Joseph-Marie Verlinde: Die verbotene Erfahrung - Vom Ashram ins Kloster
Dieses unauffällige Buch ist im Unio-Verlag im deutschen Fremdingen 1998 erschienen unter der ISBN-Nummer: 3-935189-12-5. Jospeh-Marie Verlinde wurde 1947 in eine belgische katholische Familie hineingeboren. Er studierte analytische Chemie an der Universität Gand/Gent, wo er 1971 in diesem Fach dissertierte. Bereits 1969 lernte er die Transzendentale Meditation TM kennen, die von Guru Maharishi Mahesh Yogi begründet wurde und in der vedantischen Tradition des Hinduismus steht. Neben seinem Beruf als Chemiker praktizierte er mediale Naturheilkunde und besuchte seinen Guru dann auch in Indien. 1974 stieg er nach fünf Jahren aus und kehrte nach Europa zurück. 1976-1978 besuchte er ein katholisches Seminar in Avignon, und 1978-1982 absolvierte er die Gregoriana in Rom. 1983 liess er sich in Mont-Rouge, dem Ort des heiligen Josefs, zum Priester für die Diözese Montpellier weihen. 1985-1987 studierte er weiter an der Universität in Lourain, und 1991 wurde er Mönch. Verlinde beschreibt verständlich, nachvollziehbar und lehrreich in diesem persönlich gefärbten Buch seinen Lebensweg. Dazu gehören sein Einstieg in die Transzendentale Meditation, seine Erfahrungen, insbesondere mit Yoga, und seinen Ausstieg aus dieser Bewegung. Prägnant und sehr schön sind auch seine Formulierungen zur Gottesbeziehung und christlichen Spiritualität. Auf Seite 44 nennt er das Hauptziel von Yoga, nämlich „Das spirituelle Sein von den Elementen der materiellen Natur befreien und reinigen.“ Verlinde legt auf Seite 66 dar, dass es mehr als nur eine Mystik gebe. Ausgangspunkt sei der Durst nach dem Absoluten, der bei aller Mystik gleich sei, aber dann gehen die Wege und Erfahrungen bald auseinander. Er unterscheidet die (übernatürliche) Transzendenzmystik und die Immananzmystik, die Seinsmystik, die von Mircea Eliade „Enstase“ genannt wurde, womit „ein ganz in sich versunken sein“ gemeint sei. Im innersten dieses Wegs, der mit rigorosem Yoga erreicht wird, sei kein Platz für Gnade und Gott. Der französische Pater Jules Monchanin sagte, dass nur wenn der Hinduist seine Gleichung atman gleich brahman verwerfe, könne Christus bei ihm Eingang finden. Auch buddhistische und christliche Nächstenliebe seien nicht deckungsgleich, weil Buddhisten kein Ich wirklich kennen, achten und lieben können, da es Illusion sei. Liebe sei in östlichen Religionen Hilfsmittel zum Leben, während es im christlichen Westen Lebensziel war, was Gottesverständnis und Menschenbild stark beeinflusst hatte. Die Übernahme östlicher Praktiken und Techniken durch den Westen verstärke nur dessen aktuelle Identitätskrise. Transzendentale Meditation machte Verlindes Wahrnehmung zwar intensiver, aber sie füllte seine innere Leere auch nicht aus (Seite 94). Nach ihm gibt es kein christliches Yoga, wie es ja auch kein hinduistisches Gebet gebe. Denn Körper- und Atemübungen allein seien noch nicht Yoga (Seite 124). Nach seiner Rückkehr zum christlichen Glauben beschreibt er Gott so: „Er ist zarter Tau und verzehrende Flamme, rücksichtsvolle Mutter und fordender Vater, zärtlicher Geist und zweischneidiges Schwert“ (Seite 103). Gnade bedeute, dass Gott sich in Freiheit uns zuwende. Daher heisse Glauben den Liebesbund eingehen, den Gott uns ungeschuldet anbietet, an seinem Herz zu ruhen, und alles zu tun, um dort zu bleiben. Gebet dagegen sei Schluchzen des Herzens, das von Glut der göttlichen Liebe in Brand gesetzt ist. Therese von Lisieux sagte es so: „Gebet ist ein Dialog der Liebe mit Gott; ein freundschaftlicher Umgang mit dem, vom dem man sich geliebt weiss.“ Echtes christliches Gebet sei die Begegnung zweier Freiheiten, der unendlichen Gottes und der begrenzten des Menschen. Echte christliche Mystik sei ein Geschenk Gottes, das ich unwürdig mich fühlend empfange, jedoch keine Technik und schon gar kein Automatismus. Herychasmus, die einsame Sammlung, die unter dem Titel Philokalie publiziert wurde, die im 14. Jahrhundert im Bergkloster Athos (weiter)entwickelt wurde, sei keine Technik, sondern nur Methode des Jesusgebets. Die katholische Tradition sei schon immer der Ansicht gewesen, dass „Saatkörner des Worts“ sich in allen grossen religiösen Strömungen finden; diese warten alle auf die Offenbarung, sie bereiten sie vor und rufen nach ihr und werden in ihr ihre Erfüllung finden. Jede christliche Meditation ist grundsätzlich christologisch ausgerichtet. Für den Glaubenden ist Jesus das wahre Antlitz Gottes. In ihm ist uns die Liebe des Vaters offenbart, die uns zu Söhnen (und Töchtern) im Geist macht. Gotteserfahrung sei kein biblisches Thema, jedoch Gottes Suche nach dem Menschen, um ihm Liebe und Freundschaft zu schenken. Daher ist Glaube ein Gottesgeschenk, das ich erwidere. Geistlichkeit misst sich nicht an intensiven mystischen Erfahrungen, die habe oder nicht, sondern an Glaubensreife, Treue, Gehorsam, Bruder- und Nächstenliebe.



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