Lukas 15 ist das Evangelium im Evangelium
Das Lukasevangelium zeichnet sich dadurch aus, dass die Menschwerdung Gottes in Jesus sehr eindrücklich beschrieben wird. Gott wirkt durch seinen Geist an, in und mit den Menschen, gerade an Frauen, die damals nicht viel zählten. Menschliche Erfahrungen und Empfindungen wie Schwangerschaft und Geburt, Barmherzigkeit und Freude werden intensiv und detailliert beschrieben (siehe Kapitel 1).
Die Gleichnisse, die Lukas aufgezeichnet hat, zeigen vor allem das Wesen Gottes: Er ist ein barmherziger Vater, der das oder den Verlorenen sucht! Er sehnt sich danach, dass alle Menschen bei ihm ganz Zuhause sein können mit ihrem unterschiedlichen Erleben und Empfinden.
Gleichnisse waren die übliche Erzählform von damals. Sie haben aramäische Sprache und ländliche Lebensweise in Galiläa als Ausgangslage und Hintergrund. Es sind ausgebaute Vergleiche, bei denen eine Geschichte oder ein Bild für die eigentliche Sache, die geistliche oder himmlische Wahrheit steht. Gleichnisse sind an drei verschiedene Adressaten gerichtet: an die Jünger, an das Volk oder an die Pharisäer. Das Beachten der Adressaten ist wichtig, damit wir nicht falsche Schlüsse ziehen.
Gleichnisse sind zudem sprachliche Waffen, denn das Gegenüber kann schockiert und zur sofortigen Reaktion herausgefordert werden (frei nach Joachim Jeremias).
Gleichnisse sind auch ein Weg, um zu Menschen in "Trance", im Sinne von Verblendung, Fixiertheit und Verstockung zu sprechen; Menschen, die eigentlich sehen und hören können, es aber trotzdem nicht tun (nach Clarence Thomson).
Noch etwas zu den Titeln/Ueberschriften der Gleichnisse: Es sind immer menschliche Zusätze, die eine bestimmte, oft eine einseitige Sichtweise wiedergeben. Ueblich ist „Das Gleichnis vom verlorenen Sohn“ (Zürcher Bibel). Das finde ich etwas verkürzt, da eigentlich beide Söhne verloren waren. Und in der Hauptaussage geht es vermutlich noch mehr um den Vater! Einige Beispiele: - Der Vater und seine zwei Söhne (Gute Nachricht)- Verloren und wiedergefunden (Neue Genfer Uebers.)- Heimkehr der Verlorenen (Uebertrag. von Jörg Zink)- Der wartende Vater (Floyd McClung)- Das Gleichnis von der Liebe des Vaters (H. Nouwen)- Gott bietet sich als guter Vater an (Urs Scherrer) Ueberlegen Sie sich, wie Sie dieses Gleichnis benennen würden? Das sagt viel über Ihre Gottesbeziehung und Selbsteinschätzung aus!
Jedes Gleichnis hat eine oder mehrere "Pointen", einen springenden Punkt. Klaus Berger, der deutsche Theologe schreibt in seinem Buch "Jesus" auf Seite 238 dazu: Das Gleichnis (vom verlorenen Groschen in Lukas 15,8-10) handelt aber von Gott. Im Bild dieser Frau steht seine närrische Suche im Zentrum, seine, Gottes wahnsinnige Freude. Denn er, der Herr der Welten, ist auf der Suche nach jedem verlorenen kleinen Menschen. Er kehrt das Haus um, auf dass er den Letzten finden kann. Die normale Weltordnung ist hier verkehrt worden: Nicht wir müssen Gott suchen, den mächtigen und barmherzigen, sondern er sucht uns. Verzweifelt fast, um jeden Preis. Und wer sein Haus umkehrt, um einen Groschen zu suchen, der tut es auf Knien. Nicht wir knien hier, sondern Jesus schildert hier Gott auf Knien. Ein merkwürdiger Gott – versteht der denn gar nichts von Würde?
Im Gleichnis vom Vater und seinen Söhnen sehe ich drei zentrale Pointen:
1. Der Vater geht auf die Unverschämtheit des jüngeren Sohnes ein und lässt ihn ziehen: „Vater, gib mir den (mir) zukommenden Teil der Habe!“ Im Klartext von damals heisst das: Vater, ich möchte, dass du bereits tot wärest, damit ich mein Erbe erhalte. Eine solche Aussage war empörend, denn alle hatten Ehrfurcht vor alten Menschen und ihrem Vater, der bis an sein Lebensende über seine Familie zu bestimmen hatte. „Er aber teilte ihnen das Vermögen zu.“ Auch das war nicht denkbar damals, dass ein Vater vor seinem Ableben seinen Besitz verteilt hätte. Doch hier tut er es, er hält nicht an seiner Ehre, seinen Vorrechten fest, er lässt sich demütigen und erniedrigt sich selbst!
