Mittwoch, Mai 22, 2019

N. T. Wright: Johannesevangelium - die enthüllte Herrlichkeit

Bsonders treffend und einleuchtend fand ich Tom Wrights Aussagen zum Johannesevangelium auf Seiten 135 bis 140. Er nennt es die enthüllte Herrlichkeit: Die Tempel-Christologie. Gott habe die Welt als eine Art Tempel erschaffen, als sein Eigentum und Wohnort. Sein Zelt habe er unter den Israeliten in der Stiftshütte in der Wüste und dann im Tempel in Jerusalem aufgeschlagen. An diesem Ort feierten sie seine Verheissung der ultimativen Befreiung. Daher sei die Zerstörung des Tempels 587 vor Christus das grösste Desaster gewesen, weil Gott sein Haus aufgegeben und verlassen habe. Johannes bestehe dagegen darauf, dass die Verheissung in Jesus erfüllt worden sei. Das Wort wurde Fleisch und schlug sein Zelt oder Bühnenbild (griechisch «skene») auf. Das ist ein Echo des hebräischen Wortes «shakan», das wohnen oder bleiben bedeutet. «Schechina», die zeltende oder bleibende Gegenwart Gottes wurde in den nachbiblischen jüdischen Schriften verwendet. Johannes ging davon aus, dass Jesus im vollen Sinn göttlich war, er sagte schlicht: Jesus ist Gott. So sollten wir das Johannesevangelium lesen und verstehen lernen. Im Kapitel sieben erklärte Jesus beim Laubhüttenfest, dass er das wahre, lebendige Wasser liefere. Beim Chanukkafest sagte er, dass er der wahre Hirte sei. Beim letzten Passah bestand er darauf, dass er die Welt und ihre Herrscher überwunde habe, so wie Jahwe es schon in Ägypten getan hatte. Darum betrete man beim Lesen der Kapitel 13 bis 17 nun den wahren Tempel. Gott hatte die Menschen nach seinem Bild erschaffen und drückte seine Liebe in Jesus nun so sehr aus, um Schmerz und Schrecken der Welt zu teilen und zu tragen.

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Montag, Mai 20, 2019

N. T. Wright: Reich Gottes, Kreuz, Kirche.

2015 kam im Francke-Verlag in Marburg dieses Buch von Tom Wright heraus mit der ISB-Nummer: 978-3-86827-504-9. Es trug den Untertitel: Die vergessene Story der Evangelien. Das Original erschien 2013 bei HarperCollins mit dem Titel: How God became King. Etwas zum Autor: Der Brite Nicolas Thomas Wright wurde 1948 geboren. Er ist Professor für Neues Testament und frühes Christentum, und er war anglikanischer Bischof im englischen Durham. Er gilt als einer der führenden Forscher des Lebens von Jesus und ist ein profilierter Neutestamentler, der kaum in ein aktuelles theologisches Lager passt. Zum Buch: Wrights Bücher sind keine leichte Kost, das gilt auch für sein Werk Reich Gottes, Kreuz, Kirche. Es umfasst 336 Seiten, und ich brauchte etwas Zeit, um mich an seine Denkart und an seinen Schreibstil zu gewöhnen. Hilfreich war, dass Wright seine persönliche Entwicklung zum Thema teilt. Und er will uns eine umfassendere Sicht von Gottes Absichten in der Bibel und insbesondere in den Evangelien hinweisen. Es geht um das Reich Gottes, das oft übersehen oder in eine bestimmte Richtung umgedeutet wurde. Er braucht dazu im Buch das passende Bild der vier Lautsprecher, die gebraucht werden, um einen Innenraum harmonisch zu beschallen. Nur wenn alle vier Lautsprecher im richtigen Mass aufgedreht sind, kann Musik angemessen gehört werden. Nun gibt es in unserem Raum sowohl Lautsprecher, die zu laut eingestellt sind, als auch welche, die zu wenig oder gar nicht aufgedreht wurden. Beide Situationen wirken sich ungünstig auf eine gute Tonwiedergabe aus. Übertragen gilt das auch für die Evangelien: die vier Lautsprecher sind die vier Bedeutungsstränge. Diese sind: die Story Israels (im Sinn einer bedeutungsvollen Erzählung), die Story des Gottes Israels, das erneuerte Volk Gottes und der Zusammenstoss der Reiche. Nur wenn all diese vier Bedeutungen überhaupt und im richtigen Mass gehört werden, kann das Evangelium Gottes richtig verstanden werden. Wright behauptet, dass dies bei vielen Christen und zu vielen Zeiten der Kirchengeschichte nicht der Fall gewesen sei. Das Evangelium sei oft unvollständig und einseitig verstanden und gelebt worden. Alle Glaubensbekenntnisse würden zu Unrecht das Mittelstück der Evangelien, das Reich Gottes, ausklammern. Daher sei es ausserordentlich wichtig, die vier Evangelien nochmals vollständig zu lesen, genau hinzuhören, die vielfältigen Bedeutungen aufzunehmen und das verkannte Reich Gottes wahrzunehmen. Wright beschreibt die biblische Botschaft ab Seite 234 zusammengefasst etwa wie folgt: Gott ist der Schöpfer und der Erlöser der Welt. Er berief Israel, damit er die Welt retten konnte. Und er wurde sogar selbst Israel in der Person seines repräsentativen Messias, des Knechts Jahwes, wie er schon in Jesajabuch in Kapitel 40 bis 55 beschrieben wurde. Im Danielbuch Kapitel sieben wurde er zudem als Menschensohn dargestellt. Mit Jesus hat er definitiv das Reich Gottes eingeläutet, sein Königreich, seine Herrschaft im Himmel und auf Erden aufgerichtet. Für diesen zentralen Zweck kam Jesus auf die Erde, lebte hier und starb und ist auferstanden. Jesus verkündete das Reich Gottes und forderte seine Jünger auf, Anteil daran zu nehmen und es zu ihrem Lebensmuster zu machen, obwohl sie erst wenig davon verstanden hatten. Israel wurde nicht aufgegeben und ersetzt, sondern verwandelt. Mit seinem Kommen nach Jerusalem und seinem Kreuzestod hat Jesus den heruntergekommenen Tempel(dienst) ersetzt. Er hat sowohl menschliche Gewalten als auch geistliche Mächte besiegt; er hat gezeigt, wie Gott mit dem Bösen fertig wird. Deshalb ist der Tod Jesu am Kreuz mehr als Sühne und Stellvertretung, er ist auch Liebe, Erneuerung, Sturz der Weltreiche und Tür zur neuen Gartenstadt Gottes.

