weisheit). Weisheit ist praktisch, sie bedeutet leben nach der Weisung der Thora
4. Diese Ernüchterung... bedeutet, dass alles Lebensgefühl in den Umgang mit dem WORt einbezogen wird. Das praktische Leben wird ein heimlich begeistertes Leben. (Gegebenes Leben wird so zu gewähltem und geistlichem Leben, was Glaube bedeutet)
5. Ablehnung der Thora heisst Lebensgefahr und geistlicher Tod
6. Mensch, Zeit oder Generation darf nie aufgegeben oder abgeschrieben werden, „emäth“ bedeutet Treue in der Kommunikation mit dem abtrünnigen Menschen
7. Teilnahme an dem göttlichen Leben... in der Unmittelbarkeit, in letztgültiger Erfüllung, bei dem „Baum des Lebens“

Im Alten Testament finde sich auch kein unmittelbares Lob auf das Leben... Desto lauter erklingt das Lob Gottes... Der Grund dieses Lobes ist kein anderer als dieser: ER ist gut. Und die Welt ist gut. Sie ist gut für den Zweck, gut nach ihrer Bestimmung: die Güte Gottes zu offenbaren... Daraus erwächst Freude, disparat, hier und da, als Vorzeichen der Freude... Denn JHWH ist gut, und in Ihm ist kein Unrecht. Auch als der Verkannte bleibt Er treu... Die Güte der Welt ist versiegelt unter dem Geheimnis des Kommenden, des zukünftigen Tages...
Im Geist des Alten Testaments muss man sagen, dass alle Freude nur Vorfreude ist und alle Schönheit ein Hinweis auf das letzte Heilsgeheimnis: „Siehe, ich schaffe neue Himmel und eine neue Erde“. Die Schönheit ist ein Abglanz und ein Unterpfand de Hoffnung; und das Kunstwerk spiegelt ein futurum... Dank im Alten Testament ist wesentlich der Dank dafür, dass es etwas zu hoffen gibt (Seiten 366 & 367).

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Sonntag, Dezember 14, 2008

Vom Sinn der Bibel-Uebersetzung


Zur Bibelübersetzung meint Miskotte: „Die Bibelübersetzung zielt nicht in erster Linie darauf ab, ein literarisches Werk in eine andere Sprache zu „über-tragen“; sie ist spontan hervorgegangen aus der Notwendigkeit, die Aktualität des gesprochenen Wortes (von Predigt und Unterweisung) aus dem Buchstaben des geschriebenen zu verantworten. Auch die Ueber-setzung ist gemacht, um in der (kirchlichen oder häuslichen) Zusammenkunft vorgelesen zu werden...
Sie setzt darum auch eine theologische Glaubensentscheidung über die Einheit der Schriften voraus.

In einer Fussnote schreibt er noch: „Wesen jedes wahren Midraschs (=Auslegung) ist Aktualisierung Bund, der Gott mit den Vätern geschlossen hat, erneuert er täglich für den, der sich mit Hingabe in sein Wort vertieft. Aus der Bibel ist die Stimme Gottes täglich neu vernehmbar.“ (S. 341)

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Samstag, Dezember 13, 2008

Weisung

Ab Seite 331 macht Miskotte Aussagen zur „Weisung“. Er sieht die Fragen „Was dünkt euch von dem Christus?“ und „Wie lest ihr das Alte Testament?“ eng miteinander verwandt. Er sieht auch die Gefahr einer Literaturisierung der Botschaft, denn die Schrift war nie als Buch zum Lesen gedacht, sondern als Text zum Vorlesen und zur mündlichen Anwendung: „Im gesprochenen Wort... begegnet dem Menschen die „Macht“ des Worts... Der Brief zielt auf eine Vergegenwärtigung – mehr: er ist ein Zeichen einer sehr bestimmten Gegenwärtigkeit. Hier ist Anrede, keine Lyrik... In der kultischen Handlung der Predigt wird das Wort aus den Fesseln der Schriftlichkeit erlöst, um, dergestalt befreit, einzutreten in eine Gemeinde, ein Volk, eine Welt. Alles hängt, nach reformierter Erkenntnis, daran, dass eben der Buchstabe sich zu Geist erhebt, das Geschehene zu Geschehen, die Erzählung zu Zeugnis, das Zeugnis zur Tat Gottes. Alles, was nicht diese Vergegenwärtigung meint, führt schliesslich zur Entleerung des Gottesdiensts...“ (S. 338 & 339)

