Mittwoch, Juli 07, 2010

Astronomie und Schöpfung (Seiten 275-309)



Nachdem im letzten Kapitel mehr die Physik im Vordergrund war, geht es hier um die Erforschung des Kosmos im 20. Jahrhundert. 1917 sagte Willem de Sitter aufgrund der Relativitätstheorie ein expandierendes Universum voraus. 1929 doppelte Edwin Hubble nach, indem er den expandierenden Raum – nicht nur Objekte - postulierte. Erst 1965 konnte dies durch Arno Penzias und Robert Wilson nachgewiesen werden, denn sie entdeckten eine gleichbleibende, schwache kosmische Hintergrundstrahlung, die 3-K-Reststrahlung. Diese war nach der Relativitätstheorie zu erwarten, da sie das Abkühlen resp. Nachglühen des kosmischen Feuerballs durch Expansion darstellte. 1992 zeigte der COBE-NASA-Satellit geringfügige Strahlungsabweichungen, die das Zusammenballen der Materie in Galaxien erklären konnte. Somit lässt sich die Geschichte des Kosmos plausibel rekonstruieren bis auf etwa drei Minuten nach dem Urknall, der sogenannten „Singularität“. Was aber in diesen drei Minuten genau passierte, bleibt (noch) spekulativ, denn es fehlt eine Theorie, die alle vier physikalischen Kräfte (elektromagnetische -, schwache -, starke Wechselwirkung und Gravitation) einheitlich erklären kann. Eine mögliche Erklärung bietet die „Stringtheorie“, aber sie ist nicht nachweisbar, weil die notwendige (Spalt)Energie für einen Nachweis zu gross ist. Bei der grossen vereinheitlichten Theorie (Wechselwirkungen ohne Gravitation) ist man durch die Entdeckung von C. Rubbia 1983 am CERN der W- und Z-Boson-„Teilchen“ bereits etwas weiter. Und die elektroschwache Theorie, die 1967 durch S. Weinberg und A. Salam aufgestellt wurde, fasst elektromagnetische und schwache Wechselwirkung zusammen. Die grossen kosmologischen Entwicklungen werden zeitlich wie folgt gesehen:

0 / unendliche Temperatur / Singularität
10 hoch -45 Sek / 10 hoch 32 Grad Celsius / Gravitation (=Anziehung Massen) entsteht
10 hoch -35 Sek / 10 hoch 28 ° C / starke Wechselwirkung (=Bindung Atomkern) entsteht
10 hoch -10 Sek / 10 hoch 15 ° C / schwache (=radioaktiver Zerfall) und elektromagnetische Wechselwirkung (=Licht) entsteht
10 hoch -4 Sek / 10 hoch 12 ° C / aus Quarks werden Protonen und Neutronen
3 Minuten / 10 hoch 9°C / erste Atomkerne (Wasserstoff, Helium)
500'000 Jahre / 2’000°C / erste Atome (leichte Elemente) entstehen
1 Mia Jahre / erste Galaxien (schwere Elemente) entstehen
10 Mia Jahre / erste Planeten entstehen
12 Mia Jahre / mikroskopische Lebensformen entstehen
15 Mia Jahre / heute

Der Kosmos ist extrem ausbalanciert in seiner:
- Expansionsgeschwindigkeit,
- Wechselwirkung zur Entstehung der Elemente,
- Teilchen – Antiteilchen (mit minimer präziser Asymmetrie)
- Homogenität oder Isotropie.


Beispielsweise Teilhard de Chardin fand nicht Grösse und Dauer, sondern Komplexität und Bewusstsein im Kosmos bedeutungsvoll. Im menschlichen Gehirn gibt es etwa 100 Billionen Synapsen und ein höheres Organisationsniveau und grösseren Erfahrungsreichtum als in 1'000 unbelebten Galaxien. Der Mensch ist die am weitesten entwickelte Lebensform (Seite 301).
Die Beobachtungen dieser Tatsachen führte zum antrophischen Prinzip, teleologischen Gottbeweis und religiösen Implikationen (oder numerischen Zufällen). Damit kommen wir zu Grenzfragen der Naturwissenschaften, die sie nicht wirklich beantworten können, weil sie keine Herkunfts- und Sinnfragen kennen:

- Warum ist der Kosmos rational?
- Warum verstehen wir den Kosmos?


Die Ueberzeugung, dass der Kosmos einheitlich und intelligibel sei, hat bereits biblische und griechische Wurzeln. Daraus folgen weitere Grundsatzfragen:
· Kontingente Existenz: Warum ist überhaupt etwas?
· Kontingente Rahmenbedingungen: Gab es einen singulären Anfang? Warum sind am Anfang unsere physikalische Gesetze ungültig?
· Kontingente Gesetze: Gibt es eine „Theorie für Alles“?
· Kontingente Ereignisse: Der Kosmos ist eine Abfolge von unumkehrbaren Ereignissen, trotzdem gibt es Unschärferelation, die Unbestimmtheit in der Welt spiegelt, warum?


Damit wechselt Barbour zu den biblischen Schöpfungsvorstellungen. Hier erscheint Schöpfung als Ordnung aus dem Chaos. Gott schuf strukturiertes, harmonisches Ganzes aus der Sicht einer vorwissenschaftlichen Kosmologie des fünften Jahrhunderts vor Christus. Es war ein Echo auf babylonische Vorstellungen und somit gegen Naturgottheiten gerichtet. Eine fortlaufende Schöpfung kommt in Psalm 104 zum Ausdruck, auch menschliche Gefühle wie Abhängigkeit, Endlichkeit und Kontingenz, Ehrfurcht, Vertrauen, Dankbarkeit für das Leben, Annahme, Ordnung und Schönheit der Welt. Die Welt ist gut, geordnet, kohärent und verstehbar, sie hängt von Gott ab, er ist der Herrscher, der frei, transzendent und zielorientiert ist. Das jüdische Morgengebet lautet deshalb wie folgt: „Gesegnet bist du, Adonai, unser Gott, Bildner des Lichts und Schöpfer der Finsternis, der Frieden stiftet und schafft das All... Herr der Wunder, er erneuert seine Güte an jedem Tag das Werk der Schöpfung.“

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