Montag, Mai 31, 2010

Bewusstsein, Selbst und Seele

Zu „Bewusstsein“ schrieb Polkinghorne auf Seite 80 einleitend und grundlegend folgendes, und es ist so dicht, dass ich es gerne wortwörtlich wiedergebe:
„Das nach dem Big Bang beachtenswerteste Ereignis in der Geschichte des Kosmos, das wir kennen, ist die Entstehung von Bewusstsein. In der Menschheit ist sich das Universum seiner selbst bewusst geworden. Wie Blaise Pascal sagte, sind Menschen grösser als alle Sterne, weil wir sie und uns kennen, sie aber gar nichts wissen.
Wir alle erfahren Bewusstsein, aber wir wissen nahezu nichts von seinen Ursprüngen. Es muss uns nur jemand mit einem Hammer sanft auf unseren Kopf schlagen und schon erkennen wir, dass es einen Zusammenhang von Geist und Gehirn gibt, aber wie diese Beziehung aussieht, ist bis heute ein ungelöstes Problem. Zusätzlich ist unser Nachdenken über unser Bewusstsein dadurch erschwert, dass seine Gegenwart für alle Erfahrungen, die uns bewusst sind, konstitutiv ist. Ohne unser Bewusstsein hätten wir keinerlei Wissen. Introspektion offenbart schnell den derzeitigen Gegenstand unseres Bewusstseins – d.h. worüber wir gerade nachdenken -, aber nicht das Bewusstsein selbst, welches genauso unsichtbar und vital ist wie die Luft, die wir atmen.“


Danach begann er einige Fragen und Ansätze zum Bewusstsein detaillierter zu beschreiben, unter „Funktionalismus“ schrieb er: „Eine der populärsten Strategien, um das Verhältnis von Geist und Gehirn aufzuklären, sieht das eigentliche Problem der Sache in der Weitergabe von Information, d.h. in der Transformation der aufgegriffenen Signale aus der Umwelt in motorische Aktivitäten jeglicher Art (einschliesslich der Sprache). Das Verhältnis von Geist und Gehirn wird dann in einer rein funktionalistischen Weise diskutiert.
... Wenn das Gehirn ein Computer wäre, müsste man fragen, wer ihn programmiert hat. Die gewöhnliche Antwort ist, dass die evolutionären Notwendigkeiten die neuralen Prozesse so geformt haben, dass sie den Erfordernissen des Ueberlebens angemessen sind. Sicherlich enthält diese Behauptung etwas Wahres. Doch es bereitet mir Schwierigkeiten anzunehmen, dass sie eine angemessene und umfassende Beschreibung der mentalen Fähigkeiten des Menschen bietet.
Unsere intellektuellen Fähigkeiten übersteigen alles, was allein durch die Anforderungen der natürlichen Selektion erklärt werden kann – welcher Wert fürs Ueberleben der Menschheit sollte z.B. der menschlichen Fähigkeit zukommen, die Prozesse der subatomaren Welt oder die Struktur des kosmischen Raumes zu erfassen? Diese grossen Erfolge des menschlichen Geistes allein als glückliche Zufälle, als ungewollten Nebeneffekt elementarer Notwendigkeiten anzusehen, erscheint nicht besonders überzeugend. Aehnliche Schwierigkeiten haften an Erklärungen anderer Formen menschlichen Wissens.“



Zu „Das Selbst und die Seele“ schrieb er auf Seite 88:
„... Menschen sind „eher beseelte Leiber als inkarnierte Seelen“. So haben die antiken Hebräer das Wesen des Menschen verstanden, und eine psychosomatische Beschreibung des menschlichen Wesens ist auch der dominierende, wenn auch nicht exklusive Grundzug biblischer Anthropologie. Eine der wenigen das Wesen der Menschen betreffenden Einsichten, über die gegenwärtig zu hohem Grade Einvernehmen herrscht, besteht darin, dass Menschen als Einheiten betrach-tet werden sollten und nicht als spirituelle Wesen, die nur in einer fleischlichen Hülle existieren.
Das bedeutet nicht, dass man die Rede von der Seele aufgeben müsste – das würde für viele Theologien grosse Schwierigkeiten mit sich bringen -, sondern, dass man neu definieren muss, was man meint, wenn man von Seele redet. Es muss sich dabei um „das wirkliche Ich“ handeln. Es ist klar, dass dies nicht das Material sein kann, das zufällig zu einer bestimmten Zeit meinen Körper konstituiert. Die Atome in uns werden kontinuierlich durch Essen und Trinken, Abnutzung und Verletzung ausgetauscht. Sie können nicht die Quelle unserer Erfahrung eines kontinuierlichen Ichs sein....“

