Dienstag, September 27, 2011

Michael Weyer-Menkhoff: Offenbarung. Sein Angesicht sehen... die Botschaft der Offenbarung.


Dieses günstige, informative und unspektakuläre Buch des deutschen evangelischen Theologen und Pfarrers Michael Weyer erschien 2002 in den Porta Studien der SMD bei Francke, ist aber bereits vergriffen.
Eher nach grundsätzlichen Fragen und Begriffen erläutert er das biblische Buch der Offenbarung. Dabei geht er nicht chronologisch vor, sondern schneidet wichtige Themen und Zusammenhänge an, so dass dieses fremdartige Buch besser gelesen, gehört und verstanden werden kann. Weyer weist darauf hin, dass die ganze Bibel bezeugt, dass Gott zu den Menschen auf der Welt gesprochen hat, speziell erwähnt wird dies in den Psalmen und Profeten. Dieses Reden folgt aber nicht immer der gleichen, sondern hat ganz unterschiedliche Formen: Poesie (Psalmen), Weisheit (Sprüche, Jakobus), Erzählungen (Josef in Genesis 37), Profetie (Jesaja 7) und eben auch Apokalypse (Offenbarung).
Bei der Apokalypse geht es jedoch weder „Science Fiction“ noch um einen genauen Zeitplan, sondern um eine Teilenthüllung des Weltenlaufs, des Endes und Einblick in die unsichtbare, himmlische Welt. Diese Darstellung ist präzise und schwebend zugleich, sie zeigt auch den himmlischen Tempel, der offenbar wie der Tempel Jerusalems aussieht. Dahinter steht ein wichtiger, uns heute aber fremder Grundzug: Urbild und Abbild. Was sich auf Erden abspielt, ist im Himmel bereits beschlossen und vorhanden; und das ist das Entscheidende! Denn in Gottes Augen ist alles bereits geschehen, was ein weiterer Hinweis für ein nicht-chronologisches Verständnis dieses Buches und für Gottes Heilsgeschehen ist.
Dem Bösen wird zwar zwischenzeitlich Macht gegeben oder zugestanden, weil es ja keine eigne Wirkkraft hat! Christus hat die alte Daseinsform nicht beendet, aber durch Golgota gerichtet. Die alten Machtbedingungen haben ihr Recht schon verloren, eine neue Lebensmöglichkeit ist bereits eröffnet, wie auch Paulus schreibt (Röm 1,18). Das ist zuerst eine grundsätzliche Machtaussage, dann folgt die persönliche Umsetzung. „Schon jetzt und noch nicht“ ist auch der Ansatzpunkt für den Heiligen Geist in unserem Leben.
Eschatologie ist die Lehre vom Letzten, von der Endzeit und Teil der Apokalypse. Sie ist gegenwärtig (Jo 5,24), zukünftig (Of 19-22 mit der Wiederkunft Jesu) und transzendental (zeitlos, nach dem Tod).

Weyer ist es ein Anliegen, nicht primär Details, sondern Grundzüge und Strukturen zu zeigen. Es geht um Gestaltwerdung und Konkretion, dem jüdischem Realismus, von denen Matthäus und Jakobus besonders geprägt sind, und Jesus mit seiner Inkarnation ausdrückt.
Auch Johannes sieht bildhaft Unsichtbares, Kräfte hinter Ereignissen und Zeitqualität, jedoch sieht er keinen „Endzeitfahrplan“! Genau heisst das Buch Offenbarung Jesu Christi; er steht im Mittelpunkt, um ihn dreht sich alles!
Es gibt einen Briefanfang und Vorwort (1,1-3),
Briefbeginn (1,4-6),
Situation des Johannes (1,7-12) und einen Schluss (22,6-20)
und einen klassischen Briefschluss (22,21).
Die fünf Hauptteile dagegen sind jeweils dreiteilig aufgebaut:
Christusvision, die mit Lob und Anbetung abgeschlossen wird durch Johannes,
himmlische Gemeinde oder „Stimmen“,
Ereignisse (Gerichtsvisionen): im „Himmel“ zuerst, dann auf Erden und im Kosmos. Es sind Katastrophen, aber Gott vergisst seine Gemeinde nicht.
Siegel, Fanfare und Schale dienen als Symbole.
Anbetungsvisionen zeigen himmlisches Lob und Teile des Tempels oder des Gottesdiensts, und Johannes hört „Lieder“.

