Donnerstag, Juli 15, 2010

Evolution und fortdauernde Schöpfung (Seiten 310-348)


Evolutionstheorie stelle Heilige Schrift, teleologischer Gottesbeweis, Status des Menschen und christliche Ethik durch Sozialdarwinismus in Frage. Genetik und Evolutionstheorie wurden zu einem neo-darwinistischen System verbunden, das Julian Huxley zusammen mit Ernst Mayr, Theodosius Dobchansky und Gaylord Simpson 1942 „synthetische Evolutionstheorie“ nannte. Zentral dabei sind Spontanmutationen und Rekombinationen der Gene, die das Rohmaterial der Veränderung darstellen. So wie Theorien nie endgültig feststehen, weil sie widerlegt werden können, wird auch die Evolutionstheorie nie abgeschlossen sein und Erweiterungen nötig haben. Beispielsweise wird heute die natürliche Auslese differenzierter gesehen als früher, die sowohl durch Kooperation als auch Konkurrenz geschehen kann, und nicht mehr als alleinige richtungsweisende Kraft in der Evolution angeschaut wird. Stimmig und harmonisch zeigen sich dagegen heute Biochemie, Paläontologie und Taxonomie zueinander in der Evolutionsgeschichte. Epochal war auch die Entdeckung der DNA-Struktur durch Watson und Crick 1953, die „codierte Botschaft“ des menschlichen Lebens enthält. Information ist ein geordnetes Muster, die immer kontextabhängig ist, sie wird übermittelt, indem sie verschlüsselt, übertragen und entschlüsselt wird. In der DNA werden aus vier Basen A, C, G und T und drei Aminosäuren Tausende von Proteinen geformt. So wird der richtige Zelltyp zur richtigen Zeit und am richtigen Ort im wachsenden Embryo zum Zweck der fortlaufenden Funktionstüchtigkeit produziert. Zufall ist präsent bei Mutationen, genetischen Rekombinationen, Gendrift, Klimaveränderungen, etc. Mutationen ereignen sich durch Schäden oder fehlerhafte Replikation der DNA-Moleküle.
In der Molekularbiologie und Atomphysik hat sich „Reduktion“, die Zerlegung eines ganzen Komplexes in handlichere Bestandteile, als nützliche Forschungsstrategie erwiesen. Der einzige Nachteil ist der Ausschluss synthetischer Ansätze, wenn sie als einzig gültige Strategie gehalten wird. Materialismus ist unter modernen Biologen häufig Reaktion auf den Vitalismus, der eine unsterbliche Seele postuliert hat, ohne sie nachweisen zu können. Barbour definiert ähnlich wie Arthure Peacocke Evolution differenziert als Zusammenspiel von Zufall, Emergenz, Gesetzmässigkeiten und Geschichte. Daraus ergeben sich für ihn gewisse theologische Implikationen:
· Ist Evolution ein gerichteter Prozess?
· Warum gibt es eine Tendenz zu grösserer Komplexität, Reaktionsvermögen und Bewusstsein?
· Warum ist die Fähigkeit der Lebewesen gewachsen, Informationen zu sammeln, zu speichern und abzurufen?

Zufall ist für Barbour Teil des göttlichen Schöpfungsplans, er hilft die potentiellen Formen der Materie zu entdecken. Gott hat die Stoffe der Erde mit kreativem Potential ausgestattet, das nach und nach enthüllt wird. Gott kontrolliert Ereignisse, und er bestimmt Unbestimmtheiten. Gott hat absichtsvoll eine System von Gesetz und Zufall erschaffen, er akzeptiert Zufall und Notwendigkeit, Kontingenz und Möglichkeit. Ein geduldiger Gott könnte die Materie mit verschiedenen Möglichkeiten ausgestattet haben, um sie selbst komplexere Formen erstellen zu lassen. Gott experimentiert und improvisiert in einem Prozess der fortdauernden Schöpfung. Er ist wie ein Choreograph oder Komponist, der eine aktive, fortdauernde Beziehung zu seinem Werk hat. Das Geschenk der Freiheit ist durch Liebe gekennzeichnet. Gott beeinflusst Ereignisse, ohne sie kontrollieren zu müssen!
Gott als Geist erscheint ihm besonders hilfreich wegen der Analogie in Lebendigkeit, Kreativität und im Geheimnis des menschlichen Geists. Gott als Künstler enthält Planung und Ueberraschung; der „Logos“ drückt immanente Schöpfungskraft aus.

