Donnerstag, Oktober 05, 2006

Der Westen, Papst Benedikt und der Islam

Seit dem 11. September 2001, den Karikaturen aus Dänemark und der Papstrede sind nun auch wir hier im Westen hellhöriger auf den radikalen Islam und seine Reaktionen geworden. Es hat etwas lange gedauert, bis wir entdeckt haben, welche Potenz im Islam steckt.
Papst Benedikt hat an der Universität Regensburg eine Vorlesung gehalten, die folgenden Titel trug: „Nicht vernunftgemäss handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider“. Das tönt eigentlich ganz gut, und Benedikts Rede, die inzwischen schriftlich vorliegt, verfolgt diesen Gedanken schön und folgerichtig. Es zeigt die Liebe und Zugewandtheit des Papstes zum christlichen Glauben und zur griechischen Philosophie auf. Das ist keine neue Erkenntnis und Ausrichtung, denn die Geschichte der katholischen Kirche ist geprägt von der frühchristlichen Synthese der biblischen Offenbarungen und der neo-platonischen Weisheit. Ein katholischer Theologe hat es plakativ so ausgedrückt: Alle Philosophien Europas sind Anmerkungen zu Platon.
Unter diesen Vorzeichen ist die Rede vom „vernünftigen“ Gott sehr gut verständlich, aber nicht die einzige christliche Antwort. Die starke griechische Prägung war und ist zugleich Folge der christlichen Entfernung von der jüdischen Herkunft, die schon bald nach dem Tod von Jesus eingesetzt hatte. Gott wird aber im jüdisch-christlichen Verständnis nicht primär durch Vernunft erkannt, sondern die einzige Chance ist die Offenbarung Gottes, die mit Abraham begonnen hatte und in Jesus Christus ihren Höhepunkt erreicht hat. Gottes Offenbarungen haben ein Hauptziel, die Menschen aufzusuchen und sie zu Gott zurückzurufen. Gott macht immer den ersten Schritt auf uns Menschen zu, weil wir trotz Vernunft nicht imstande sind, ihn richtig zu erkennen und zu würdigen.
Ob es da nicht angebracht wäre, wenn Christen auf diese Sichtweise aufmerksam machen würden?
Auch die Reaktion der Moslems ist vor allem in einem geschichtlichen Zusammenhang zu sehen: Der Islam war wahrscheinlich nie nur eine einzige Grösse, sondern immer geprägt von verschiedenen Strömungen und Richtungen. Ungefähr 1970 haben aber „fundamentalistische“ Gruppierungen, die vor allem in Arabien und Nordafrika beheimatet sind, den „reformistischen“ Moslems die Vorherrschaft abgenommen. Fundamentalistische Moslems, wie die Wahabiten, Salafiten und die Moslembruderschaft, wollen vor allem zurück zum ursprünglichen Islam, wollen leben wie ihre Vorfahren, die in Einfachheit geglaubt haben. Die Zerstörung der dekadenten westlichen Zivilisation und Kultur dient diesem Ziel und ist daher legitim. Zudem war im islamischen Selbstverständnis Glaube nie nur eine private Angelegenheit, sondern immer eine öffentliche, politische Sache. Es geht um Unterwerfung, territoriale Herrschaft und schlussendlich um Weltherrschaft. Das islamische Reich wurde von Anfang an durch Feuer und Schwert, den Heiligen Krieg „Jihad“ ausgebreitet. Es ist ein Reich von dieser Welt (nach dem Islamkenner Dr. Heinz Gstrein). Deshalb ist auch das Recht, die „Scharia“ viel wichtiger als die islamische Theologie, der Rechtskundige, der „Mufti“, bedeutender als der Vorbeter, der „Imam“.
Aus diesen Gründen scheint es mir wichtig, islamischen Reaktionen auf die Papstrede nicht nachzugeben. Freiheit des Glaubens und des Denkens sind ein zu wertvolles Gut im Westen, als das sie vorschnell aufgegeben werden sollten! Gleichzeitig müssen Bemühungen verstärkt werden, den Islam in seinen verschiedenen Ausprägungen besser kennen und einschätzen zu lernen.

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