Weyer kehrt aber immer auch wieder zur Erde und zu den Menschen zurück und erklärt beispielsweise gründlich das Verhältnis von Mann und Frau, das in der Offenbarung auch eine wesentliche Rolle spielt. Bei Mann und Frau seien je beide Grundstrukturen vorhanden.
Als maskulin bezeichnet er: agieren, initiativ, forschend, gestaltend, technisch, führen, Kopflogik, Wahrheit erkennen und durchsetzen und Rhythmus.
Als feminin dagegen nennt er: reagieren, hörend, antwortend, empfangend, künstlerisch, fabulieren, Gemüt, Wahrheit empfangen und umsetzen und Melodie. Dann spricht er kurz Genesis 2,18-20 an, wo es um die „Hilfe, ihm antwortend, entsprechend oder gemäss“ geht. Hilfe sucht der Schwächere beim Stärkeren! Unsere alltägliche Erfahrung von Mannsein und Frausein und der Widerstand dagegen gehen auf Gottes Strafworte in Genesis 3 zurück, und hinter dieses Strafwort kommen wir nicht zurück! Die Sexualität ist auch dazu geschaffen worden, Gottes verborgene Wahrheiten für uns konkret zu symbolisieren (nach C.S. Lewis). Denn Ziel für den Menschen ist Ganzheit, Heil, Frieden, Integration, Vollkommenheit, eben „shalom“. In Freundschaft steht jeder für sich selbst, im Liebesakt dagegen sind wir nicht bloss wir selbst! Wir sind auch Repräsentanten, uralte Kräfte wirken durch uns, das Kämpferische und das Hingebende. Die Frau hat eine Grundangst, den Mann zu verlieren. Der Mann hat eine Grundangst, von seiner Frau nicht (genug) anerkannt zu werden!
Jeder Mensch ist „maskulin“ gegenüber der Welt, denn er soll sie ja „beherrschen“, jedoch ohne zu übertreiben. Uebertreibung führte zur „Krise der Männlichkeit“ und zur „vaterlosen Gesellschaft“ im 20. Jahrhundert. Jeder Mensch ist dagegen Gott gegenüber „feminin“, das heiss empfangend, er ist der Geliebte, nicht der (zuerst) Liebende.

Was Gebet im ursprünglich biblischen Sinn bedeutet, schreibt Weyer ab Seite 61: Der Hebräer ist ein Mensch, der Gott zu Gott zurückruft; im Gebet wird an Gott erinnert (Ex 32,11; Jes 62,2; Jer 14,7). Jesus sagte das mit den ersten drei Bitten des Vaterunsers: „Dein Wille geschehe“. Eine solche enge Verbindung, ja Mitarbeit, geht Gott mit seinem Volk und seiner Gemeinde ein! Aber er wird sein Gott-Sein durchsetzen. Zum Beten gehört auch „Schreien“ (Seite 63): Der Profet Johannes der Täufer schrie, als er auf Jesus hinwies (Jo 1,15). Die vom Geist Gottes getriebenen Kinder Gottes schreien: Abba, lieber Vater! (Röm 8,15). Der Heilige Geist schreit in unseren Herzen: Abba, lieber Vater (Gal 4,6). Schreien ist profetisch, ekstatisch, um die Verbundenheit mit Gott zu demonstrieren. Intensives Rufen beinhaltet „das Heil (ist) unserem Gott“ (Of 7,10) und „Bitten und Warten auf Gericht“ (Of 6,9-11).