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Samstag, Mai 11, 2019

Eine etwas einseitige Entwicklung

Zwar ist Guinea eines der ärmeren und am wenigsten entwickelten Länder Afrikas. Trotzdem macht es wie viele andere afrikanische Länder im Eilzugstempo eine teilweise Veränderung von der traditionellen, dörflichen Agrarwirtschaft zur städtischen Informationsgesellschaft durch. Das zeigt sich insbesondere darin, dass heute viele Guineer ein funktionierendes Handy (portables Telefon) haben, einige auch bereits ein Smartphone. Kaum einer hat ein Abonnement dafür, jedoch wird mit Prepaid telefoniert und gesurft. Dafür gibt es einige internationale Anbieter im Land. Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung im Westen dauerte Jahrhunderte, in Afrika geht sie teilweise nur in Jahrzehnten über die Bühne. Das hat bestimmt Chancen, aber auch negative Folgen und Konsequenzen, weil bei einer derart schnellen Veränderung einiges vergessen und verloren geht. Ein Beispiel ist nur, dass die wenigsten Leute hier eine Ahnung vom Arbeiten mit dem Computer haben. Sie hatten nie die Chance, auch nur die grundlegenden Computerprogramme wie Word und Excel kennen und anwenden zu lernen. Zusätzlich haben viele Personen auch nicht richtig Rechnen gelernt, da in den Schulen noch zu vieles auf Eintrichtern und Auswendiglernen basiert. So fehlen hier grundlegende Rechenkenntnisse und einfache Computeranwendungen im beruflichen und geschäftlichen Alltag. Das zeigt sich wie Rechnungen ausgestellt, Buchhaltungen geführt und Arbeiten organisiert werden.

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Mittwoch, Mai 01, 2019

Hilfe zur Selbsthilfe oder für die Helfer

Kürzlich kamen zwei Jungs zur Nachhilfe, einer war ganz bei der Sache, er hat Schreibübungen gemacht und gebastelt. Er hatte aber zu grosse Flipflops an; und er fragte mich, ob ich ihm nicht Schuhe kaufen würde, am liebsten Fussballschuhe. Und er wusste, wo sie zu haben seien und was sie kosten würden. Ich fragte ihn zurück, wie er denn zur Schule gehen würde, weil er dazu geschlossene Schuhe brauche? Er leihe sich welche, war die lapidare Antwort. Die Bitte nach Schuhen wiederholte er mehrmals. Mit der Zeit bekam ich zu hören, dass sein Vater mit dem Auto zu der Hochzeitsfeier des jüngsten Bruders gefahren war und die Kinder den Verwandten oder sich selbst überlassen hatte... Ich werde dem Jungen kaum Schuhe kaufen, wiewohl mich das nicht viel kosten würde. Denn ich will nicht falsche Erwartungen und Anreize wecken und ungesunde Abhängigkeiten schaffen...
Solche und ähnliche Erlebnisse sind typisch für Guinea. Die Rolle des Weissen ist oft die des grosszügigen Helfers und des wissenden Leiters. Seine Aussagen werden kaum in Frage gestellt, und er fühlt sich in seiner Rolle als "Patron" meistens auch ganz wohl und kann seine Arbeit im Westen so noch gut "verkaufen". Das geht auch mir etwas so! Wer hat nicht schon gerne Zuwendung, Anerkennung und Bedeutung? Viele Guineer aber sind in der Rolle des bedürftigen Bittstellers, und es ist eine Art Fortführung einer unmündigen Abhängigkeit. Manchmal ist dies gar nicht so einfach zu erkennen, aber umso wichtiger zu durchbrechen. Unsere Aufgabe wäre eher die des dienenden Förderers, Ermächtigers und Beraters, der im Laufe der Zeit überflüssig werden wird. Einer, der einige Jahre in Guinea tätig ist, hat es so gesagt: Mission sollte vielmehr Gerüst statt Mauer sein, sie sollte Unterstützung zum Bau eines Gebäudes sein, jedoch nicht Fundament, Mauer oder Dach. Ist ein Haus einmal fertig erstellt, kann ein Gerüst entfernt werden, und das Gebäude besteht unabhängig davon. Immer wieder besteht für Menschen und Organisationen die grosse Versuchung, mehr als Gerüst sein zu wollen.

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