Samstag, Mai 29, 2010

John Polkinghorne

Der Engländer John Polkinghorne wurde 1930 in der Nähe von Cambridge geboren und hat Physik studiert, unter anderem beim Mitbegründer der Quantenmechanik Paul Dirac in Cambridge. Dort war er 1968-79 Professor für mathematische Physik und hat Wegweisendes zur Quantenmechanik und Chaostheorie gelehrt und geschrieben. Später hat er noch Theologie studiert, wurde anglikanischer Priester und hat in dieser Kirche Karriere gemacht. Deshalb ist er in beiden Welten zuhause und auch fähig, Glaube und naturwissenschaftliches Denken in einen fruchtbaren Dialog zu bringen. Er bezeichnet sich selber als kritischen Realisten. Als solcher achtet er besonders auch auf Methoden, Verfahren und Grenzen der Forscher, um nicht falsche oder überzogene Schlüsse zu ziehen. So kritisierte er auch Aussagen von Wissenschaftlern, die Grenzüberschreitungen vornahmen und somit philosophische Aussagen machten, sofern sie sie nicht als solche auswiesen. Deshalb ist seine Sprache meistens verständlich, oft scharfsinnig, sehr gehaltvoll und wohltuend sachlich. Er hat viele Bücher geschrieben zu naturwissenschaftlichen Themen und geistlichen Fragen.
(Es gibt übrigens eine deutschsprachige Homepage des Theologen Andreas Losch, die Polkinghorne und sein Werk aufgreift: www.theologie-examen.de/polkinghorne/index.html)

Ein Werk, worin er beide Pole aufgreift, war "Science & Theologie", das 1998 herauskam. Es erschien im Jahr 2002 bei Chr. Kaiser in Gütersloh (D) unter der ISBN-Nummer: 3-579-05180-6. Gregor Etzelmüller hat es aus dem Englischen übersetzt. Heute ist es leider vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.

In Theologie und Naturwissenschaften begann er anhand zweier historischer Beispiele von Galileo und Charles Darwin Wechselwirkungen und Beeinflussungen von Religion und Naturwissenschaft aufzuzeigen. Und er plädierte danach für eine differenzierte Sicht beider Weltsichten und gesteht beiden Forschung zu, nämlich einerseits Welterforschung und andererseits das „Mysterium“ Gott, das jedoch andere Ansätze und Zugangsformen erfordert.



Zu "Materialismus" schrieb er auf Seite 75 kritisch und fast profetisch folgendes, denn man bedenke, dass er dies bereits vor zwölf Jahren geschrieben hat:
„Gegenwärtig vertreten insbesondere Biologen reduktionistische Positionen, und zwar besonders jene, die sich mit Molekülen und nicht mit Organismen beschäftigen. Welche Ebene dabei als elementar angesehen wird, scheint von der Disziplin beeinflusst zu sein, die der Reduktionist jeweils ausübt. So verortet der Genetiker Richard Dawkins, sofern er überhaupt einen Sinn in der physikalischen Welt erkennt, diesen auf der Ebene der „egoistischen Gene“, die danach trachten, sich von Generation zu Generation pflanzlichen und tierischen Lebens durchzusetzen. Wiederholt spricht er deshalb vom Menschen als eine „genetischen Ueberlebensmaschine“.
Die Verfassung der gegenwärtigen biologischen Forschung erinnert an den Zustand der Physik in der Zeit nach Newton in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die gegenwärtige Biologie und die damalige Physik haben bei beachtliche Anfangserfolge erzielt (universale Schwerkraft und das Sonnensystem; die Doppelhelixstruktur der DNA und die Molekularbasis der Genetik). Beidemal verstand man zunächst die mechanistischen Eigenschaften der Natur (es ist einfacher, Uhren als Wolken zu verstehen, und man beginnt immer mit den zugänglichsten Phänomenen). Beidemal behauptete man, dass die neuen Entdeckungen praktisch jede Sache erklären könnten (de la Mattrie und sein Buch Man the Machine; Crick und Dawkins und molekularer Reduktionismus). Die Physik hat entdeckt, dass die Welt subtiler, weicher und interessanter ist, als die Physiker des 18. Jahhunderts meinten. Es ist nicht schwierig zu glauben, dass auch die Biologie in angemessener Zeit eine ähnliche Entdeckung machen wird."

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