Profetie ist Weissagung, die in 1,3; 10,6+7; 11,6; 19,10 und 22,7-19 vorkommt. Zukunftsvorhersage kam dagegen erst im Mittelalter auf. Es geht um Durchblick durch die gegenwärtige Situation: eine Gemeinde muss durch Gabe der Profetie geleitet werden, die Gemeinde soll dies prüfen. Es geht auch um Gerichtspredigt und Bussmahnung, Gegenwartsdeutung und Zukunftsschau, Erbauung, Ermahnung und Tröstung (so Paulus in 1Ko 14,3). Profeten sind Knechte Gottes, der Heilige Geist hat sie für diese besondere Aufgabe beschlagnahmt. Die Gemeinde ist gefährdet: Am liebsten würde Satan Gott selbst verfolgen, aber an ihn kommt er natürlich nicht heran; also hält er sich an die, die er kriegen und bekriegen kann. Auch er „inkarniert“ seinen Willen, wirkt leibhaft, versucht, dass wir die Spannung aufgeben hin zur Machbarkeit (auch in Mission und Reich Gottes). Aber die religiöse Verehrung des Kaisers war Götzendienst (Ap 6,1; 15,38; Gal 2,11). Satan befindet sich (erstaunlicherweise) irgendwie im Himmel, seine Macht, die mit Köpfen, Hörner und Kronen in der Offenbarung dargestellt wird, wirkt sich auch politisch aus und wirft die Erde und die Menschen durcheinander. Das teuflische Wesen besteht im Bezweifeln der göttlichen Fürsorge und im Vermischen des von Gott geordneten Lebens. Er versucht, die Frau zu vernichten, er will Heil verhindern. Aber Jesus ist Sieger, hat den Satan besiegt durch das Blut des Lammes und hat die Schlüssel des Todes und der Hölle. Daher kämpfen wir nicht an der Seite von Jesus, sondern wir realisieren und konkretisieren seinen Sieg, den er am Kreuz errungen hat. Gläubige halten Gottes Gebote und haben das Zeugnis Jesus (12,17). Standhaftigkeit und Treue sind Ausharren auf den kommenden Jesus und Standhalten gegen die „Welt“ in Anfeindung und Verfolgung. An Jesus zu glauben hinterlässt eine Spur bis vor den Thron Gottes. Werke sind gelebter Glaube, unsere alltägliche Existenz, denn der Hebräer trennt nicht Glaube und Werke. Mühe ist missionarische Arbeit.

Wasser und im speziellen das Meer stehen in der Bibel für antigöttliche und chaotische Mächte, die die Ordnung Gottes, die Schöpfung, bedrohen (Seite 87). Wohl deswegen ist Israel nie ein Seefahrervolk geworden, obwohl es am Meer wohnt. Diese Chaosmächte hat Gott zurückgedrängt, so dass sie die Schöpfungsordnung nicht mehr schädigen dürfen. Denn er trennte die Wasser durch das Firmament: darunter die bewohnbare Erde, darüber blieb das Chaos. Würde Gott sein Wort, das das Chaos beschränkt und zurückhält, wegnehmen, so bräche Chaos und Vernichtung über die Erde herein. Die Sintflut war das stärkste Beispiel dafür.
Auch das Gleichnis vom Unkraut und Weizen aus Matthäus 13,24-43, hat apokalyptische Züge. Der Gerichtstag Gottes verzögert sich wegen Gottes Barmherzigkeit und Geduld mit den Menschen, um sie zu rufen und zu retten.

Anbetung ist eigentlich auch ein Element der Herrlichkeit Gottes, eine Funktion im Himmel, nicht auf Erden. Sie zielt auf das Sein Gottes überhaupt, Lob auf seine Taten, und Dank steht für das, was wir von Gott erfahren und erhalten. Claus Westermann hat gesagt: „Das Geschöpf lobt Gott, indem es das tut, wozu es geschaffen ist.“ Engel sprechen, aber singen nicht, Cherubim haben keine Ruhe, sie sind Mitknechte, denen selber keine Anbetung gebührt. Gottes Botschaft ist, ihn zu fürchten, ihm die Ehre geben und ihn anzubeten!

