Freitag, September 30, 2016

Stanley Hauerwas und William H. Willimon: Christen sind Fremdbürger

Dieses Buch erschien bereits 1989 in den USA unter dem Titel Resident Aliens. Es wurden über 100.000 Exemplare davon verkauft, was für ein theologisches Werk sehr viel ist. 2016 erschien es im fontis – Brunnenverlag in Basel unter der ISB-Nummer 978-3-03848-075-4. Der Untertitel heisst: Wie wir wieder werden, was wir sind: Abenteurer der Nachfolge in einer nachchristlichen Gesellschaft Zu den Autoren: Stanley Hauerwas ist in Europa kaum bekannt, obwohl er 30 Jahre Professor für theologische Ethik an der Duke Universität in Durham (North Carolina) war. Er wurde 1940 im texanischen Dallas geboren, wuchs in einer methodistischen Arbeiterfamilie auf, wo er zum christlichen Glauben fand, studierte Theologie in Yale, lehrte an lutherischen, katholischen, methodistischen und reformierten Hochschulen und gehört heute zu einer episkopalen Kirche. William H. Willimon war Bischof einer Methodistenkirche in Alabama und ist Professor für praktische Theologie an der Duke Universität in Durham. Zum Buchinhalt: Das unscheinbare Buch mit seinen 252 Seiten hat es in sich. Wie im Titel bereits angetönt, betonen die Autoren, dass die christliche Kirche heute eine Kolonie, eine Insel des Glaubens inmitten einer Kultur des Unglaubens sei (Seite 12) und begründen diese Sicht mit guten Beispielen, tiefgründig und intelligent. Dieses Buch will hoffnungsvoll und nützlich sein zum Dienst in und an der „Kolonie“. Es ist weder liberal noch konservativ, sondern will wie die Autoren christuszentriert sein.
Rezension und Zusammenfassung: Dieses unauffällige Buch mit dem einfachen Titel „Christen sind Fremdbürger“ war eine Entdeckung für mich. In den USA ist es bereits vor 27 Jahren unter dem Titel „Resident Aliens“ erschienen und hat eine grössere Verbreitung gefunden und Wellen geworfen. Die Autoren, Stanley Hauerwas und sein Kollege William Willimon, sind Methodisten und Theologieprofessoren an der Duke Universität in Durham in North Carolina im Osten der USA. Während Hauerwas Ethiker ist, war Willimon Bischof in Alabama. Beide sind kirchlich eingebunden, was auch im Buch deutlich zum Ausdruck kommt. Sie verstehen die christliche Kirche aber hauptsächlich als eine Kolonie, die inmitten einer Kultur des Unglaubens existiere. Dieses Bild – zunächst eine Behauptung - wird anschaulich beschrieben und mit guten Beispielen illustriert. Seit ungefähr fünfzig Jahren befinden wir uns im Westen in der nachchristlichen Ära, der Glaube ist sehr individuell und zur Privatsache geworden. Die lange Epoche des „konstantinischen Christentums“ ist zu Ende gegangen. Es war eine Zeit in der Staat, Kultur und christlicher Glaube eng verwoben und zugleich dominierend waren. Viele Kirchen machen aber gleich weiter, als ob nichts geschehen sei. Sie drehen sich wie moderne Firmen um Kundenbedürfnisse, statt Menschen in den Leib Christi einzufügen. Der Nationalstaat in den USA und bei uns der Wohlfahrtsstaat haben sich praktisch an die Stelle Gottes gesetzt. Die meisten unserer sozialen Programme beruhen auf der Annahme, dass wir keinen Gott brauchen, um eine friedliche und gerechte Welt zu erschaffen. Der Unglaube zeigt sich in Selbstsucht, Selbsterhaltung und Selbsterfüllung, die durch die Konsumgesellschaft gut genährt werden. Schon Stanley Jones, der von den Autoren zitiert wird, hat prophetisch gesagt: Wir haben die Welt mit einer abgeschwächten Form von Christentum infiziert, damit sie über kurz oder lang immun wird gegen alle Formen echten Christentums. Der christliche Glaube dagegen ist abhängig von Gott, von seiner Geschichte mit uns Menschen. Er schickt uns auf eine atemberaubende Reise, die Nachfolge heisst, und hat ein Ziel, das uneingeschränkte Freundschaft mit Gott bedeutet. Diese Reise kann nur in Gemeinschaft gelingen, alleine ist sie kaum umsetzbar. Die Autoren erachten unseren Individualismus daher als Sackgasse und machen Mut Kirche als echte Gemeinschaft zu verstehen und zu leben. Das hat auch Auswirkungen für Pfarrer, deren Aufgaben und Ausbildung. Diese sei zu sehr darauf bedacht, dem einzelnen Menschen zu helfen, mit seinem Leben besser zurechtzukommen. Die Kirche sei ein Ort der Verehrung Gottes und nicht ein Therapiezentrum für die Stillung von undisziplinierten und unhinterfragten Bedürfnissen (Seite 177). Ein klug geschriebenes Buch, das wichtige Fragen stellt, prägnante Aussagen macht und mutige Orientierung bietet in unserer diffusen Gegenwart.

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