Sonntag, April 20, 2008

Zur Aerchologie des Korans

Zur Archäologie einer Heiligen Schrift. Ueberlegungen zum Koran vor seiner Kompilation.“ Ein Beitrag von Angelika Neuwirth auf Seiten 130-145. Diese Forscherin benennt zuerst drei umstrittene Koranthesen der letzten 35 Jahre. Sie stammen von Günther Lüling, John Wansbrough und Christoph Luxenberg. Lüling behauptete 1974, dass der überlieferte Koran auf christlichen Hymnen in arabischen Dialekten basiere. Später wurde er von Unbekannten umgeschrieben. Wansbrough meinte 1977, dass Kodifizierung und Kompilation erst im 9. Jh. durch südirakische Gelehrte stattfand. Das islamische Geschichtsbild sei ein Konstrukt. Luxenbergs These im Jahr 2000 war, dass der Koran ein aus dem Syrischen in unfertiges Arabisch übersetztes Lektionar mit kirchlichen Elementen sei. Er bestehe also aus einer syrisch-arabischen Mischsprache.
Allen Thesen gemein sei, dass einzelne koranische Texttypen ausgeblendet werden müssen. Es gebe aber kein Interpretationsmonopol, da es auch verschiedene Textsorten im Koran gibt. Neuwirth plädiert dafür, den Koran als situationsgebundenen, kanonischen Kommunikationsprozess zu begreifen. Er sei die Hälfte eines Dialogs, Gesprächs oder Streitgesprächs zwischen Sprecher und Gemeinde. Die Begründung findet sie vorwiegend in den mittelmekkanischen Suren, wie der 15: biblische Erzählungen sind umgeben von dialogischem Gotteslob, Apologetik, Polemik oder Tröstung. Das entspricht einem frühchristlichen Gottesdienstaufbau. Später sind Texterweiterungen dazugekommen, die medinischen Zusätze stellen eine Weiterentwicklung dar. Belegt wird dies mit Suren 7 und 20, die Erzählungen über Mose zum Inhalt haben, aber gegenüber der Tora theologisch ergänzt sind. Ramadanfasten lasse sich aus Yom-Kippur-Fasten ableiten.

Der globalisierte Koran. Moderne Selbstbegründungen“ Ein Gespräch mit Reinhard Schulze auf Seiten 146-158, worin er meint: Der Koran enthalte wenige, unabänderliche Rechtssetzungen, die zu gesellschaftlichen Verfassungen führen. Der erste Koran wurde erst 1802 im russischen Kazan gedruckt. Später hat sich der Standardtext der Kairiner Ausgabe durchgesetzt. Ab 1926 wurde damit das individuelle, private Lesen gefördert. So wurde der Koran zum Hintergrund und Referenzrahmen für politische Manifestationen, denn alles in ihm ist Wort Gottes, also göttlicher Text par excellence.

Zurück in die Zukunft. Korankritik in der europäischen Diaspora.“ Ein Gespräch von M. Briefs mit Soheib Bensheikh auf Seiten 159-170. Bensheikh ist Mufti von Marseille, als liberaler Moslem steht er auf der Todesliste der GIA. Er macht auf den enormen sozialen und religiösen Druck in vielen islamischen Länder aufmerksam. Dabei bezieht sich Tod bei Religionswechsel auf einen einzigen Hadith.

Den Koran neu denken. Für eine humanistische Hermeneutik.“ Ein Beitrag von Nasr Hamid Abu Zaid auf Seiten 171-193. Er versteht den Koran als polyphone Diskurse. Es gibt Ich-, Du-, Er- und Wir-Stimmen darin, die auf einen impliziten Dialog schliessen lassen.

Reaktionen und Reaktion. Christoph Luxenberg über die Rezeption seine Forschungsergebnisse zum Koran auf Seiten 194-206. Er weist nochmals auf wichtige Punkte seiner Forschungen hin und hält thesenartig fest:
· Aramäisch wird heute nur noch an wenigen Orten in der Türkei, Syrien und im Irak benutzt
· Aramäisch sei älter als Arabisch
· Arabische Sprachentwicklung ist unerforscht
· es gibt kein etymologische arabisches Wörterbuch.
· In Europa wurde Arabisch (und Persisch) in den zwei letzten Jahrhunderten romantisiert und mystifiziert
· Es gibt kein arabisches Buch zwischen 632 (Tod Mohammeds) und 880
· Koran sei missverstandene Grundschrift durch Korankommentatoren

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