Ab Seite 300 erklärt Weyer den Begriff „Gematrie“, der eine damals übliche Umsetzung von Buchstaben in Zahlen ist. 666 ist der Name des Tieres nach Of 13,17. Der Sinn ist eine Uebersteigerung der autonomen, ehrgeizigen, machtbesessenen und unvollkommenen Menschen: Sie setzen sich absolut und ersetzen in ihrer Ueberheblichkeit Gott!
Der Zahlenwert von Jesus dagegen ist 888. Deshalb ist Apokalyptik auch gnädige Offenbarung Gottes zur Stärkung der Gläubigen, damit sie die Dinge so sehen, wie sie vor Gott wirklich sind. Sie ist auch kritisch gegen jeglichen Machbarkeitswahn. Auch die Kirchen können davon betroffen sein, denn sie sind nicht das Reich Gottes, sondern weisen bestenfalls darauf hin und führen darauf zu!
Weyer kritisiert meiner Meinung zu Recht die kirchliche Theologie generell, weil sie eher dem griechischen-idealistischen Konzept als der hebräisch-realistischen Sichtweise gefolgt ist. In den Westkirchen hielt sich die Kirche oft für das Reich Gottes, und in den Ostkirchen ist die Offenbarung seit jeher nahezu bedeutungslos. Für Weyer steht Babylon für die Gnosis, die damals eine wichtige Gegenspielerin der Gemeinden war. (In der Reformation und bei den Täufern wurde die römisch-katholische Kirche als Babylon angesehen.)

Lob Gottes unterbricht Ereignisse und Bilder, es ist wie Brückenpfeiler und Haltepunkt beim Lesen und Hören. Es trägt alles und stimmt zur Anbetung ein. Nachdem Babylon in 19,1-10 untergegangen ist, wird Halleluja gesungen. Auf Jesus läuft alles zu, er wird enthüllt. Der Himmel ist kein Ort, Ewigkeit keine Zeit in unserem Sinn. Im Geist, in Visionen sieht Johannes die Wirklichkeit in und hinter unserer Realität. Wie Momentaufnahmen bilden die apokalyptischen Bilder eine grössere und umfassendere Wirklichkeit ab. In der Offenbarung geht es bis zum Schluss um Konkretion, Gestaltwerdung, Leiblichkeit und Historizität. Es ist nie eine abstrakte Idee, deshalb werden in der Bibel auch so viele Geschichten erzählt. Juden reden nie plump von Gott, aber verhüllt. Johannes belegt und umschreibt in der Offenbarung dauernd die Identität Jesu. Meine Identität liegt letztlich ganz in Jesus, dass ich im „Buch des Lebens“ notiert bin; er hat mich ins Lebensbuch geschrieben.

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Sonntag, September 25, 2011

Adolf Pohl: Die Offenbarung des Johannes.


Im Rahmen der Wuppertaler Studienbibel wurde dieses Werk 1983 publiziert. Nicht alle Teile dieser Studienbibel sind so informativ wie die von Adolf Pohl. Der Autor, der norddeutsche evangelische Theologe, geht gründlich und tiefgreifend an die Thematik heran. Er sieht in der Offenbarung göttliche Bilder der Zukunft, aber zu Recht keinen vollständigen Plan. Sie kann nur richtig verstanden werden, wer ein Verständnis für Leiden aufbringen wird, denn mit Tränen wurde sie geschrieben!
Die erste historisierende Auslegung geschah bereits durch Viktorin von Pettau, der 303 starb. Der Pietist Johann Albrecht Bengel meinte auch, einen Abriss der Weltgeschichte mit fixem Ende zu sehen, wovor Pohl jedoch abrät und warnt.