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Samstag, Mai 29, 2010

John Polkinghorne

Der Engländer John Polkinghorne wurde 1930 in der Nähe von Cambridge geboren und hat Physik studiert, unter anderem beim Mitbegründer der Quantenmechanik Paul Dirac in Cambridge. Dort war er 1968-79 Professor für mathematische Physik und hat Wegweisendes zur Quantenmechanik und Chaostheorie gelehrt und geschrieben. Später hat er noch Theologie studiert, wurde anglikanischer Priester und hat in dieser Kirche Karriere gemacht. Deshalb ist er in beiden Welten zuhause und auch fähig, Glaube und naturwissenschaftliches Denken in einen fruchtbaren Dialog zu bringen. Er bezeichnet sich selber als kritischen Realisten. Als solcher achtet er besonders auch auf Methoden, Verfahren und Grenzen der Forscher, um nicht falsche oder überzogene Schlüsse zu ziehen. So kritisierte er auch Aussagen von Wissenschaftlern, die Grenzüberschreitungen vornahmen und somit philosophische Aussagen machten, sofern sie sie nicht als solche auswiesen. Deshalb ist seine Sprache meistens verständlich, oft scharfsinnig, sehr gehaltvoll und wohltuend sachlich. Er hat viele Bücher geschrieben zu naturwissenschaftlichen Themen und geistlichen Fragen.
(Es gibt übrigens eine deutschsprachige Homepage des Theologen Andreas Losch, die Polkinghorne und sein Werk aufgreift: www.theologie-examen.de/polkinghorne/index.html)

Ein Werk, worin er beide Pole aufgreift, war "Science & Theologie", das 1998 herauskam. Es erschien im Jahr 2002 bei Chr. Kaiser in Gütersloh (D) unter der ISBN-Nummer: 3-579-05180-6. Gregor Etzelmüller hat es aus dem Englischen übersetzt. Heute ist es leider vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.

In Theologie und Naturwissenschaften begann er anhand zweier historischer Beispiele von Galileo und Charles Darwin Wechselwirkungen und Beeinflussungen von Religion und Naturwissenschaft aufzuzeigen. Und er plädierte danach für eine differenzierte Sicht beider Weltsichten und gesteht beiden Forschung zu, nämlich einerseits Welterforschung und andererseits das „Mysterium“ Gott, das jedoch andere Ansätze und Zugangsformen erfordert.



Zu "Materialismus" schrieb er auf Seite 75 kritisch und fast profetisch folgendes, denn man bedenke, dass er dies bereits vor zwölf Jahren geschrieben hat:
„Gegenwärtig vertreten insbesondere Biologen reduktionistische Positionen, und zwar besonders jene, die sich mit Molekülen und nicht mit Organismen beschäftigen. Welche Ebene dabei als elementar angesehen wird, scheint von der Disziplin beeinflusst zu sein, die der Reduktionist jeweils ausübt. So verortet der Genetiker Richard Dawkins, sofern er überhaupt einen Sinn in der physikalischen Welt erkennt, diesen auf der Ebene der „egoistischen Gene“, die danach trachten, sich von Generation zu Generation pflanzlichen und tierischen Lebens durchzusetzen. Wiederholt spricht er deshalb vom Menschen als eine „genetischen Ueberlebensmaschine“.
Die Verfassung der gegenwärtigen biologischen Forschung erinnert an den Zustand der Physik in der Zeit nach Newton in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die gegenwärtige Biologie und die damalige Physik haben bei beachtliche Anfangserfolge erzielt (universale Schwerkraft und das Sonnensystem; die Doppelhelixstruktur der DNA und die Molekularbasis der Genetik). Beidemal verstand man zunächst die mechanistischen Eigenschaften der Natur (es ist einfacher, Uhren als Wolken zu verstehen, und man beginnt immer mit den zugänglichsten Phänomenen). Beidemal behauptete man, dass die neuen Entdeckungen praktisch jede Sache erklären könnten (de la Mattrie und sein Buch Man the Machine; Crick und Dawkins und molekularer Reduktionismus). Die Physik hat entdeckt, dass die Welt subtiler, weicher und interessanter ist, als die Physiker des 18. Jahhunderts meinten. Es ist nicht schwierig zu glauben, dass auch die Biologie in angemessener Zeit eine ähnliche Entdeckung machen wird."