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Impuls Exodus


Miskotte zeigt auch auf, dass dort Raum für Naturwissenschaft ist, wo die Natur „entgöttert“, die Geschichte „entdämonisiert“ und die Politik entideologisiert wird.
Wesentlich bleibt aber: Gott regiert, er erlaubt und fordert Gerechtigkeit. Immer wenn JHWH (etwas) hört, dann tut er etwas, er lässt etwas ins Dasein treten, er erfüllt sein Wort. Alle Taten Gottes sind gross, es sind seine Befreiungen „jeschu’oth“, Rechtsprozesse „zedaqoth“ und Gunstzuwendungen „chasadim“. Sein Heilsgeschehen bezieht sich auf das ganze Weltgeschehen, deshalb halten wir in der Geschichte stand und stiften Frieden. Die Kirche darf nicht die sittliche Beunruhigung in die Welt tragen, ohne die Ruhe in Gott zu verkündigen. Das ist messianische Erwartung. Im gespannten Geschehen ruht segnend die ewige Treue (S. 289).

Miskotte behauptet und begründet, dass Israel und die Kirche keine Religionen sind, denn sie feiern nicht das Gegebene wie die Heiden, sondern leben eine Existenz unter dem Wort und haben den Sinn des Lebens empfangen. Sie kennen die göttliche Verborgenheit und Freiheit, das Geheimnis der Zeit und die offene Zukunft, die erwählende Liebe und die Hoffnung. Der Auszug Israels ist Ausdruck davon und hat grundlegende Auswirkungen bis heute, dazu schreibt er auf Seite 307: „Die Vollmacht wirkt sich auch aus in dem Hindurchzug. Das Wort hat seinen Aktionsradius weit gezogen. Die Geschichte der Kirche ist wesentlich die Geschichte des profetisch-apostolischen Wortes. Ueberall kann man etwas von dem „Impuls Exodus“ (Bloch) spüren. Die Offenheit der christlichen Existenz ist auf ein Ende gerichtet. Wo das Herrenmahl gefeiert wird als Erinnerung und Teilnahme an de Opfertat des Herrn, an dem Vollbrachten, erschliesst sich die Zukunft (1Ko 11,26), denn das Mahl ist zugleich eine Speise der Hoffnung, ein Trank der Verheissung.
Und weiter auf S. 310: „Und wir fragen: Wie lange hat die Kirche den Gott Israels verkündigt, sich an den Tatcharakter seines Wortes gehalten, die Erzählung seiner Taten fortgesetzt? ... Wie bald haben die Christen den Exodus preisgegeben, wie bald sich geschämt, Grenzüberschreiter zu sein, wie schnell haben viele ihre Erwartung gegen das Glück einer geistlichen Sesshaftigkeit vertauscht?

Der eigentlich und ursprünglich Fragende ist Gott, er fragt nach dem Menschen und dieser hat ihm zu antworten. Die Antwort kann sich vorläufig in fragenden Worten verhüllen. Gott ist der Vorangehende, er waltet in Freiheit über der Unverfügbarkeit der befreienden Antwort. Israel hat in seiner Profetie, in seinem Gesang und in seinen Geschlechtsregistern das ihm zugesagte Land als Unterpfand der Zukunft gefeiert: eine Erde für die eine Menschheit unter dem einen Himmel. Das ist die grosse Liebesgeschichte, welche Leben heisst.

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Dienstag, Dezember 02, 2008

JHWH, der unaussprechliche Name

Der unaussprechliche NAME – so schreibt Miskotte für JHWH auf Seite 166 – ist nicht anders als in einem qualifizierten Geschehen erkennbar. Denn alles hängt an der Präsenz und dem schöpferischen Handeln JHWHs. Rosenzweig hat das als „erzählende Philosophie“ bezeichnet. Das Zusammentreffen von Name und Geschehen bringt etwas völlig Eigenständiges an Ereignis und Begegnung hervor. Diese Einzigartige, das Name, Geschehen und Gestalt umfasst, ist in der irdischen Wirklichkeit nicht ablesbar, sondern nur durch das enthüllende und dienende Wort. JHWH ist also exklusiv und universell zugleich, eine Art „Wüstengott“, der Nomaden, Pilger und Fremdlinge liebt und nicht menschliche Herrschaft und Macht.