Gott gehört alle Macht, der sie aber auf Jesus Christus, den Menschensohn und das Lamm, überträgt, der nun das Geschehen zusammen mit den Engeln bestimmt. Hier sieht man auch Aehlichkeiten mit dem Johannesevangelium, besonders in der Beziehung von Vater und Sohn.
Und der Sohn hat uns auch erlöst durch sein Blut (1,4 & 5,9). Pohl erklärt sehr gut, was das bedeutet, nämlich Freikauf, das ein rechtliches und persönliches Geschehen zum Heil ist. Diese beiden Aspekte sind zu beachten, gerade auch bei der Sünde und deren Folgen. Das ist auch der Grund für den „zornigen“ Gott (Beziehungszerfall, Feindschaft) und den verfluchten Acker (Sachzwänge, Verwirrung, Verwüstung & Zerstörung). Er plädiert auch dafür, die Opfersprache nicht aufzugeben, sondern sie gut zu erläutern, denn es geht nicht nur um Tötung, sondern um das „redende“ Blut (Heb 12,24), das zur Sühnung verwendet wurde. Jesus dagegen wurde nicht ausgeblutet wie ein Opferlamm, denn bei der Geisselung floss sogar mehr Blut als bei der Kreuzigung selbst, die erst noch ausserhalb des Lagers (Heb 13,13) stattfand, an einer kultisch unreinen Stätte und im Rahmen einer Gruppenhinrichtung. Jesus war am Kreuz also nicht nur Opfer, sondern auch noch unser Priester!

Bei den Sendschreiben, bei denen es auch um das Verhältnis zu Andersgläubigen und deren Götter, Fruchtbarkeitskulte und die damit zusammenhängende Sexualisierung geht, zitiert Adolf Pohl C.G. Jung, der dazu 1925 meinte: „Wenn man sich einmal einen Eindruck geholt hat vom Sexualgehalt antiker Kulte, wundert man sich nicht, dass sich das ursprüngliche Christentum mit grösster Energie von aller Natur- und Triebhaftigkeit und insbesondere durch seine asketische Tendenz von der Sexualität abgewandt hat. In einer Zeit, wo ein Grossteil der Menschheit anfängt das Christentum wegzulegen, lohnt es sich wohl, klar einzusehen, wozu man es eigentlich genommen hat. Man hat es genommen, um der Rohheit und Unbewusstheit der Antike zu entkommen. Legen wir es weg, so steht schon wieder die ursprüngliche Rohheit da, von der wir uns ja die zeitgenössische Geschichte einen nicht mehr überbietenden Eindruck gegeben hat.“

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Freitag, September 23, 2011

Jacques Ellul: Apokalypse: Die Offenbarung des Johannes – Enthüllung der Wirklichkeit.


Dieses wert- und gehaltvolle Buch ist bereits vor 30 Jahren, also 1981, im Neukirchener-Verlag erschienen und ist heute leider vergriffen. Der Autor, der französische protestantische Theologe und Soziologe aus Bordeaux, der von 1912-94 gelebt hatte, hat einen glasklaren und nüchternen Blick auf die Offenbarung. Er kann sehr gut Ordnungen, Strukturen und Wiederholungen erkennen, benennen und deuten, ohne unzulässig zu vereinfachen. Er gibt auch Symmetrien an, die zu einer Mitte führen, die er in Of 12,10-12 erkennt. Ihr gehen 205 Verse voraus und 207 folgen, obwohl er dieser Angabe keine besondere Beachtung schenken will. Wiederholungen dagegen sind meist Ankündigungen oder Vorblenden. Er beschreibt Zusammenhänge und Motive meist jenseits des Wortsinns. Er unterscheidet die Apokalypse von den Profetenbücher, weil das „Sehen“ wichtiger geworden ist als das Hören, die Hoffnung bedeutender als die Historie und der Streit kräftiger als der Trost. Aber er setzt sich klar von Mythos, Gnosis und Reinkarnation ab, weil die Apokalypse sich einem geschichtlichen Ereignis unterordnet, den Herrn im Blick hat und zu einem Ziel kommt. Sie ist in Bewegung, überraschend, schillernd, mehrdeutig, vielschichtig und lässt sich schwer verkürzt wiedergeben. Denn unsere Zeitabläufe und Denkschemen sind dazu schlecht in der Lage. Ungefähr je ein Drittel besteht aus Aussagen über Gott und Jesus, den Herrn; aus Anbetung, Hoffnung & Trost und aus Unglücksfällen und Katastrophen.
Er behauptet, dass das hebräische Denken beim Ziel ansetzt und vom Ende her kommt. „Was bald geschehen muss“ meint die Zwischenzeit zwischen Schöpfung und Neuschöpfung, die das Vorspiel zum Gericht ist. Schöpfung und Gericht sind eine unauflösliche Einheit. Gott handelt und hat Macht und Herrschaft Jesus Christus, dem Triumphator und Herr der Geschichte und der Kirche, übertragen. Er ruft und nimmt das Leben. Dabei ist nirgends das Spektakuläre entscheidend, sondern es ist Gleichnis, Illustration oder Allegorie. Der Weg des Verstehens geht vom Text zum Symbol und nicht umgekehrt.