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Mittwoch, Mai 26, 2010

Theologie und Naturwissenschaften

Seit einigen Wochen beschäftige ich mich erneut intensiver mit der Frage des Verhältnisses von Theologie zu den Naturwissenschaften (oder umgekehrt). Zuerst bin ich bei Guy M. Clicqué: "Von Wissen und Weisheit" und später bei John Polkinghorne: "Theologie und Naturwissenschaften" auf vier mögliche Verhältnisse gestossen. Als erster hat sie der Amerikaner Jan Barbour beschrieben. Diese vier grundsätzlichen Modelle des Verhältnisses von Theologie und Naturwissenaften haben folgende Begriffe:
- Konflikt
- Unabhängigkeit
- Dialog
- Integration


· Konflikt: entsteht durch Uebergriffe auf und Vereinnahmung von fremden (Forschungs)Gebieten. Wenn man als Naturwissenschaftler nur Materialismus anerkennt, steht man in Gefahr, alles materialistisch zu sehen und zu interpretieren. Das gleiche Phänomen gilt umgekehrt auch für den Kreationismus.
Es gibt hier nur ein entweder oder und damit die Tendenz zu Aussagen und Behauptungen über Dinge und Phänomene, von denen man eigentlich wenig bis nichts wirklich versteht, weil es das eigene Wissensgebiet übersteigt!


· Unabhängigkeit: Diese Einstellung betrachtet Theologie und Naturwissenschaften als völlig getrennte Bereiche. Man ignoriert einander. Das ist heute üblich in vielen (säkularen) Schulen und Forschungsanstalten. Schwierigkeiten tauchen auf, sobald man nach der Anwendung, Sinn, Werten und Grenzen der Naturwissenschaften fragt.


· Dialog: setzt Erkenntnis voraus, dass beide Bereiche einander etwas mitzuteilen haben, beispielsweise: Geschichte des Universums, Entstehung des Lebens, Wesen des Menschen und Beziehung von Geist und Leib. Es muss jedoch ein Dialog auf Augenhöhe sein, der gleichberechtigt und herrschaftsfrei ist.


· Integration: drückt die Sehnsucht nach Einheit aus. Vereinheitlichung beider Gebiete durch Diskurs. Verbindung von Quantenmechanik und östlichen Religionen (beispielsweise durch Ken Wilber. Auch Teilhard de Chardin hat biologische Evolution und spirituelle Entwicklung in einem Ansatz beschrieben. Diese Ansätze sind aber meiner Meinung nach zu Recht umstritten!)

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Dienstag, Mai 25, 2010

Geheimnis der Liebe

Geschnittenes Reisfeld, das im Maggiadelta von Ascona liegt


In die Natur ist ein Geheimnis der Liebe eingebaut:
Das Klopfen meines Herzens, hunderttausend mal jeden Tag; gratis, es ist nicht zu glauben.
Ich atme jeden Tag zwanzigtausend mal und für die hundert Kubikmeter Luft, die ich dazu brauche, wird mir keine Rechnung ausgestellt.
Für jedes Stück Brot, das ich esse, hat jemand ein Saatkorn in die Erde gelegt.
Ein Wesen, grösser als der Mensch, hat in das kleine Saatkorn die Kraft zu Blüte und Frucht gelegt.
Ich liebe den Schöpfer und das Saatkorn, wie es in der Umarmung der Erde heranwächst zur vollen Aehre, zum Brot für die Menschen.

Frei nach Phil Bosmans

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Sonntag, Mai 23, 2010

Warum

Man kann Gott nicht beweisen, aber es gibt gute Gründe an ihn zu glauben. Naturwissenschaften können Auskunft geben über das "Wie" des Kosmos, nicht aber über das "Warum", (das geben sie nicht her und darin sind sie sich nicht einig):
- Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts?
- Warum ist die Erde so präzise lebensfreundlich abgestimmt? (Anthropisches Prinzip)
- Warum gibt es Schönheit?
- Warum haben die Menschen Bewusstsein?
- Warum glauben so viele unterschiedliche (und auch intelligente) Menschen an Gott?
- Warum glauben viele, dass Jesus der Christus ist?

Im Natuschutzgebiet zwischen Ascona und Aregno



So viele Farben und Formen - warum?
Das Glitzern der Sterne - warum?
Keine Schneeflocke gleicht genau der andern - warum?
Das Rieseln und Rauschen des Wassers - warum?
All das dient keinem sichtbaren Zweck!
Es ist einfach da - damit ich staune und danke und singe.