Miskotte setzt auch Offenbarung und Gegenwart Gottes von unserer natürlichen Welt ab, denn das Heil Gottes lässt sich nicht von der Schöpfung ableiten, sondern umgreift sie. Dazu schreibt er auf Seite 187: „In der Schrift geht es... um eine existenzielle Offenbarung... Diese Offenbarung... ist Erfüllung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Erfüllung der Zeit. Gott „ist“ nicht „da“ wie der Kosmos und der Mensch „da sind“, wir können ihn nicht in einem allgemeinen Weltbild unterbringen... Eben diese „Grundlosigkeit“ ist es, die im AT so beunruhigend und faszinierend zutage tritt. Wo kommt JHWH plötzlich her? Alleine von der Mitte aus kann man auf den Anfang zurückblicken, um ihn von da aus „Schöpfung“ zu nennen, und vorausblicken kann auf die Endzeit, um sie von da aus das „Reich“ zu nennen.

Miskotte, der profunde Sprachkenner, macht darauf aufmerksam, dass die Sprache des AT keinen speziellen Begriff für unser Wort „denken“ hat, ebenso ist „hören“ zugleich „tun“, „nicht-tun“ also ein „nicht-hören“. Da kommt wieder Barth zum Zug mit der Aussage: „Gottes Sein ist in der Tat seiner Liebe“.
Die Schöpfung hat Israel stets als ersten Akt der heiligen Geschichte verstanden. Deshalb muss jeder, der darin lebt, davon reden. Er geht von der Naivität des Betrachtens über zur tieferen Kindlichkeit des Erzählens. Die Erzählung muss verkündet werden, dabei geht es im Kern um die Taten des Herrn. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind Attribute von Gottes Handeln. Die Bibel ist im wesentlichen eine Erzählung und trägt die Wahrheit, die Tat Gottes, weiter. Gott offenbart sich in seinem Kommen: „Doch nicht das Neue Testament ist die Realisierung, sondern die Offenbarung selbst ist es, das fleischgewordne Wort, die ewige Tat, die ewige Zeit der Gnade, durch welche Gott nach seinem ewigen Ratschluss uns mit sich selber versöhnt hat.“ (S. 215)

Gottesnamen: der Name sagt das jeweils Entscheidende. Der Eigenname, JHWH, bestimmt den allgemeinen Namen, Elohim, der in Wahrheit vielmehr für einen Beinamen zu halten ist. „Der Allmächtige“ kommt als Name im ganzen At nicht vor, auch wird er nicht so gelobt, obwohl Gottes Allmacht erkannt und bekannt werden darf als Macht dieses bestimmten menschlichen, menschwerdenden und mit der Menschheit sich vereinigenden Gott.
· JHWH Zebaot: hat kosmische Reichweite, denn er ist immer umwogt von Millionen von Seraphim und Cherubim.
· El Schadday: bedeutet Gott vom Berg, Götterberg oder Weltenberg und meint, dass Gott Macht ausübt und so mein Beschirmer ist.
· JHWH Zidkenu: ist Gott, der für uns die Dinge und der uns selbst zurechtbringt.

Gott ist gross, aber nicht absolut, Gott ist offenbar, aber nicht begreiflich. Daher heisst „Ich bin Gott und sonst keiner“ ausser Gott ist nichts, das Wesen und Wert hat, nichts, das helfen könnte und Hoffnung gäbe. JHWH ist gut, indem er der grosse Befreier ist. Bei ihm zu sein, ist ein Gehen, ein Aufstehen aus dem niedergesunkenen Stande der Natur oder Sitte, um im Fortgang der Tage und der Taten tätig bei ihm, dem Befreier, zu bleiben. Die gnädige Präsenz des Lehrer aus der Höhe wirkt fort.