Am Schluss (ab Kapitel 19) wird der Allmächtige seine Königsherrschaft nicht wieder antreten, sondern eher abgeschlossen haben. Er wird Bräutigam sein, und die Hochzeit kann beginnen!

„Wer der Inkarnation etwas hinzufügen oder abstreichen will, der beweist damit, dass er nicht wirklich Durst hat. Bei Jesus ist alles Gnade, eine Welt des „Umsonsts“; sie steht im Gegensatz zur Welt des Abrechnens und des Messens, dem Geld und der Technik.“

Noch einige hilfreiche Detailaussagen:
Im Brief an Laodizea spricht der Herr am zärtlichsten, am liebevollsten und am hingebungsvollsten; er will die Teilhabe Laodizeas an seiner Herrschaft.
Siegel steht für Geheimnis Gottes, Posaune ruft zum Kampf und kündet den Sieg, Schale entspricht dem Kelch, der Gemeinschaft mit Gott oder Dämonen bedeuten kann.

Babylon und die grosse Hure seien Rom, damals DIE Stadt, mit seinen sieben Königen Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius, Nero, Galera und Otho. Sie sind auch Symbol der vollkommenen Macht und der kultischen Prostitution, die dämonische Praktiken einschliesst. Macht bedeutet einerseits Erfüllung menschlicher Träume, aber auch Entfremdung und Fluch durch Sklaverei und Ausbeutung. Prostitution ist das teuflische Schattenbild der Liebe, die Gottes Handeln in Christus am besten verkörpert hatte.
Der zweite Tod ist die Vernichtung des Todes und des Reichs des Todes.
Das neue Jerusalem ist eine von Gott gebaute Stadt, bei der Menschen mitwirken dürfen, ein Ort, wo vollkommene Gemeinschaft herrscht und man Gott schauen wird. Diese Neuschöpfung kann nur durch Gottes vorangehendes Gericht und Vernichtung werden. Vollendung ist immer nur sein Tun, obwohl auch unser relatives Tun seinen Wert hat. Die erste Erde und der erste Himmel wird dann verschwunden sein, weil Gott an der gefallenen Schöpfung gelitten hat. Es wird auch kein Meer mehr geben, weil das mit dem Chaos und seinen Mächten verbunden war.
Himmel der Himmel ist da, wo Gott alles in allem ist.

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Dienstag, September 20, 2011

Offenbarung von Jesus Christus (durch Johannes)


Dieses Jahr habe ich mich näher und tiefer mit dem biblischen Buch der Offenbarung beschäftigt, das nicht gerade zu den einfachsten gehört. Doch ich meine, dass es gute Gründe dafür gibt, sich damit zu befassen und es ernst zu nehmen:

Warum:
Weder Ignoranz noch übertriebenes, ängstliches Beachten und wörtliches Verstehen wollen ist die richtige Haltung zur Offenbarung, sondern ein sachgemässes, kontinuierliches Eintauchen in die Apokalypse. Sie stellt eine damals verbreitete, aber uns fremde Textform dar, die stark einer Profetie ähnelt und doch auch Unterschiede dazu aufweist. Diese gilt es zu entdecken, denn Gott möchte uns hineinnehmen in seine Absichten, uns seine Geheimnisse jetzt schon teilweise enthüllen und uns seine Grösse und Macht zeigen. Das vermittelt uns den richtigen Blick und führt uns in die Anbetung Gottes und des "Lammes", die im Buch der Offenbarung bereits präzise vorgezeichnet sind!

