Samstag, November 29, 2008

Kastanienselven



Gleich neben der romanischen Kirche in Biasca gibt es eine der wenigen gut erhaltenen Kastanienselven im Tessin. Die Bäume der Edel- oder Esskastanie wuchsen früher nicht im Wald, sondern in einer Art "Garten", in der "Selve". Das heisst zwischen jedem Baum hatte es Weidefläche für Ziegen und Schafe, jeder Baum hatte genügend Raum zu Wachstum und Entfaltung. Die Bäume wurden gepflegt, die dürren Aeste wurden abgeschnitten. Schliesslich handelte es sich bei der Kastanie um den Brotbaum, von dem die ärmeren Leute bis vor etwa fünfzig Jahren im Tessin lebten. Man wusste, dass die Ernte eines ausgewachsenen Baumes eine Person durch den Winter bringen konnte. Ursprünglich hatten die Römer diese Baumart bis ins Tessin und an die Südalpen gebracht; ein Kastanienbaum kann bis zu vier Meter dick und 1000 Jahre alt werden! Solche Exemplare sind aber heute äusserst selten geworden, man findet sie höchstens an abgelegenen und unzugänglichen Südhängen bis 1000 Meter über Meer, wo sie über gute Wachstumsbedingungen vorgefunden hatten und auch noch nicht umgehauen wurden. Denn früher wurde alles verwertet: Früchte, Blätter und schlussendlich das sehr beständige, zähe und wertvolle Holz für Balken, Zäune und Möbel. Aehnlich wie bei den Aepfeln gibt es unterschiedliche Sorten, die "Marroni" ist die beste davon, die dann über dem Feuer gebraten wurde. Die Früchte wurden im Oktober mittels Netzen geerntet und ins Dorf getragen. Dort wurden sie erlesen und die meisten wurden im "Ofenhaus" über Rauch getrocknet und so haltbar gemacht. Danach wurden sie zerschlagen und gemahlen, so erhielt man Kastanienmehl. Heute wird es noch in kleineren Mengen hergestellt und ist in Drogerien oder Spezialitätenläden erhältlich. Es ist beliebt gerade auch bei Weizenmehlallergikern, enthält es doch hauptsächlich Kohlenhydrate und viele verschiedene Mineralstoffe.

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