Sonntag, April 22, 2012

Fergusons sechs Killerapps des Westens

Diese sechs Faktoren, Fergusons "Killerapps", führt er in sechs Buchkapiteln ausführlicher aus und beschreibt und begründet damit deren Bedeutung für den Aufstieg der westlichen Gesellschaft und Kultur: . . . . . · Wettbewerb: Am Beispiel Chinas zur Zeit der Ming-Dynastie 1368-1644 zeigt er Aufstieg, Blüte und Verfall. Durch mangelnden Wettbewerb und zunehmenden Selbstbezug nahm Chinas Bedeutung wieder ab und die Zeit der Vorherrschaft Europas 1500-1900 war gekommen. 1842 erzwangen die Briten sogar die Oeffnung Chinas für ihre Märkte. . . . . . . . . . . . . . . . · Wissenschaft: Von der Reformation 1530 bis zur französischen Revolution 1789 wurden in Europa durch Galileo, Pierre de Fermat, Robert Boyle und andere Wissenschaftler 29 bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen gemacht. Dagegen verbot der osmanische Sultan Selim I die Druckerpresse und schnitt sich so von der wissenschaftlichen Revolution und dem Fortschritt ab. Gerade nur ein Buch, eines über die Behandlung von Syphilis, wurde bis 1900 in eine orientalische Sprache übersetzt. Der agnostische preussische König Friedrich Wilhelm I (1688-1740) gewährte dagegen Religions- und Pressefreiheit in seinem Reich, was zu kultureller Blüte und Fortschritt führte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · Eigentum: Die rasante Besiedlung und Entwicklung Nordamerikas in den letzten dreihundert Jahren wurde durch weit gestreute Eigentumsverhältnisse stark gefördert. Kurz nach der Besiedlung hatten hohe 75-87% der ansässigen Personen Landeigentum. Der blinde Flecken war jedoch die Sklaverei der Afrikaner. In Südamerika dagegen besass eine Elite von 2% den meisten Boden samt seinen Schätzen, was keine sinnvollen Eigentumsrechte und Rechtsstaatlichkeit gedeihen liessen. · Medizin: Die Lebenserwartung verdoppelte sich weltweit zwischen 1800 und 2000. In Europa geschah dies bereits früher von 1770 bis 1890; das erste Land, das diese Höhe erreichte, war Dänemark, das letzte Spanien. Asien erlebte von 1890 bis 1950 eine Verdoppelung der Lebenserwartung, Afrika 1920 bis 1950, wobei der Rückgang der Sklaverei den Effekt mitbeeinflusste. Cholera und Typhus waren bereits 1914 fast ausgerottet, dies geschah noch zur Zeit des westlichen Imperialismus und Kolonialismus. Negatives Begleitphänomen zum gesundheitlichen Fortschritt war der Rassismus, der pseudowissenschaftliche Kampf gegen die menschliche „Entartung“. Besonders stark war dies in Deutsch-Südwestafrika und Belgisch-Kongo der Fall, was als Vorlauf der Judenverfolgung und Slawenunterdrückung im dritten Reich angesehen werden kann. Ansonsten beschränkt sich Ferguson in diesem Kapitel mehr auf die Rolle Frankreichs und deren Kolonien.
· Konsum: ist ein ökonomisches System, das dem Menschen viel Auswahl gibt, aber am Ende die Menschheit doch vereinheitlicht. Die industrielle Revolution begann in England vor allem mit Textilprodukten, was die Wirtschaftsleistung ab 1830 deutlich erhöhte. Die Beschäftigung in der Landwirtschaft nahm ab, die in Industrie und Dienstleistung nahm zu, und der Reichtum erhöhte sich. Innovative und unternehmerische Personen trieben diesen kumulativen, evolutionären Verbesserungsprozess voran. Einige Eckdaten dazu: 1771: 1. Baumwollspinnerei durch Richard Arkwright in Cromford Derbyshire 1775: 1. Dampfmaschine von James Watt 1825: 1. Dampflokomotive fuhr von Stockton nach Darlington 1848/1867: Das Manifest/Das Kapital von Karl Marx (gegen einseitigen, ungleichen Reichtum) 1850: Singer-Nähmaschine durch Isaac Merritt S. in Boston (USA) 1873: Levi Strauss und Jacob Davis liessen den Gebrauch von Kupfernieten für Jeans patentieren 1929-32: Der Aktienmarkt brach durchschnittlich 89% ein, die Produktion 33%, die Preise 25% und der Welthandel 67%, was zu einer veritablen Weltwirtschaftskrise führte. Hauptgrund war die katastrophale Geldpolitik der damaligen US-Notenbank. 