JHWH, der unaussprechliche Name
Der unaussprechliche NAME – so schreibt Miskotte für JHWH auf Seite 166 – ist nicht anders als in einem qualifizierten Geschehen erkennbar. Denn alles hängt an der Präsenz und dem schöpferischen Handeln JHWHs. Rosenzweig hat das als „erzählende Philosophie“ bezeichnet. Das Zusammentreffen von Name und Geschehen bringt etwas völlig Eigenständiges an Ereignis und Begegnung hervor. Diese Einzigartige, das Name, Geschehen und Gestalt umfasst, ist in der irdischen Wirklichkeit nicht ablesbar, sondern nur durch das enthüllende und dienende Wort. JHWH ist also exklusiv und universell zugleich, eine Art „Wüstengott“, der Nomaden, Pilger und Fremdlinge liebt und nicht menschliche Herrschaft und Macht.
Miskotte setzt auch Offenbarung und Gegenwart Gottes von unserer natürlichen Welt ab, denn das Heil Gottes lässt sich nicht von der Schöpfung ableiten, sondern umgreift sie. Dazu schreibt er auf Seite 187: „In der Schrift geht es... um eine existenzielle Offenbarung... Diese Offenbarung... ist Erfüllung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Erfüllung der Zeit. Gott „ist“ nicht „da“ wie der Kosmos und der Mensch „da sind“, wir können ihn nicht in einem allgemeinen Weltbild unterbringen... Eben diese „Grundlosigkeit“ ist es, die im AT so beunruhigend und faszinierend zutage tritt. Wo kommt JHWH plötzlich her? Alleine von der Mitte aus kann man auf den Anfang zurückblicken, um ihn von da aus „Schöpfung“ zu nennen, und vorausblicken kann auf die Endzeit, um sie von da aus das „Reich“ zu nennen.“
Miskotte, der profunde Sprachkenner, macht darauf aufmerksam, dass die Sprache des AT keinen speziellen Begriff für unser Wort „denken“ hat, ebenso ist „hören“ zugleich „tun“, „nicht-tun“ also ein „nicht-hören“. Da kommt wieder Barth zum Zug mit der Aussage: „Gottes Sein ist in der Tat seiner Liebe“.
Die Schöpfung hat Israel stets als ersten Akt der heiligen Geschichte verstanden. Deshalb muss jeder, der darin lebt, davon reden. Er geht von der Naivität des Betrachtens über zur tieferen Kindlichkeit des Erzählens. Die Erzählung muss verkündet werden, dabei geht es im Kern um die Taten des Herrn. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind Attribute von Gottes Handeln. Die Bibel ist im wesentlichen eine Erzählung und trägt die Wahrheit, die Tat Gottes, weiter. Gott offenbart sich in seinem Kommen: „Doch nicht das Neue Testament ist die Realisierung, sondern die Offenbarung selbst ist es, das fleischgewordne Wort, die ewige Tat, die ewige Zeit der Gnade, durch welche Gott nach seinem ewigen Ratschluss uns mit sich selber versöhnt hat.“ (S. 215)
Gottesnamen: der Name sagt das jeweils Entscheidende. Der Eigenname, JHWH, bestimmt den allgemeinen Namen, Elohim, der in Wahrheit vielmehr für einen Beinamen zu halten ist. „Der Allmächtige“ kommt als Name im ganzen At nicht vor, auch wird er nicht so gelobt, obwohl Gottes Allmacht erkannt und bekannt werden darf als Macht dieses bestimmten menschlichen, menschwerdenden und mit der Menschheit sich vereinigenden Gott.
· JHWH Zebaot: hat kosmische Reichweite, denn er ist immer umwogt von Millionen von Seraphim und Cherubim.
· El Schadday: bedeutet Gott vom Berg, Götterberg oder Weltenberg und meint, dass Gott Macht ausübt und so mein Beschirmer ist.
· JHWH Zidkenu: ist Gott, der für uns die Dinge und der uns selbst zurechtbringt.
Gott ist gross, aber nicht absolut, Gott ist offenbar, aber nicht begreiflich. Daher heisst „Ich bin Gott und sonst keiner“ ausser Gott ist nichts, das Wesen und Wert hat, nichts, das helfen könnte und Hoffnung gäbe. JHWH ist gut, indem er der grosse Befreier ist. Bei ihm zu sein, ist ein Gehen, ein Aufstehen aus dem niedergesunkenen Stande der Natur oder Sitte, um im Fortgang der Tage und der Taten tätig bei ihm, dem Befreier, zu bleiben. Die gnädige Präsenz des Lehrer aus der Höhe wirkt fort.
Miskotte möchte auch den Rabbinismus rückgängig machen, weil der gnostische Züge angenommen hat. Er sagt ab Seite 237: „Der Pentateuch ist nicht das Ganze, er kommt ohne prophetische Interpretation nicht zum Klingen. Gesetzliche Teile (sollte man) nicht gegenüber Theophanie, den Zeichen und Wundern, isolieren, Ethisches nicht gegen Kultisches abwägen oder abschirmen... Von jedem Gebot haben wir zu Gott aufzublicken... Die Spitze des Dekalogs ist: Bleibt bei eurem Befreier mit der Tat. In der Thora ist nichts buchstäblich anwendbar, doch jeder Buchstabe hat Gehalt von Hinweis auf einen intimen Kontakt mit der gnädigen Präsenz des Lehrers aus der Höhe.“
Und weiter ab Seite 260: “Gott ist unbegreiflich, der eingeborene Sohn hat ihn uns erklärt... es kann für uns selber nur eine Sache des Staunens sein. JHWH muss auch der Verkannte, der Geschmähte, der erfolglos Werbende und Liebhaber, der Verworfene und Gehöhnte sein.“ Die Erfüllung ist in Verzug, der Gott Israels hält sich verborgen, es gibt eine niedrige Gestalt und verhüllte Präsenz Gottes. Glauben heisst hier für Miskotte, dass wir damit nicht zurecht kommen, aber dies akzeptieren.
Er plädiert für eine „besondere“ Gegenwart Gottes anstelle einer „Allgegenwart“. Das Liebesleben von Mann und Frau, das Geist und Leib umfasst, ist Abspiegelung der Liebe Gottes und Bild des göttlichen Bundes. So dringt geistliches Leben in die Realität, ins Sinnliche, ins Ganzheitliche und in die Fleischwerdung durch. Gott ist nach Israels Glauben eben so: willkürlich, „amoralisch“ in seiner Wahl, alles gebend und viel fordernd, eifersüchtig „el kana“, brennend, innig in seiner Umarmung und furchbar in seiner Abweisung. Und hier zitiert er Franz Rosenzweig aus dem Stern der Erlösung Seite 96: „Nur die Liebe des Liebenden ist diese jeden Augenblick erneute Selbsthingabe, nur er verschenkt sich in der Liebe. Die Geliebte empfängt das Geschenk; dies, dass sie es empfängt, ist ihre Gegengabe, aber im Empfangen bleibt sie bei sich und ganz ruhend und in sich selige Seele.“ (S. 272)
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