Miskotte möchte auch den Rabbinismus rückgängig machen, weil der gnostische Züge angenommen hat. Er sagt ab Seite 237: „Der Pentateuch ist nicht das Ganze, er kommt ohne prophetische Interpretation nicht zum Klingen. Gesetzliche Teile (sollte man) nicht gegenüber Theophanie, den Zeichen und Wundern, isolieren, Ethisches nicht gegen Kultisches abwägen oder abschirmen... Von jedem Gebot haben wir zu Gott aufzublicken... Die Spitze des Dekalogs ist: Bleibt bei eurem Befreier mit der Tat. In der Thora ist nichts buchstäblich anwendbar, doch jeder Buchstabe hat Gehalt von Hinweis auf einen intimen Kontakt mit der gnädigen Präsenz des Lehrers aus der Höhe.“

Und weiter ab Seite 260: “Gott ist unbegreiflich, der eingeborene Sohn hat ihn uns erklärt... es kann für uns selber nur eine Sache des Staunens sein. JHWH muss auch der Verkannte, der Geschmähte, der erfolglos Werbende und Liebhaber, der Verworfene und Gehöhnte sein.“ Die Erfüllung ist in Verzug, der Gott Israels hält sich verborgen, es gibt eine niedrige Gestalt und verhüllte Präsenz Gottes. Glauben heisst hier für Miskotte, dass wir damit nicht zurecht kommen, aber dies akzeptieren.
Er plädiert für eine „besondere“ Gegenwart Gottes anstelle einer „Allgegenwart“. Das Liebesleben von Mann und Frau, das Geist und Leib umfasst, ist Abspiegelung der Liebe Gottes und Bild des göttlichen Bundes. So dringt geistliches Leben in die Realität, ins Sinnliche, ins Ganzheitliche und in die Fleischwerdung durch. Gott ist nach Israels Glauben eben so: willkürlich, „amoralisch“ in seiner Wahl, alles gebend und viel fordernd, eifersüchtig „el kana“, brennend, innig in seiner Umarmung und furchbar in seiner Abweisung. Und hier zitiert er Franz Rosenzweig aus dem Stern der Erlösung Seite 96: „Nur die Liebe des Liebenden ist diese jeden Augenblick erneute Selbsthingabe, nur er verschenkt sich in der Liebe. Die Geliebte empfängt das Geschenk; dies, dass sie es empfängt, ist ihre Gegengabe, aber im Empfangen bleibt sie bei sich und ganz ruhend und in sich selige Seele.“ (S. 272)

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Montag, Dezember 01, 2008

Miskotte: Wenn die Götter schweigen


Einer meiner Lieblingstheologen, den ich zurzeit mit Gewinn lese, ist der holländische Autor Kornelis Heiko Miskotte. Er hat in den Sechzigerjahren ein überzeugendes Werk mit dem Titel: " Wenn die Götter schweigen. Vom Sinn des Alten Testaments" geschrieben. 1966 erschien es im Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh. 1995 wurde es durch Hartmut Spenner in D-45731 Waltrop neu aufgelegt (mit der ISBN 3-927718-66-1).

Kornelis Heiko Miskotte lebte von 1894 bis 1976. Er studierte 1914-20 in Leiden Theologie. Von 1921-45 war er Pfarrer in verschiedenen reformierten Gemeinden in Holland. Er war aber vermutlich mehr Denker und Literat als Pastor, denn das Leben als Pfarrer muss ihn ausgelaugt haben. Inspiration erhielt er aber durch Franz Rosenzweig und dessen Werk „Stern der Erlösung“ (1921) und durch Karl Barth und dessen „Römerbrief“ (1922). Von Karl Barth war er wesentlich beeinflusst und ab 1928 bis zu dessen Tod 1968 befreundet. Der Briefwechsel zwischen ihnen wurde später veröffentlicht. Barth bezeichnete Miskotte als „Seher und Dichter“ unter seinen Freunden. 1945-59 war Miskotte Theologieprofessor in Leiden. Er war verheiratet und hatte Kinder, wobei er seine erste Frau und eine Tochter recht früh durch eine tragische Lebensmittelvergiftung verlor.