1939-45: Im Zweiten Weltkrieg siegten die Allierten vor allem wegen britischem Geheimdienst, sowjetischem Massenheer und amerikanischem Kapital. Für die Niederschlagung der Japaner war das „Manhattanprojekt“ 1942 entscheidend, das 1945 drei Atombomben hervorbrachte. Nach dem Zweiten Weltkrieg breitete sich die Kosumgesellschaft in den USA (und etwas später in Europa) aus mit Kleidern, Autos, Telefone, Kühlschränke, Waschmaschinen, Tumbler, Fernseher und Geschirrspüler. Der französische Philosoph und Revolutionär Régis Debray sagte 1986 dazu: „Rockmusik, Videos, Blue Jeans, Fastfood und TV haben mehr Macht als die Rote Armee.“ Aber auch Asien erlebte einen kometenhaften Aufstieg, am schnellsten wuchs dabei Südkorea 1973-90.
· Arbeit(sethik): Der Deutsche Max Weber, geboren in Erfurt, Professor für Nationalökonomie an der Universität in Freiburg, hat als einer der Ersten pointiert festgestellt, dass die Protestanten leben, um zu arbeiten, und dass sie eine rastlose Berufsarbeit kennen, um sich der Erwählung Gottes zu vergewissern. Nach seinem Nervenzusammenbruch 1897, unternahm er 1904 eine Reise an die Weltausstellung in St. Louis USA und besuchte auch dieses aufstrebende Land. Das fand Niederschlag in seinem berühmten Buch „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“. Ferguson unterstützt grundsätzlich diese These, macht aber auch Einschränkungen, weil Weber gegenüber den noch erfolgreicheren Juden und teilweise Katholiken in Belgien, Frankreich und Italien blind war. Aber 1940 hatten die protestantischen Länder 40% mehr Einkommen als die katholischen Staaten. Nach Ferguson sind Hauptgründe in der Alphabetisierung durch protestantische Geistliche und Missionare fürs Bibellesen und in den Druckereien zu suchen. Er bezeichnet dies als protestantische Wortethik. Diese förderte zudem gegenseitiges Vertrauen, Treue, Sparsamkeit, Ehrlichkeit, Offenheit und ganz konkret Kreditnetzwerke. Heute scheint diese Ethik in Europa abgenommen zu haben, und die Europäer gelten als Faulpelze, Glaubenskritiker, Gottlose und Ueberalterte der Welt! Ferguson spricht von „Warnografy“, das sich aus Pornografie und Kriegsspielen zusammensetzt und Theologie und Jesusglaube abgelöst habe. Amerika erscheint noch als Ausnahme, Gründe dafür scheinen ihm der Wettbewerb unter den Kirchen und der Gottesdienst als Konsumform zu sein. Gott werde dort so zum Analytiker, Sorgenonkel und persönlichen Coach degradiert. Die Finanzkrise bezeichnet er als Kapitalismus ohne Sparen, Leben auf Pump, das auf die Dauer nicht funktionieren werde. Der Westen mit seiner hohlen Konsumgesellschaft und der Kultur des Relativismus wird bald vom aufstrebenden China überholt und vielleicht gar abgehängt werden. In China haben dagegen Werte wie Moralität, Recht und Eigentum heute einen hohen Stellenwert. Viele chinesische Unternehmer sind sogar Christen geworden, die Stadt Wenzhou gilt als chinesisches Jerusalem!