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Mittwoch, Juli 07, 2010

Astronomie und Schöpfung (Seiten 275-309)



Nachdem im letzten Kapitel mehr die Physik im Vordergrund war, geht es hier um die Erforschung des Kosmos im 20. Jahrhundert. 1917 sagte Willem de Sitter aufgrund der Relativitätstheorie ein expandierendes Universum voraus. 1929 doppelte Edwin Hubble nach, indem er den expandierenden Raum – nicht nur Objekte - postulierte. Erst 1965 konnte dies durch Arno Penzias und Robert Wilson nachgewiesen werden, denn sie entdeckten eine gleichbleibende, schwache kosmische Hintergrundstrahlung, die 3-K-Reststrahlung. Diese war nach der Relativitätstheorie zu erwarten, da sie das Abkühlen resp. Nachglühen des kosmischen Feuerballs durch Expansion darstellte. 1992 zeigte der COBE-NASA-Satellit geringfügige Strahlungsabweichungen, die das Zusammenballen der Materie in Galaxien erklären konnte. Somit lässt sich die Geschichte des Kosmos plausibel rekonstruieren bis auf etwa drei Minuten nach dem Urknall, der sogenannten „Singularität“. Was aber in diesen drei Minuten genau passierte, bleibt (noch) spekulativ, denn es fehlt eine Theorie, die alle vier physikalischen Kräfte (elektromagnetische -, schwache -, starke Wechselwirkung und Gravitation) einheitlich erklären kann. Eine mögliche Erklärung bietet die „Stringtheorie“, aber sie ist nicht nachweisbar, weil die notwendige (Spalt)Energie für einen Nachweis zu gross ist. Bei der grossen vereinheitlichten Theorie (Wechselwirkungen ohne Gravitation) ist man durch die Entdeckung von C. Rubbia 1983 am CERN der W- und Z-Boson-„Teilchen“ bereits etwas weiter. Und die elektroschwache Theorie, die 1967 durch S. Weinberg und A. Salam aufgestellt wurde, fasst elektromagnetische und schwache Wechselwirkung zusammen. Die grossen kosmologischen Entwicklungen werden zeitlich wie folgt gesehen:

0 / unendliche Temperatur / Singularität
10 hoch -45 Sek / 10 hoch 32 Grad Celsius / Gravitation (=Anziehung Massen) entsteht
10 hoch -35 Sek / 10 hoch 28 ° C / starke Wechselwirkung (=Bindung Atomkern) entsteht
10 hoch -10 Sek / 10 hoch 15 ° C / schwache (=radioaktiver Zerfall) und elektromagnetische Wechselwirkung (=Licht) entsteht
10 hoch -4 Sek / 10 hoch 12 ° C / aus Quarks werden Protonen und Neutronen
3 Minuten / 10 hoch 9°C / erste Atomkerne (Wasserstoff, Helium)
500'000 Jahre / 2’000°C / erste Atome (leichte Elemente) entstehen
1 Mia Jahre / erste Galaxien (schwere Elemente) entstehen
10 Mia Jahre / erste Planeten entstehen
12 Mia Jahre / mikroskopische Lebensformen entstehen
15 Mia Jahre / heute

Der Kosmos ist extrem ausbalanciert in seiner:
- Expansionsgeschwindigkeit,
- Wechselwirkung zur Entstehung der Elemente,
- Teilchen – Antiteilchen (mit minimer präziser Asymmetrie)
- Homogenität oder Isotropie.


Beispielsweise Teilhard de Chardin fand nicht Grösse und Dauer, sondern Komplexität und Bewusstsein im Kosmos bedeutungsvoll. Im menschlichen Gehirn gibt es etwa 100 Billionen Synapsen und ein höheres Organisationsniveau und grösseren Erfahrungsreichtum als in 1'000 unbelebten Galaxien. Der Mensch ist die am weitesten entwickelte Lebensform (Seite 301).
Die Beobachtungen dieser Tatsachen führte zum antrophischen Prinzip, teleologischen Gottbeweis und religiösen Implikationen (oder numerischen Zufällen). Damit kommen wir zu Grenzfragen der Naturwissenschaften, die sie nicht wirklich beantworten können, weil sie keine Herkunfts- und Sinnfragen kennen:

- Warum ist der Kosmos rational?
- Warum verstehen wir den Kosmos?


Die Ueberzeugung, dass der Kosmos einheitlich und intelligibel sei, hat bereits biblische und griechische Wurzeln. Daraus folgen weitere Grundsatzfragen:
· Kontingente Existenz: Warum ist überhaupt etwas?
· Kontingente Rahmenbedingungen: Gab es einen singulären Anfang? Warum sind am Anfang unsere physikalische Gesetze ungültig?
· Kontingente Gesetze: Gibt es eine „Theorie für Alles“?
· Kontingente Ereignisse: Der Kosmos ist eine Abfolge von unumkehrbaren Ereignissen, trotzdem gibt es Unschärferelation, die Unbestimmtheit in der Welt spiegelt, warum?