Miskottes Hauptwerk wurde 1966 auch in Deutsch veröffentlicht. Sein Anliegen war es, die Einzigartigkeit, den Gehalt und Sinn des Alten Testaments aufzuzeigen. Darin ist Gott, der sich als „JHWH“ offenbart hat, im Mittelpunkt. „JHWH“ ist sein Name und sein Wesen zugleich. Er wird aber weder beschrieben (S. 139) noch erklärt, sondern im Handeln mit Israel erkannt, in Christus bezeugt und später durch die Worte der Bibel verkündigt. Bereits im Alten Testament ist „JHWHs“ Herabneigung und Menschenliebe enthalten: Er bestimmte und bereitete sich selbst, mit den Menschen zu sein (Seite 118) und hat wahrhaft menschliche Natur angenommen (Seite 136).
Die „Haggadisch“, die nachbiblische jüdische Lehre sah sieben präexistente Dinge vor der Schöpfung:
1. Thora
2. Thron Gottes
3. Patriarchen
4. Volk Gottes
5. Tabernakel
6. Name des Messias
7. Theschuba (was Antwort oder Umkehr bedeutet)

JHWH“ bezeichnet Miskotte als der unaussprechliche Name (S. 127). Er sei
1. kein israelitischer Name, wobei er darauf hinweist, dass dies umstritten sei
2. ein namenloser Name
3. ein Eigenname, um sich von der Welt der Götter zu unterscheiden
4. ein unübersetzbarer und unbegreiflicher Name

Miskotte setzt sich und den jüdisch-christlichen Glauben auch deutlich von der natürlichen Religion ab. Deshalb sagt er auf Seite 141 eher kritisch-negativ: „Heidentum ist identisch mit der Religion, die uns Menschen von Natur eigen ist. Das Griechische nämlich ist das geläuterte Klassisch-Menschliche; wir sind damit durchtränkt, und darin sehen wir... unseren europäischen Vorzug... antikes Lebensgefühl enthält ordnende und reinigende Kräfte, die wir stets mit erneuter Dankbarkeit annehmen dürfen.“

Um den Sinn des AT zu verstehen, sagt Miskotte zur jüdischen Einteilung folgendes:

1. Die „Thora“: ist eigentliche Basis, weil sie das Zeugnis von Gottes sich kümmern ist. Es ist ein „tragbares Heiligtum“, die heilige Lehre, Unterweisung für das erwählte Volk, denn Gott spricht inmitten des Schweigens der Götter. Sie lehrt uns beständig, die Gabe und die Aufgabe des Bundes betrachten; sie ist ein vorausgreifendes Geschehen: kommt von einem Geschehen her und richtet sich wieder auf eines. In der Thora ist nichts buchstäblich anwendbar, doch jeder Buchstabe hat Gehalt vom Hinweis auf einen intimen Kontakt mit der gnädigen Präsenz des Lehrers aus der Höhe. Die Spitze des Dekalogs ist: „Bleibt bei eurem Befreier mit der Tat!“ (S. 248)
2. Die Profeten rufen zur Erkenntnis des Bundes und des Gebots zurück. Der Profet ist Sprecher des konkreten Gotteswortes, er ist autoritativ und gleicht Gott in der Plötzlichkeit und Ueberraschung. Er leidet mit Gott, der verachtet, verworfen und dessen Bund geschändet wird. Im Profeten drückt sich das „Nomadische“, das souverän Freie, an JHWH aus (S. 290)
3. Die Schriften zeigen wie die Gemeinde auf Gottes Eingreifen reagiert hat


Er plädiert dafür, dass wir Gottes Allgegenwart von seiner besonderen Präsenz her verstehen, seine Allmacht von seiner besonderen Heilsmacht des Namens und Gottes Reich von seiner besonderen Herrschaft. „JHWH“ lasse sich nicht aus der Natur erkennen oder ableiten. Denn „Er“ ist primär der, der Israel in der Geschichte bei der Hand genommen und den Bund gestiftet hat, sekundär ist er auch der Bereiter des Raumes, in der die Geschichte stattgefunden hat. Es gebe keine allgemeine Moral und sittliche Weltordnung, denn das Gesetz begegne einem nirgends anders als im Wort. Der Wille JHWHs muss man hören und vernehmen, der Sinn ist:
1. beim Befreier (Israels) bleiben 2. die eigene Erwählung realisieren 3. sich nicht seiner Fürsorge entziehen 4. sich in Widerlegung des natürlichen Strebens schicken.
Dabei bedeutet Gnade Freispruch oder gemeinschaftsstiftende Gunst (Seite 161).

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