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Freitag, April 20, 2012

The West and the Rest

Nicht jeder ist fähig, die wesentlichen Merkmale einer Zivilisation und Kultur herauszuschälen, der Autor Niall Ferguson ist es. Er hat als letztes "Der Westen und der Rest der Welt. Die Geschichte vom Wettstreit der Kulturen." geschrieben. Es ist 2011 im Verlag Propyläen Berlin unter der ISBN-Nummer: 978-3-549-07411-4 erschienen. Der englische Ursprungstitel hiess: Civilization. The West and the Rest. Allen Lane. Penguin Books London. . . . . . . . Etwas zum Autor: Niall Ferguson wurde 1964 in Glasgow geboren. Heute ist er Professor für Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt Finanz- und Wirtschaftsgeschichte an der Harvard Universität in Boston USA. Zudem ist er Senior Research Fellow der Universität in Oxford. Er gilt als einer der pointiertesten Historiker der Welt. Die letzten Bücher waren „Krieg der Welt“ (2006) und „Der Aufstieg des Geldes“ (2009). Er ist in zweiter Ehe mit der holländischen Somalierin und Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali verheiratet. . . . . . . . Zum Inhalt: Niall Ferguson gibt zu Beginn einige Grundsätze seines Geschichtsverständnisses weiter: Für ihn ist die Vergangenheit nicht einfach abgeschlossen, sondern sie lebt in der Gegenwart weiter in Form von Spuren wie Gegenständen und Dokumenten. Dabei geht es nicht um eine Sammlung von Beweisstücken, sondern um eine Geschichte des Denkens zu erkennen. Er will in seinem Geist das Denken der Menschen nachvollziehen, weil für ihn historisches Wissen vergangenes Denken ahnen lässt und sichtbar macht im Kontext der Gegenwart. Er versteht sich und die Historiker wie Wildhüter, die erfolgreich Spuren suchen und finden. Diese Erkenntnis klärt auch über die Gegenwart auf, weil sie ein Bestandteil der Geschichte ist. Wir studieren Geschichte, um die heutige Situation besser beurteilen zu können (nach R.G. Collingwood). . . . . . . . Ferguson hat klare Vorstellungen, weshalb der Westen eine solch globale Macht begründet und erhalten hat. Auf Seite 44 nennt er sechs entscheidende Faktoren dafür: . . . . . . . · Wettbewerb: durch Dezentralisierung, Gründung von Nationalstaaten und Kapitalismus . . . . . . . · Wissenschaft: Das Studieren, Verstehen und Verändern der Welt sicherte auch einen grossen militärischen Vorsprung . . . . . . . · Eigentumsrechte: Rechtsstaatlichkeit schützte Privateigentum und Freiheit, führte zu Frieden und Stabilität und brachte repräsentative Regierungen hervor . . . . . . . · Medizin: verbesserte die Gesundheit und erhöhte Lebenserwartung und Wachstum . . . . . . . · Konsumgesellschaft: Gebrauchsgüter wie Kleider spielten eine wesentliche Rolle in Wirtschaft und industrieller Revolution . . . . . . . · Arbeitsethik: Protestantismus bewirkte eine moralische Arbeitsweise, die zu höherer Leistung, besserem Zusammenhalt und grösserer Sparquote führte

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Samstag, April 14, 2012

Die vier grossen Rabbiner des Mittelalters: Raschi, Ramban, Rambam und Ramak

Zu den einzelnen dieser vier grossen, berühmten Rabbinern schrieb Krochmalnik folgendes, das ich zusammenfassend wiedergebe:

"Raschi"
ist die Abkürzung für Rabbi Schlomo ben Izchak, der von 1040-1105 vorwiegend in Troyes (Nordfrankreich) gelebt hatte. Der Vorkämpfer des Wortsinns hatte in Worms und Mainz studiert. Diese Städte waren wichtig fürs westliche Judentum und trugen wesentlich für einen Aufschwung in Bildung und Wirtschaft der damaligen Zeit bei. Raschi stand vermutlich auch im Austausch mit christlichen Gelehrten, den Scholastikern. Es war aber auch die Zeit des ersten Kreuzzuges, bei dem viele Juden durch brutale Gewalt der Kreuzfahrer und des Mobs getötet wurden, weil sie die Sündenböcke waren und zu „Blitzableitern“ wurden. Diese einschneidenden Ereignisse schlugen sich auch in seinem Psalmenkommentar nieder, beispielsweise zu Psalm 47.
Das Exil verstand er als Strafe (Gottes) und Sühne. Jesaja Kapitel 53 war bei ihm Typus für Israel, das jüdische Volk, (und nicht für den Messias!). "Besser als Jude Unrecht leiden, denn als Christ Unrecht tun." Dieser Satz von Jakob Katz könnte auch von Raschi stammen. Der Begriff „Holocaust“, der erst viel später, um 1955 durch Elie Wiesel eingebürgert wurde, geht auch auf ihn zurück, denn genau übersetzt heisst er „ganz verbrannt“. Das bezog sich ursprünglich auf das tägliche Abend- und Morgenopfer, das Brandopfer „olat tamid“, und Raschi verwendete es neu als Selbstbezeichnung für Massenmorde an und Suizide der Juden während dem ersten Kreuzzug. Nach seinem Verständnis büssen die jüdischen Nachkommen für die Vorfahren und opfern sich für die Nachfahren, sie werden so zum Sühnegeld und Schuldopfer (Gottes).