2. Der Vater empfindet Erbarmen für seinen heruntergekommenen Sohn und geht ihm entgegen: „Aber er war noch weit entfernt, (da) sah ihn sein Vater und empfand Erbarmen und (kam) gelaufen. Er fiel um seinen Hals und küsste ihn.“ Nachdem der Vater den unmöglichen Wünschen seines Sohnes nachgekommen war, waren keine Vorwürfe, kein Groll, keine Rache in seinem Herzen, sondern Sehnsucht nach dem Sohn. Dieser Sohn gehört trotz allem zu mir, ich habe ihn lieb! Die Vaterliebe ist stärker als Recht und unsere Vorstellung von Gerechtigkeit. Er hält Ausschau nach seinem Sohn. Als er ihn sieht, empfindet er Erbarmen oder Mitleid. Deshalb geht er ihm entgegen, fällt ihm um den Hals und küsste ihn. Er setzt ihn wieder ein als Sohn mit allen Zeichen, die damals dazugehörten: das schönstes Kleid, ein Ring und Sandalen. Und dann wird ein fröhliches Festmahl gefeiert!
3. Der Vater geht auch zum älteren Sohn und bittet ihn: Es gibt zwei verlorene Söhne in diesem Gleichnis. Der Vater kümmert sich um beide, er möchte beide fröhlich und glücklich bei sich haben. Hier kommen wieder die Adressaten, die Pharisäer, ins Spiel, denn sie benehmen sich wie dieser ältere Sohn: „(Es) näherten sich ihm alle Zöllner und Sünder, (um) ihn zu hören. Sowohl die Pharisäer als auch die Schriftgelehrten murrten (und) sagten: Dieser nimmt Sünder an und isst mit ihnen.“ Das gilt auch für uns: Egal ob du ein Sünder oder ein Frommer bist, Gott möchte dich lieben und in seiner Nähe haben. Sowohl Sünde als auch Frömmigkeit, Gesetzlichkeit und Rechtschaffenheit und die daraus entstehende Ueberheblichkeit trennen uns von Gott. Gott möchte, dass auch die Frommen ihre Verblendung einsehen und sich wie der Zöllner in Lk 18,13 benehmen: Aber der Zöllner stand von ferne (und) wollte nicht einmal die Augen aufheben zum Himmel, sondern schlug (an) seine Brust (und) sagte: O Gott, sei mir Sünder gnädig!
Labels: Begegnung, Beziehung, Bibel, Christentum, Familie, Glaube, Gott, Gottesbild, Kindheit, Menschenbild, Neues Testament, Parabel, Psychologie, Sohn, Spiritualität, Theologie, Vater, Zusammenleben
2 Comments:
Lukas 15
der Vater teilt aus,
Erbe, alles was er hat,
überlässt es seinen Kindern,
gibt, was er hat,
stillt Bedürfnisse seiner Kinder,
es ist genug für alle da,
teilt aus, ohne wertenden Blick,
überlässt es den Kindern, damit zu etwas zu machen.
Der eine, A, wurde aktiv, gib mir.., hat genommen, sich auf gemacht.
B, hat er nichts genommen? Er lebte in den Verhältnissen, wo seine Bedürfnisse
befriedigt, gestillt sind, zu Hause.
Wie lebt er, und merkt nicht, was er hat?
später:
"du bist! immer bei mir, dir gehört alles, was ich habe"
"du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein."
Hat B nicht mitbekommen, dass er was bekommen hat? Was er (bekommen) hat?
Hat nicht genießen können/ wahrnehmen können/ genossen, zu Hause zu sein, wie
gut es ihm geht, dass er zu Hause ist.
Was A wohl verprasst hat? Es ist ihm zwischen den Fingern zerronnen.
Bei der Rückkehr hat der Vater immer noch das Wesentliche zu verschenken: ein
offenes, liebendes Herz, welcome, mein Geliebter, komm heim, ruh dich aus,
sei einfach erst mal da, hier ist Raum für dich, lass uns eine neue Beziehung
aufbauen.
zu B:
Du hast hier gelebt, hast nicht in Anspruch genommen, was da war.
Du hast etwas gefordert und auch bekommen, was an deinem eigentlichen
Bedürfnis vorbei ging. Ich habe es dir gegeben.
zu A:
Schön, dass du jetzt wieder da bist! Jetzt komm erst mal an.
Und dann versuche mal, deine tiefsten Bedürfnisse zu erspüren, zu entdecken,
zu formulieren.
In mir / durch mich/ ich bin in der Lage, deine tiefsten Bedürfnisse zu
stillen.
Danke Friedgund! Das ist ja schöner formuliert als ich es vermochte...
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