Damit wechselt Barbour zu den biblischen Schöpfungsvorstellungen. Hier erscheint Schöpfung als Ordnung aus dem Chaos. Gott schuf strukturiertes, harmonisches Ganzes aus der Sicht einer vorwissenschaftlichen Kosmologie des fünften Jahrhunderts vor Christus. Es war ein Echo auf babylonische Vorstellungen und somit gegen Naturgottheiten gerichtet. Eine fortlaufende Schöpfung kommt in Psalm 104 zum Ausdruck, auch menschliche Gefühle wie Abhängigkeit, Endlichkeit und Kontingenz, Ehrfurcht, Vertrauen, Dankbarkeit für das Leben, Annahme, Ordnung und Schönheit der Welt. Die Welt ist gut, geordnet, kohärent und verstehbar, sie hängt von Gott ab, er ist der Herrscher, der frei, transzendent und zielorientiert ist. Das jüdische Morgengebet lautet deshalb wie folgt: „Gesegnet bist du, Adonai, unser Gott, Bildner des Lichts und Schöpfer der Finsternis, der Frieden stiftet und schafft das All... Herr der Wunder, er erneuert seine Güte an jedem Tag das Werk der Schöpfung.“

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Physik und Metaphysik (Seiten 233-269)


Babour skizziert die Geschichte der neueren Physik und ihre Folgen. Die klassische Mechanik war realistisch, deterministisch und reduktionistisch, alle drei Denkweisen wurden im 20. Jahrhundert in Frage gestellt. 1905 hat Einstein die spezifische Relativitätstheorie herausgefunden (E=mc2), die von einer konstanten Lichtgeschwindigkeit und einem Raum-Zeit-Kontinuum ausgeht. Zehn Jahre später hat er die allgemeine Relativitätstheorie formuliert, dabei wird das Universum als endlich, gekrümmt, grenzenlos und geschlossen angesehen. John Wheeler sagte es so: Der Raum sagt der Materie, wie sie sich bewegen soll, und die Materie sagt dem Raum, wie er sich krümmen soll. Diese wissenschaftliche Revolution, vor allem aber mit der Entdeckung der Quantentheorie, führte zu einem Paradigmenwechsel. Die Quantentheorie ist nicht anschaulich, arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten und ist komplementär. Es findet eine Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt statt, dies drückt sich aus, indem entweder Kausalität oder Raumzeit, Wellen oder Teilchen, Position oder Impuls festgestellt und gemessen werden können vom Beobachter, jedoch nie beide Phänomene gleichzeitig. Analog dazu können auch Mechanismen in anderen Wissenschaften nun einfacher komplementär gesehen werden: mechanistische und organische Modelle in Biologie, behavioristische und introspektive in Psychologie, freier Wille und Determinismus in Philosophie und Gerechtigkeit und Liebe in der Theologie. Und letztlich sind Naturwissenschaften und Religion komplementäre Erklärungen der Realität.
Die Physik versucht natürlich die Quantentheorie genauer zu erforschen, zu bestimmen, zu verstehen und zu beschreiben. 1963 wurden die Elementarteilchen, die kleiner als Atome sind, Quarks genannt, jedoch können diese nicht eigenständig existieren, sondern nur innerhalb eines grösseren Ganzen. Es scheinen Manifestationen wechselnder Wellenmuster zu sein, die im Kontrast zum bisherigen reduktionistischen physikalischen Verständnis stehen und eine ganzheitliche Betrachtungsweise erfordern.
Barbour positioniert sich generell als kritischer Realist, Verfechter der Unbestimmtheit und eines begrenzten Holismus. Er formuliert dies beispielsweise so (auf Seite 254): „Dynamische Ereignisse konstituieren die Realität... Die Relativitätstheorie... zeigt unser Universum dynamisch und miteinander verbunden. Raum und Zeit sind untrennbar, Masse ist eine Form der Energie, und Schwerkraft und Beschleunigung sind ununterscheidbar. Es gibt ein Wechselspiel zwischen der Dynamik der Materie und der Form des Raum, eine Dialektik zwischen Vorgängen in der Zeit und der Geometrie des Raums. Wenn man so will, ist die Materie eine Falte im elastischen Raum-Zeit-Gewebe. Statt separater dauerhafter Dinge, die äusserlich in Beziehung zueinander stehen, haben wir eine einheitliches Fliessen interagierender Ereignisse...“
(auf Seiten 270-273): Es ist ein Fehler, Ideen aus Physik zur Formulierung theologischer Auffassungen zu übernehmen,... denn ihre Begriffe sind von begrenzter Reichweite. Es war fragwürdig, eine materialistische Metaphysik auf die klassische Mechanik zu gründen,... ebenso ist es fragwürdig, östliche Mystik auf moderne Physik zu beziehen...
Es gibt keine rein räumlichen Verhältnisse, sondern nur raumzeitliche... Die Geschichtlichkeit der Natur ist in allen Naturwissenschaften offensichtlich. Die Unschärferelation ist Hinweis auf objektive Unbestimmtheit in der Natur... Im Rückblick erscheint die Behauptung nicht abwegig, dass man sogar in der Physik den Beginn einer historischen, ökologischen und vielstufigen Sicht der Realität erkennen kann. Ich bin der Auffassung, dass diese drei Merkmalspaare – Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit, Zufall und Gesetzmässigkeit, Ganzheitlichkeit und Emergenz – in der Metaphysik der Prozessphilosophie eine besondere Rolle spielen.“

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