"Ramban"
steht für Rabbi Mosche ben Nachman, der 1195 im spanischen Gerona geboren wurde und ein sephardischer Jude war. Der Meister des Bildsinns orientierte sich aber nach Nordfrankreich und war auch mit der christlichen Typologie vertraut und davon beeinflusst, im speziellen mit Verheissung und Erfüllung, Schatten und Wirklichkeit, wie sie im Hebräerbrief 10,1 beschrieben wurde. Die Väter seien ein Zeichen für die Kinder. Bekannt wurde er auch für seine Interpretationen zu Genesis 26 und 32, zu Isaak und Jakob. Isaaks Erfolg, Aufstieg, Wohlstand, Verfolgung und Vertreibung sah er auch als Typus für die Juden im Exil und in der Diaspora. Jakobs Sicherheitsstrategie mit den zwei Lagern war auch die Ueberlebensstrategie des jüdischen Volks in der Zerstreuung, damit ein Rest gerettet werde. Als „Doppellager“ sah er auch Juda und Israel, den palästinensischen und den babylonischen Talmud, woraus die beiden Gruppierungen der „Aschkenasim“ und der „Sephardim“ entstanden sind.
Zu Genesis 14,8 sagte er: „Der Nabel ist die Mitte des Menschen, Israel ist die Mitte der Welt, Jerusalem die Mitte Israels, das Heiligtum die Mitte Jerusalems, der Tempel die Mitte des Heiligtums, die Bundeslade (mit den Gesetzestafeln) die Mitte des Tempels. Vom Grundstein vor dieser Lade ging die Gründung der ganzen Welt aus. Der Verlust des Tempels heisst der Verlust der Mitte, der „Schechina“, der Einwohnung und Gegenwart Gottes, es ist Gottverlassenheit. Die Tora ersetzt den Tempel nie ganz, sie verweist auch auf das himmlische Heiligtum und Jerusalem. Das Besiedeln des Landes Israels wiegt alle Gebote in der Tora auf.“
Nach einem Disput mit der mächtigen katholischen Elite in Barcelona wurde er 1267 ausgewiesen. Er kehrte nach Jerusalem zurück, wo er 1270 starb.

"Rambam"
ist Rabbi Moses ben Maimon, der 1138 in Cordova geboren wurde, zehn Jahre später mit seiner Familie flüchten musste durch Südeuropa und Nordafrika und 1204 in Kairo starb. Er war Arzt, Philosoph und auch ein „Possek“, ein Mufti oder Rechtsgelehrter, ein Führer der Verwirrten und Meister des Begriffsinns. „Jahwe“ verstand er als „Ich bin das Seiende, das existiert“, „dabbar“ als äusseres und inneres Reden (Gottes). Sprüche 25,11 war ihm deshalb wichtig: „Ein Wort zu seiner Zeit geredet, ist wie goldene Aepfel auf silbernen Schalen.“ Der Wortlaut der Worte Gottes sei nur „Silber“ oder wertlos, der Sinn dagegen das Gold oder der wahre Edelstein. Deshalb bekämpfte er auch den Anthropomorphismus: „Die Verdinglichung Gottes rächt sich in der Selbstentfremdung des Menschen. Wir können nicht sagen, was Gott ist, wohl aber, was er nicht ist. (Gottes) Einheit ist verneinte Vielfalt, (seine) Allmacht verneinte Ohnmacht. Durch die Verführung, wie sie in Genesis drei beschrieben ist, verlieren die Menschen die Gottesebenbildlichkeit. Gott und Mensch gleichen sich nicht in der Gestalt, sondern in der Gewalt.“
(Dem steht heute Abraham J. Heschel gegenüber mit folgenden Sätzen: „Behandle dich selbst als Symbol Gottes. Je menschlicher der Mensch handelt, desto göttlicher ist er. Wer nach dem Bild Gottes gemacht ist, der handelt danach: imago Dei – imitatio Dei“)

"Ramak"
steht für Rabbi Mosche Kordovero, der 1522 geboren wurde und 1570 in Safed starb. Als Meister des Geheimsinns gilt er als eigentlicher Schöpfer und Verfasser der „Pardes“. Zwar schrieb schon Ramban den ersten kabbalistischen Torakommentar, um damit Verborgenes zu offenbaren. Und Raschba, ein wichtiger Schüler Rambans, war der Erste, der den vierfachen Schriftsinn als Ganzes festhielt, und zwar als buchstäblichen, rabbinischen, philosophischen und kabbalistischen Schriftsinn. Ramak, der Meister des Geheimsinns, sah im letzten den wesentlichen, den „göttlichen“ Sinn. Die Philosophen sprachen hier von „Theogonie“, der Gottesentstehung; für die Juden waren dagegen die zehn „Sephirot“, die Attribute Gottes, zentral: keter – Krone, chochma – Weisheit, bina – Verstand, gedula/chessed – Güte, gewura – Macht, tiferet – Herrlichkeit, nezach – Triumph, hod – Majestät, jessod – Fundament und malchut - Reich. Diese sind verpackt und verschlüsselt in Zeichen und Zahlen, Zapfen und Zacken, Zinken und Zierden der Buchstaben. Durch andere Einteilung und Kombinatorik der Buchstaben können die kraftvollen Gottesnamen entziffert werden. Dabei hilft auch die „Gematria“ der Buchstabenzahlenvergleich, „Notarikon“, die Initialwortentwicklung, und die „Temura“, die Buchstabenversetzung.
Die Anfangsbuchstaben dieser vier Verfahren ergeben „GiNaT“, was übersetzt auch Garten bedeutet.
Ein Bespiel für Gematria: J (jod) hat den Zahlenwert 10, JH (jod he) 15, JHW (jod he waw) 21, JHWH 26, das Total beträgt 72; dies ist also der Zahlenwert des grossen, unbeschreiblichen Gottesnamen, der unheimliche Kräfte und unwiderstehlicher Liebeszauber beinhaltet; aber auch Exodus 14,19-21 umfasst je 72 Buchstaben.