Was:
In der Offenbarung enthüllt Gott teilweise seine Wirklichkeit, seine Macht und Herrlichkeit. Mit dem Begriff „Himmel“ wird Gottes umfassende Wirklichkeit bezeichnet, dort wo Gott „wohnt“ und wo die Gemeinschaft mit ihm vollständig und ungetrübt ist, wo wir ihn einmal „von Angesicht zu Angesicht“ sehen werden können, was uns überwältigen wird.

Wie:
Die Offenbarung ist und bleibt mehrdeutig und vielschichtig zu betrachten und zu verstehen, sofern man ihr gerecht werden will:
1. geschichtlich (dominantes römisches Reich mit seinem zunehmenden Gottkaisertum, speziell bei Nero 54-68 & Domitian 81-96; Eroberung & Zerstörung Jerusalems 70 & 135; Zerstörung Pompeijs 79nChr)
2. zeitgeschichtlich(e Vorgänge heute)
3. endzeitlich (Wir sind bereits seit der Auferstehung Jesu in der Endzeit, denn es ist die Zeit zwischen Erlösung und Neuschöpfung!)
4. bildgeschichtlich (Allegorien, Bilder und Ideen, Illustrationen, die zu deuten sind)

Wer:

Die Personen werden sehr bewusst genannt und ihnen werden bestimmte Tätigkeiten zugeordnet, die genau zu beachten sind. Es besteht eine klare hierarchische Ordnung, bei der Gott zuoberst ist, dem alle Macht und Ehre gehört. Er tritt aber zugunsten von Jesus, dem Menschensohn und dem Lamm, mehr in den Hintergrund und übergibt diesem die sichtbare Macht im Ablauf und Zeitgeschehen. Erst am Ende wird seine Grösse und Herrlichkeit erneut sichtbar für die, die ihn schauen werden.

Wo:
Auf der Erde und im Himmel! In den ersten drei Kapiteln spielt sich vieles in der römischen Provinz „Asien“, der heutigen Westtürkei ab. Diese war damals eine wichtige Drehscheibe für den Austausch und Handel von Ost nach West (und teilweise umgekehrt). Zudem war sie Ausbildungs- und Produktionsstätte, die auch zu ideellem, materiellem und religiösem Reichtum, Wohlstand, Selbstbewusstsein und Macht beitrug.
Erst ab Kapitel vier wird eine Tür am Himmel aufgetan, wir erhalten also einen begrenzten Einblick in die göttliche Welt, die uns sonst nicht zugänglich ist!

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Samstag, September 17, 2011

Lebensregeln

Durch einen Artikel von Thomas Härry im letzten AufAtmen-Heft 2-2011 bin ich erneut auf dieses Thema „Lebensregeln“ gestossen. Nicht das es völlig neu wäre, aber die Wichtigkeit der Reflektion und Fokussierung meiner Werte und Regeln ist mir neu bewusst geworden. Wir leben in einer besonderen Zeit, man spricht ja von einer „Multioptionsgesellschaft“, wir leben in materiellem Ueberfluss, in globaler Kommunikation und in einem kulturellen Traditionsabbruch, die uns mitprägen und bisweilen überfordern. Trotzdem oder gerade deshalb haben wir zunehmend Mangel an zweckfreier Zeit, an tragfähigen Beziehungen, langfristiger Orientierung und Kontinuität in der Generationenfolge.

