Samstag, Oktober 18, 2008

Amsterdamer Schule

In den Sommerferien im August habe ich das informative, unaufgeregte Buch von Michael Weyer über die Offenbarung gelesen. Dort bin ich erstmals der „Amsterdamer Schule“ begegnet. Damit werden reformierte Theologen der Niederlande im 20. Jahrhundert bezeichnet, die bewusst unter jüdischem Einfluss standen. Dies galt im Speziellen für das Bibelverständnis und die Bibelwissenschaft. Denn Amsterdam war das sogenannte „Mokum“, in Hebräisch „Maqom Alef“, was der erste Ort bezeichnete. Amsterdam war für viele Juden nach der Vertreibung aus Spanien 1492 zur neuen, sicheren Heimat, zum „Jerusalem des Westens“ geworden. Das wurde 1942, als die Nazis sie aus den Niederlanden deportierten und vernichteten, unterbrochen.
Der wichtigste Vertreter war Kornelis Heiko Miskotte, der zuerst Pfarrer und dann Theologieprofessor in Leiden war. Er war ein Zeitgenosse von Karl Barth, mit dem er auch korrespondiert hatte und befreundet war. Zwei seiner Werke wurden auch ins Deutsche übersetzt:
· Wenn die Götter schweigen. Vom Sinn des AT. H. Stoevesandt München 1963
· Biblisches ABC: wider das unbiblische Bibellesen. Neukirchen 1976

Zum Bibelverständnis der Amsterdamer Schule: Es geht um die Dialektik Lesen und Hören:
· Literarisches Auge für den Text
· Theologisches Ohr für das Wort
· Hörend lesen, lesend hören und lernen
· Text zum Klingen bringen, so dass er sich vernehmen lässt und zur Ansprache wird (=hören)

Weiter sind folgende Prämissen und Punkte zu beachten:
· Die Vielfalt der Bibel weist viele innere Beziehungen auf
· Die biblischen Texte sind aus verschiedenen Elementen zusammengewachsen, trotzdem sind sich als organische Einheit zu begreifen (nach Buber)
· Wir werden immer im Defizit gegenüber dem Bibeltext bleiben
· Die Schrift wird in jeder Situation aufs Neue zu Menschen sprechen
· Gott spricht verstehbar durch biblische Texte
· Wir können die Schrift nur deuten, wenn auch die Schrift uns selbst deutet
· Der Text darf es sagen, er ist in seiner Endgestalt zu respektieren, er ist ein sinnvolles Ganzes, eine Einheit, auch wenn er zusammengefügt sein sollte. Er ist die Instanz, die unser Leben kritisiert. Durch ihn kommt Gottes Wort und Handeln zur Sprache.
· Die Bibel legt sich selbst aus und kritisiert sich selbst
· Der biblische Text in seiner Einheit ist wichtiger als jede Methode, das gilt auch für die historisch-kritische Methode. Denn es gibt keine wertfreie Interpretation!
· Jeder der Schulung durch die Schrift sucht, kann zugleich lernen und lehren
· Das Fächerübergreifende ist wichtig, das Gespräch zwischen den verschiedenen Richtungen

Herangehensweise:
· Vorläufige Uebersetzung
· Kontext und Parallelstellen
· Stilistische Erscheinungen hervorheben
· Subjekte (Wer?) und Gliederung
· Inhaltliche Fragen: Themen und Bedeutung
· Thesen
· Assoziationen und Anspielungen erkennen
· Was geschieht mit mir beim Schreiben, Lesen und Hören?
· Kommentare möglichst spät beiziehen, wenn überhaupt!

Quellen:
www.bibelwissenschaft.de/wibilex
www.bb-evangelisch.de

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