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Dienstag, April 10, 2012

Der vierfache Schriftsinn aus jüdischer Sicht


Das Buch "Im Garten der Schrift. Wie Juden die Bibel lesen."
ist im Verlag St. Ulrich Augsburg 2006 unter der ISBN-Nummer: 978-3-936484-67-0 erschienen.

Der Autor Daniel Krochmalnik wurde 1956 in München geboren. Heute ist er Professor für Philosophie, Geistesgeschichte und Religionspädagogik an der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg. Zudem ist er Privatdozent für Philosophie an der Universität Heidelberg. Er ist Autor und moderiert die Radiosendung „Schalom“ im Bayrischen Rundfunk, ebenso ist er erster Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Heidelberg.

Zum Inhalt:
Daniel Krochmalnik führt in diesem Buch ins jüdische Verständnis der hebräischen Bibel ein. Er ist davon überzeugt, dass die Geschichten der Bibel zukunftsträchtig sind, weil sie wiederholungsgängig und vergangenheitsgesättigt sind. Er macht plausibel, dass es dabei um eine Lehre geht, die sich laufend erneuert und die methodisch wiederbelebt wird. So werden die Erzählfäden zu einem Gewebe mit wiederkehrenden Mustern und verkörpern dadurch das kollektive Gedächtnis.
Für die Bibelauslegung empfiehlt er vier Schritte, die auch dem "vierfachen Schriftsinn" entsprechen:
1. Literarierisierung – Wortsinn
2. Konzeptualisierung/Typologisierung – geistiger, allegorischer oder Bildsinn
3. Idealisierung – moralischer oder Begriffssinn
4. Hypostasierung – anagogischer oder Geheim- oder Hoffnungssinn


Diese vier Schritte sind auch im hebräischen Wort „PaRDeS“ oder ganz deutsch vokalisiert „Paradies“ enthalten, das besonders in der Kabbala die Bedeutung von Lernort und Lustgarten hat, worin der Baum die Weisheit der Tora selbst ist:
1. P = „Pschat“ = einfacher Sinn = Mischna = Chronik = Information = imitatio rerum
2. R = „Remes“ = angedeuteter Sinn = Maschal = Weisheit = Konnotation = imitatio naturae
3. D = „Drasch“ = belehrender Sinn = Midrasch“ = Weisung = Instruktion = imitatio veterum
4. S = „Sod“ = geheimer Sinn = Kabbala = Profetie = Intention = imitatio dei

Ein Beispiel: In Genesis 2,11 werden vier Flüsse erwähnt: Pischon, Gichon, Chidekel und Frat. Da lassen sich bereits drei der vier Sinne gut zeigen: Die vier Flüsse sind zuerst wörtlich zu verstehen; dann werden die vier Flüsse auch als die vier Exile gedeutet: Babylon, Persien, Griechenland und Rom; und die vier Flüsse werden im profetischen Sinn zu vier Reichen: Himmelreich, Messiasreich, Friedensreich und Weltreich.

Vier grosse Rabbiner des Mittelalters stehen auch für die vier Schriftsinne, weil sie besonders auf je diese hingewiesen haben in ihren Auslegungen der hebräischen Bibel:
1. RASCHI: Rabbi Schlomo ben Izchak (1040-1105) steht für den Wortsinn
2. RAMBAM: Rabbi Mosche ben Maimon (1138-1204) steht für den Bildsinn
3. RAMBAN: Rabbi Mosche ben Nachman (1194-1270) steht für den Begriffssinn
4. RAMAK: Rabbi Mosche Kordovero (1522-1570) steht für den Geheimsinn

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