Jesus in Aktion
Es geht weiter mit Klaus Berger. Er schreibt in "Jesus" auf Seite 385:
Der Exeget sollte die Sperrigkeit des sperrigen Textes verteidigen und dem "Hinbiegen" einen Riegel vorschieben.
S. 391: Jesus und die Gewalt – einige Thesen: Religion ist mehr als Moral; Moral ist eingebettet in sie und empfängt von ihr her Massstäbe. Dann können Zeichenhandlungen sinnvoll werden, die sonst "gemein" sind. Als Störung der Normalität weisen sie auf den hin, vor dem alle irdische Normalität nur zerbrechliches tönernes Gefäss in der Hand des Töpfers ist.
S. 393 Schalom heisst Frieden und bedeutet: es fehlt an nichts, keiner fällt unter den Tisch und er ist ganz und auf Dauer. ... Das höchste Gut ist Gerechtigkeit. Sie ist Bedingung des Friedens.
S. 398: Geduld ist nichts Passives, sondern behutsame, schonende, zärtliche Aktivität – kraftvolles Aushalten im vorschnell nicht Lösbaren. ...
Die Welt lebt von Menschen, die langmütig sind und langfristige Visionen verfolgen.
S. 406: Jesus allein, nicht alle Menschen sind Gottes Bild, so ist die Auskunft des Neuen Testaments.
S. 408: Stuhlbeinmodell: Viele Christen tun so, als genügte ein Stuhl mit einem Bein, nämlich dem Bein der Bibelzitate. Vier Beine heisst: Es gibt für jede Frage nach der christlichen Wahrheit vier Instanzen, die zu hören sind:
· 1. Bein: geborene Instanz, die Schrift; sie ist zu hören nach dem Prinzip der Loyalität, der freien Treue zum Text (vorurteilsfrei, nicht gesetzlich)
· 2. Bein: Verstehen und auslegen in der kirchlichen Tradition... Wir beginnen mit unserer Auslegung des Textes nicht beim Punkt Null. Wenn wir heute so gut sehen, dann darum, weil wir auf der Schulter von Riesen stehen
· 3. Bein: Sachkunde, Sachverstand
· 4. Bein: Plausibilität oder das, was daraus werden kann, also die mögliche Wirkung
S. 410: Im Neuen Testament geht es "monomanisch" nur um das Eine, um das Reich Gottes, um die Herrschaft Gottes und das heisst konkret: Um die Frage nach Gottes Willen, um Gerechtigkeit, um Gottes Gebot, um das, was Gott ganz konkret von uns will, nämlich Gehorsam und Gerechtigkeit. Und dieses steht einer selbstbezogenen, allgemeinen Entfaltung der Persönlichkeit direkt entgegen.
S. 414: Das Menschenbild der Bibel kennt freilich "Leibeigenschaft": Wir sind Besitz Gottes... Im Alten und im Neuen Testament wird das Verhältnis von Gott und Mensch gesehen im Sinne des Verhältnisses vom Herrn und Sklaven. Paulus sagt von sich, er sei "Sklave Jesu Christi".
S. 418: Die Wahrheit der Bibel ist von der Qualität von Wahrheit, wie sie in einer Liebesgeschichte aufscheint. In der Liebesgeschichte sagt man: Diese Frau oder keine. Und so geht es in der Bibel um diesen Gott oder keinen. Um diesen Jesus Christus oder keinen. Das Thema der Bibel ist Liebe und Geborgensein.
S. 421: Literalsinn ist der wörtliche Sinn und bewahrt gegen Verflüchtigung; Allegorischer Sinn weist auf Dogmatik hin; Moralischer Sinn auf Ethik; Anagogischer Sinn auf Hoffnung.
Nicht die (biblischen) Geschichten sollten wir kleiner machen, sondern uns selbst vor den Berichten, und das nennt man Demut.
S. 422: Bei der "Vergeistigung" der Wundergeschichten ... sind zwei Tendenzen bestimmend: eine traditionelle Geringschätzung des Leiblichen (ein neuplatonisches "nicht so wichtig") und die Feigheit, zum Aergernis zu stehen ("nicht zumutbar", "lehnen die Leute ab"). Beide Linien finden sich genauso ... bei der Eucharistie und bei der Auferstehung der Toten. Auch hier wird der Gehalt der Aussagen rein symbolisch gefasst. Die Folge ist eine nicht wieder gutzumachende Entfernung Gottes von der Welt, eine Art Neo-Deismus. Der Deismus suchte Gott bekanntlich dadurch zu retten, dass er ihn weit in den Himmel verbannte.
S. 424: Die Wundergeschichten sind eben nicht zu 100 Prozent umzusetzen oder zu aktualisieren. Sie bleiben stehen als erratische Blöcke und weisen nach vorne ins kommende Heil. Sie sind Zeichenhandlungen, die als Teil der Verkündigung Jesu immer Einblick in das ganze Vorhaben Gottes geben, aber eben nur als Teil.
S. 429: Die Nähe Gottes zu den Menschen äussert sich nach dem Neuen Testament zeitlich (Das Reich Gottes kommt bald), persönlich (Alle Menschen dürfen zu Gott Vater sagen), räumlich (Wo Jesus auftritt, ist das Heil) und eben auch biologisch (Heilungsgeschichten).
Keine dieser Dimensionen darf schamhaft verschwiegen werden. Auch in der Gegenwart ist das Christentum Heilungsreligion. Aber der Weg ist nicht direkt die Erlösung von der Krankheit, sondern die Versöhnung mit Gott und den Nächsten.
S. 430: Seelsorge ist immer Spiegelbild unseres Glaubens an Jesus. Wir haben uns daran gewöhnt, Seelsorge als Summe aus pastoraler Psychologie, Soziologie, Medizin und Organisationskunde zu betreiben … Nur der geheimnisvolle Rest verkommt unter dem Rätselwort „Spiritualität“. Dahinter verbergen sich zumeist die schlechten Gewissens zugegebenen Lücken persönlicher Frömmigkeit.
S. 431: Jesus ist fremd und gefährlich. Wer ihn vereinnahmt, nimmt der christlichen Religion ihre Strahlkraft und ihre notwendige Faszination. Christentum ist mehr als eine ganz vernünftige Sache, und Kirche ist zum allerwenigsten Teil dieser Gesellschaft.
Labels: Bibel, Christentum, Exegese, Friede, Geduld, Gehorsam, Gerechtigkeit, Liebe, Neues Testament, Reich Gottes, Religion, Theologie, Wahrheit, Wille Gottes
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