Montag, Dezember 01, 2008

Miskotte: Wenn die Götter schweigen


Einer meiner Lieblingstheologen, den ich zurzeit mit Gewinn lese, ist der holländische Autor Kornelis Heiko Miskotte. Er hat in den Sechzigerjahren ein überzeugendes Werk mit dem Titel: " Wenn die Götter schweigen. Vom Sinn des Alten Testaments" geschrieben. 1966 erschien es im Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh. 1995 wurde es durch Hartmut Spenner in D-45731 Waltrop neu aufgelegt (mit der ISBN 3-927718-66-1).

Kornelis Heiko Miskotte lebte von 1894 bis 1976. Er studierte 1914-20 in Leiden Theologie. Von 1921-45 war er Pfarrer in verschiedenen reformierten Gemeinden in Holland. Er war aber vermutlich mehr Denker und Literat als Pastor, denn das Leben als Pfarrer muss ihn ausgelaugt haben. Inspiration erhielt er aber durch Franz Rosenzweig und dessen Werk „Stern der Erlösung“ (1921) und durch Karl Barth und dessen „Römerbrief“ (1922). Von Karl Barth war er wesentlich beeinflusst und ab 1928 bis zu dessen Tod 1968 befreundet. Der Briefwechsel zwischen ihnen wurde später veröffentlicht. Barth bezeichnete Miskotte als „Seher und Dichter“ unter seinen Freunden. 1945-59 war Miskotte Theologieprofessor in Leiden. Er war verheiratet und hatte Kinder, wobei er seine erste Frau und eine Tochter recht früh durch eine tragische Lebensmittelvergiftung verlor.

Miskottes Hauptwerk wurde 1966 auch in Deutsch veröffentlicht. Sein Anliegen war es, die Einzigartigkeit, den Gehalt und Sinn des Alten Testaments aufzuzeigen. Darin ist Gott, der sich als „JHWH“ offenbart hat, im Mittelpunkt. „JHWH“ ist sein Name und sein Wesen zugleich. Er wird aber weder beschrieben (S. 139) noch erklärt, sondern im Handeln mit Israel erkannt, in Christus bezeugt und später durch die Worte der Bibel verkündigt. Bereits im Alten Testament ist „JHWHs“ Herabneigung und Menschenliebe enthalten: Er bestimmte und bereitete sich selbst, mit den Menschen zu sein (Seite 118) und hat wahrhaft menschliche Natur angenommen (Seite 136).
Die „Haggadisch“, die nachbiblische jüdische Lehre sah sieben präexistente Dinge vor der Schöpfung:
1. Thora
2. Thron Gottes
3. Patriarchen
4. Volk Gottes
5. Tabernakel
6. Name des Messias
7. Theschuba (was Antwort oder Umkehr bedeutet)

JHWH“ bezeichnet Miskotte als der unaussprechliche Name (S. 127). Er sei
1. kein israelitischer Name, wobei er darauf hinweist, dass dies umstritten sei
2. ein namenloser Name
3. ein Eigenname, um sich von der Welt der Götter zu unterscheiden
4. ein unübersetzbarer und unbegreiflicher Name

Miskotte setzt sich und den jüdisch-christlichen Glauben auch deutlich von der natürlichen Religion ab. Deshalb sagt er auf Seite 141 eher kritisch-negativ: „Heidentum ist identisch mit der Religion, die uns Menschen von Natur eigen ist. Das Griechische nämlich ist das geläuterte Klassisch-Menschliche; wir sind damit durchtränkt, und darin sehen wir... unseren europäischen Vorzug... antikes Lebensgefühl enthält ordnende und reinigende Kräfte, die wir stets mit erneuter Dankbarkeit annehmen dürfen.“

Um den Sinn des AT zu verstehen, sagt Miskotte zur jüdischen Einteilung folgendes:

1. Die „Thora“: ist eigentliche Basis, weil sie das Zeugnis von Gottes sich kümmern ist. Es ist ein „tragbares Heiligtum“, die heilige Lehre, Unterweisung für das erwählte Volk, denn Gott spricht inmitten des Schweigens der Götter. Sie lehrt uns beständig, die Gabe und die Aufgabe des Bundes betrachten; sie ist ein vorausgreifendes Geschehen: kommt von einem Geschehen her und richtet sich wieder auf eines. In der Thora ist nichts buchstäblich anwendbar, doch jeder Buchstabe hat Gehalt vom Hinweis auf einen intimen Kontakt mit der gnädigen Präsenz des Lehrers aus der Höhe. Die Spitze des Dekalogs ist: „Bleibt bei eurem Befreier mit der Tat!“ (S. 248)
2. Die Profeten rufen zur Erkenntnis des Bundes und des Gebots zurück. Der Profet ist Sprecher des konkreten Gotteswortes, er ist autoritativ und gleicht Gott in der Plötzlichkeit und Ueberraschung. Er leidet mit Gott, der verachtet, verworfen und dessen Bund geschändet wird. Im Profeten drückt sich das „Nomadische“, das souverän Freie, an JHWH aus (S. 290)
3. Die Schriften zeigen wie die Gemeinde auf Gottes Eingreifen reagiert hat


Er plädiert dafür, dass wir Gottes Allgegenwart von seiner besonderen Präsenz her verstehen, seine Allmacht von seiner besonderen Heilsmacht des Namens und Gottes Reich von seiner besonderen Herrschaft. „JHWH“ lasse sich nicht aus der Natur erkennen oder ableiten. Denn „Er“ ist primär der, der Israel in der Geschichte bei der Hand genommen und den Bund gestiftet hat, sekundär ist er auch der Bereiter des Raumes, in der die Geschichte stattgefunden hat. Es gebe keine allgemeine Moral und sittliche Weltordnung, denn das Gesetz begegne einem nirgends anders als im Wort. Der Wille JHWHs muss man hören und vernehmen, der Sinn ist:
1. beim Befreier (Israels) bleiben 2. die eigene Erwählung realisieren 3. sich nicht seiner Fürsorge entziehen 4. sich in Widerlegung des natürlichen Strebens schicken.
Dabei bedeutet Gnade Freispruch oder gemeinschaftsstiftende Gunst (Seite 161).

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