· Wie können wir sinnvoll mit eigenen und fremden Grenzen umgehen?
· Wie, wann und wo können wir Ja und Nein sagen lernen, um konzentriert, effektiv und in der eigenen Berufung, Begabung und Lebenssituation zu leben?
· Getrauen wir uns, Ueberflüssiges wegzulassen?
. Wie bewusst gehe ich mit Konsumgütern um und setze ich Ressourcen gezielt und schonend ein?

Ja, Lebensregeln begrenzen und beschränken uns, aber sie sind auch Erziehungswerkzeug (Gottes) zur Stärkung der Identität, Formung des Charakters und Erhöhung unserer Lernbereitschaft und Effektivität. Gott möchte uns menschlich reifen und geistlich wachsen lassen. Er möchte unsere Blockierungen, die sich in Auflehnung oder Ueberanpassung gegen Erfahrenes zeigen, lösen und fruchtbar werden lassen.

· Sind meine unbewussten Werte und Regeln, die ich als Kind aufgenommen und entwickelt habe, alle lebenswert und förderlich?
. Habe ich die Auflehnung oder Ueberanpassung gegenüber übernommenen Werten und Regeln aus dem Elternhaus reflektiert und überwunden?
. Lässt mich diese Klärung wachsen, Veränderungen zulassen und Herausforderungen in gesundem Mass annehmen?
· Sind wir bescheiden und weitsichtig genug, um nicht alles neu erfinden und erfahren zu müssen, sondern gute Traditionen und bewährte Weisheiten zu prüfen, anzupassen und zu übernehmen?
· Wer bin ich und was ist meine Lebensaussage?
. Für was lebe ich eigentlich zutiefst?
· Geht es zuerst und immer nur um mich, oder kümmere ich mich auch echt um andere (meine Nächsten), diene ihnen und fördere sie?
· Spielen Gottes Ehre, sein Reich und „Ewigkeitswerte“ eine wesentliche Rolle in meinem Leben?
. Wie sehen deine Lebensregeln und dein persönliches „Mission Statement“ aus?

Höre auf Gott,
denke darüber nach,
rede mit andern, sofern dies hilfreich ist,
und formuliere sie!

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Sonntag, September 11, 2011

Tamierpass




Der Tamierpass ist mit 2'772 Meter über Meer einer der höchsten Pässe im Tessin. Er verbindet das Bavonatal mit dem italienischen Formazza (zu deutsch: Eschental). Auf Tessinerseite ist der Ausgangspunkt San Carlo, das letzte Dorf im Bavonatal, das auf 900 Meter über Meer liet. Man steigt also über einen anfänglich guten Bergweg und überwindet 1'800 Höhenmeter bis zur Passhöhe. Dabei fängt man im dichten Laubwald des Val Antabia an, der immer wie lichter wird und zu Nadelwald mit vielen Lärchen wechselt. Auf ungefähr 2'000 Meter über Meer hört der Baumbestand auf und nun dominieren Gräser und das eindrückliche Hochmoor "Piano delle Creste". Hier kann man auch übernachten im "rifugio", der Berghütte, die unmittelbar über dem Hochmoor liegt.
Danach geht der Weg wieder recht steil bergan, und die Berglandschaft verändert sich erneut: Steine und Fels in unterschiedlichen Grau- und Brauntönen dominieren. Erste, schmutzige Schneeflecken und kleine Schmelzseen werden sichtbar. Kurz vor der Passhöhe liegt flach etwas Ewigschnee, ein dünnes Ueberbleibsel eines Gletschers. Inzwischen ist jede Form von Grün verschwunden, es gibt nur noch Stein, Eis und Himmel, die schroffe und unwirtliche Hochgebirgswelt der Tessineralpen ist erreicht.




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Sonntag, September 04, 2011

Laghi della Crosa


Etwas vom schönsten, aber auch vom abgelegensten im Tessin, sind die "laghi della Crosa", die beiden Crosa-Bergseen, die zuhinterst und zuoberst im Calnegiatal liegen. Sie liegen auf über 2'100 Meter über Meer, daher erreicht man sie nur nach mehrstündigen Bergwanderungen von Foroglio, Calnegia oder von San Carlo aus.

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