Frei nach Anton Rotzetter

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Feuerwehr Locarno


Nicht so zentral und etwas mehr an der Peripherie von Locarno gelegen ist die Feuerwehr der Region. Sie ist in einem von Livio Vacchini geplanten Gebäude. Leider ist das Innere etwas schwieriger zu fotografieren, so gibt es hier nur Aussenaufnahmen. Auffallend gestaltet ist da der gläserne Sonnenschutz nach Osten und Westen.





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Post Locarno




Nicht mehr ganz neu, aber immer noch prägnant im Stadtbild ist die Hauptpost in Locarno. Ein imposanter Bau aus den Neunzigerjahren des Architekten Livio Vacchini, der vor wenigen Jahren verstorben ist. Im Aeussern ist das Gebäude grösstenteils verspiegelt, im Innern mit hohen, überdeckten Lichthöfen. Dort befindet sich auch im Erdgeschoss die Schalterhalle der Post und in den Obergeschossen die Büros weiterer Firmen.



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Montag, Mai 17, 2010

Hotel Ibis Locarno




Nicht dass ich Werbung machen möchte für eine Hotelkette, aber das neue Hotel Ibis in Locarno ist trotzdem einen Blick oder einen Besuch wert. Bereits auffällig ist das plaktative Aeussere in Schwarz-Weiss. Betritt man dann das Innere durch eine niedrige gläserne Schiebetüre, empfängt einen eine grosszügig verglaste und hohe Lobby mit einer hineingestellten hellgrünen Réceptionsbox. Hier wird man freundlich bedient, kann in aller Ruhe Kaffee trinken und Zeitung lesen...



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Donnerstag, Mai 13, 2010

Gebäude der kantonalen Verwaltung Locarno




Gleich neben der "Ferreria" liegt ein neues, relativ grosses Verwaltungsgebäude des Kantons Tessin. Wer in der Region etwas mit Steuern zu tun hat, muss hier ein und aus gehen... Bereits die Fassaden, die in eingefärbtem Beton und dunkelbraunem Stahlblech gehalten sind, sind ansprechend gestaltet. Das Innere besticht durch eine Art überdachten Innenhof, der sich grosszügig über alle Geschosse erstreckt. Er ist flankiert von einer geraden, einläufigen Treppe und offenen Korridoren. Hier ist vieles in Weiss gehalten, das das Tageslicht schön reflektiert, einen grosszügigen Leerraum erzeugt und die eingestülpten Volumen wie Skulpturen betont.



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Montag, Mai 10, 2010

Ferreria Locarno




Locarno und seine Umgebung haben sowohl von der Natur her, als auch sozial, kulturell und baulich einiges zu bieten. Ein Highlihgt der neueren Architektur ist bestimmt die "Ferreria", ein Geschäftshaus im Zentrum, das von den Architekten Livio Vacchini und Silvia Gmür geplant wurde und vor wenigen Jahren erbaut wurde. Ferreria heisst das Gebäude, weil es ein Stahlskelettbau ist mit einer eindrücklichen, etwas wuchtigen Rasterfassade aus dunkel gefärbtem Stahl. Das Schöne und Grossartige an dieser Architektur ist, dass sie viel luftige Zwischenräume schafft und bei Sonnenschein fantastische Schatten wirft.







Der gerahmte und überdachte Innenhof hat einen knallgelben Kunststoffboden, auf dem sich die Schatten der Fassadenkonstruktion brechen

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Sonntag, Mai 09, 2010

Autobahnraststätte Gotthard-Nord



An einem Tag wie heute habe ich wieder mal Zeit, meinen Blog zu füttern. Und ich möchte einige Fotos von einem meiner Lieblingsorte veröffentlichen, von der Autobahnraststätte Gotthard-Nord. Nicht dass mir Autobahnen und Raststätten an sich sehr gefallen würden, aber weil es dort zwei aussergewöhnliche Gebäude gibt: die in sich gekehrte Autobahnkapelle und eine neue, lichtdurchflutete Raststätte. Hier einige Bilder davon. Ueberzeugt euch selbst vor Ort, ob es sich lohnen würde, den Blinker dort zu stellen und ein wenig zu verweilen...







Jesus aber rief laut aus und sprach: "Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat. Und wer mich sieht, sieht den,d er mich gesandt hat. Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe. (Johannesevangelium 12,44-46)

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