Gott verfügt über uns!
Ich möchte fortfahren Klaus Berger zu zitieren und alle einladen, seine Sätze zu bedenken.
Er schreibt in "Jesus" auf Seite 308: Oder Gott lässt das Böse zu, weil er Besseres mit uns vorhat, so wie es mit Jesus und Lazarus in Johannes 11 war. Vielleicht soll unser Glaube mündig werden, erwachsen werden, sodass wir mit Jossel Rakover aus dem brennenden Warschauer Getto von 1944 sagen: "Ich glaube an dich, dir zum Trotz. Ich sterbe als von Gott Verlassener, auch wenn ich unerschütterlich an dich glaube."
Ist der Sinn des Leidens auch der, dass wir klagen lernen, dass unser Glaube nicht mehr naiver Kinderglaube bleibt, sondern in "die Trotzphase" kommt, die zum Erwachsenwerden notwendig ist?
Dann auf Seite. 312: Wo immer der Mensch sich selbst zur letzten Instanz macht, sich selbst zum Herrn des Lebens erklärt, sich selbst vergottet – da entsteht namenlose Barbarei. Der Glaube an den einen und einzigen Gott, den Schöpfer des Lebens und den Vater Jesu Christi ist daher absolut notwendig. Die absolute Herrschaft Gottes und die daraus folgende Entmythologisierung aller Menschenherrschaft ist das Geschenk des Glaubens an die Welt. Jede Alternative ist fürchterlich.
Auf Seite 325: Schätze im Himmel sind nicht ausgeübte Gewalt, nicht geltend gemachte Besitzrechte und nicht durchgesetzte Ansprüche (=freiwilliger Verzicht auf Erden, loslassen, vergeben).
Seite 327: "Sedaqah" (hebr.) bedeutet dem andren das Zusammenleben ermöglichen (Konvivenz, lat. convivium bedeutet Mahl)
Seite 334: Die positive Seite der Botschaft (Jesu) lautet: Werdet Gott ähnlich in seiner Schöpferfürsorge, Feindesliebe und Barmherzigkeit. Bleibt ihm um Gottes willen unähnlich in seiner Rolle als Richter und als der, der alles in Ordnung bringt und irdische Vaterschaft für sich reklamiert. Masst euch in dieser Hinsicht, also in Bezug auf die letzten Dinge, nicht Gottes Kompetenz an. Hier gilt es genau zu unterscheiden: Seid Gott ähnlich – bleibt ihm unähnlich, lässt ihm seine Heiligkeit, aber eifert ihm nach in seiner Liebe.
S. 343: Glaube ist biblisch gesprochen immer Anteilhabe an der Stabilität Gottes ... Glaube ist Anschluss an die Macht Gottes und darum in jedem Falle heilend. Glaube ist mehr als subjektives Vertrauen. Er ist objektive Teilhabe an der lebendig ordnenden Festigkeit Gottes. Glaube stellt den Menschen wieder her, da er jetzt dank Gottes Nähe ein geheiltes Kontrollzentrum besitzt ... Der Glaube heilt, weil im Blick auf Gott – und nur so – der Mensch seine Ordnung wieder-findet. Weil der Glaube durch Jesus hindurch auf Gott gerichtet ist, ist er in jedem Fall in dem hier beschriebenen Sinn rettend ... Rabbuni (aram.) bedeutet Mein Lehrer/Herr (Mk 10,51 & Jo 20,16) und ist deckungsgleich mit Kyrie (griech.)
S. 347: Ehrlichkeit im Umgang mit der Radikalität Jesu würde bedeuten: Wir verzichten auf ermässigende Manipulation der Texte. Wir stellen fest, dass diese Texte gelten und dass nur unser Herz oft nicht heiss genug brennt. Wir betrachten dann die Texte nicht als Gesetz, sondern als Herausforderung, sich immer mehr auf Gott einzulassen. Gott trägt uns dann auch durch.
S. 351: Aus den Bilder des Neuen Testaments jedoch spricht zum allerwenigsten Vernunft und Moral, sondern eben der lebendige, nicht einmal moralisch vereinnahmende Gott...
S. 352: Aber in der Religion ist Kant am Ende.
Moralisch ist:
- wenn jeder zu seinem Recht kommt
- jeder hat unveräusserliche Rechte
- angemessene Bezahlung, Urlaub, Freizeit und Eigenheim
- Menschenrechte und freie Gewissensentscheidung
- Toleranz
- Mein Bauch gehört mir
- Bloss keine Opfer!
Christlich ist:
- durch Leiden wurde die Welt erlöst
- wenn einer auf sein Recht verzichten kann
- mutig auch Unangenehmes fordern
- ohne alles auskommen, wenn es denn nötig
- Gott, der ruft und überfällt, der verstockt und Menschen als seine Instrumente einfordert und gebraucht
- ich gehöre Gott, inklusive meines Bauches. Auch ein behindertes Kind tragen wir Eltern gemeinsam
S. 359: Wer radikal Jesus nachfolgt, ist eben deshalb geborgen, weil er die menschlichen Sicherheitssysteme kappt und sich ganz auf Gott verlässt, der ihn trägt und in die Arme schliesst.
S 369: Das Wort Mystik kommt ursprünglich von myein, "die Augen schliessen". Hätte das Wort nicht einen Bedeutungswandel durchgemacht, dürfte man im Christentum nicht von Mystik sprechen. Das Christentum ist die Religion nüchterner Wachheit. Wegtauchen, Desensibilisieren ist nicht erlaubt. Dagegen sollten wir die Augen öffnen, um Gott und den Nächsten als Gegenüber wahrnehmen zu können – und so auch uns selbst zu gewinnen und eben gerade nicht loszuwerden. An diesem Punkt haben wir auch das klare Unterscheidungskriterium, das christliche Meditation von ostasiatischer Meditation unterscheidet: Das eine ist konzentrierteste Wachheit und intensivste Wahrnehmung von Wirklichkeit, das andere Entselbstung, Aufgehen des Individuums im All-Einen. ...
Was Jesus in den Gleichnissen der Evangelien einfordert, ist so radikal, so anspruchsvoll, dass man – im Blick auf seine schwachen Kräfte – manchmal am liebsten die Segel streichen würde. Im Alten Testament, im Buch Hiob, findet sich ein Text, der diese seelische Grundbefindlichkeit des Christen vor der Ungeheuerlichkeit des Geforderten gut zum Ausdruck bringt. Im Licht des Evangeliums wird dieser Text (Hi 14,1-6) daher zu einem Stück Evangelium.
S. 373: So ist das Wichtigste nicht der Kontrast zwischen deiner Grösse und unserer Schuld, sondern dass wir mit dir darüber sprechen können und dankbar sein dürfen für jedes Weggucken. So kannst du uns vor dir selbst schützen. Weil du so wegsehen kannst, bist du stärker als unsere Schuld. Denn es ist ja schon erwiesen, dass deine Güte grösser ist als aller Abgrund. Nur deshalb und unter dieser einzigen Bedingung ist reiner, kindlicher Jubel noch immer der einzige und absolute Sinn unseres Daseins.
Labels: Bibel, Böses, Christentum, Exegese, Glaube, Gott, Jesus Christus, Meditation, Mystik, Religion, Theologie
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