Sabine Bobert: Jesus-Gebet und neue Mystik
Seit einigen Monaten beschäftige ich mich vermehrt mit christlicher Mystik. Das hat vermutlich mit meiner Lebensmitte und der Ausschöpfung des diskursiven und kognitiven Zugangs zu Gott zu tun. Auf diesem Weg ist mir das äusserst informative und lesenswerte Buch von Sabine Bobert aufgefallen: Jesus-Gebet und neue Mystik. Grundlagen einer christlichen Mystagogik. (Verlag: Kiel Buchwerft Jahr 2010, 470 Seiten; www.buchwerft-verlag.de; ISBN-Nummer: 978-3-940900-22-7) . . . . . Etwas zur Autorin: Sabine Bobert wurde 1964 in Ostberlin geboren. Sie studierte Theologie an einem baptistischen Seminar, danach konvertierte sie zur evangelischen Kirche. Ab 1991 war sie zuerst Vikarin und dann Pfarrerin in Berlin. Sie promovierte mit einer Arbeit über Dietrich Bonhoeffer. Im Jahr 2000 war sie stellvertretende Theologieprofessorin in Marburg, ein Jahr später in Kiel. Sie ist Professorin für praktische Theologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Seelsorge, alter christlicher spiritueller Traditionen und postmoderner Spiritualität. Sie setzt sich dafür ein, dass die deutsche evangelische Messe wieder vollständig umgesetzt wird mit all ihren rituellen Handlungen. . . . . . . . . . . . . . . . Zum Inhalt: Sabine Bobert zeigt für mich zu Beginn ihrer Ausführungen eindrücklich auf, dass die akademische protestantische Theologie spirituelle Uebungswege, generell den Wert einer erfahrbaren Spiritualität heute neu kennen und vermehrt schätzen lernen muss und will. Bisher hat sie zunehmend auf säkulare Methoden der Sozialwissenschaften gesetzt, neu kommen religiöse Methoden, Symbole und Riten wieder stärker ins Blickfeld. Wenn wir weit genug zurückschauen, dann ist diese Entwicklung nicht neu, denn bis zur Scholastik war die Mystagogik, der Gottesdienstkult, die vorherrschende christliche Theologie. Im Westen haben jedoch die Scholastik, die Reformation, die Aufklärung und der Rationalismus die christliche Mystik und die geistlichen Uebungswege weitreichend marginalisiert. Im orthodoxen Osten war dies nicht geschehen, was Bobert als geistlichen Vorteil und Gewinn erachtet. . . . . Karl Rahner, der bedeutende deutsche katholische Theologe des 20. Jahrhunderts war ein Profet als er sagte: „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein...“. Auch der Wissenssoziologe Peter L. Berger machte mit seinen Büchern „Wiederentdeckung des Uebernatürlichen in der modernen Gesellschaft“ (1970 und „Der Zwang zur Häresie“ (1980) auf dieses neue westliche Phänomen aufmerksam. Sabine Bobert unterscheidet drei Hauptarten von religiösem (christlichem) Wissen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . · Autoritäres Wissen, das sich aus der Tradition ableiten lässt. Bekanntester Vertreter dafür im 20. Jahrhundert war Karl Barth . . . . . . . . · Negierendes Wissen, das aus Anpassung an den damaligen Zeitgeist des Materialismus und der Entmythologisierung entwickelt wurde. Rudolf Bultmann steht für diese Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · Erfahrendes Wissen, heute vorherrschend, das induktiv und individuell angeeignet wird. Die wichtigsten Personen dafür sind Friedrich Schleiermacher, Karl Rahner und Ulrich Beck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusätzlich gab bereits um 1900 und auch schon vorher alternative Religionsparadigmen in Europa. Zu erwähnen sind Emanuel Swedenborg 1688-1772, Franz Anton Mesmer 1734-1815 und Rudolf Steiner 1861-1925. Sie setzten viel stärker auf religiöse Empirie. Im 20. Jahrhundert waren in dieser Richtung, C. G. Jung, Thorwald Dethlefsen und Elisabeth Kübler-Ross tätig. Sie portierten Reinkarnationsvorstellungen infolge persönlicher Erfahrungen; letztere glaubte nur, was sie erfahren konnte. Tod gab es für Kübler-Ross nicht, sondern Unsterblichkeit, die jedoch pseudowissenschaftlich begründet wurde. Der Körper wird als Haus, Tempel oder Kokon angesehen. Aehnlich argumentierte auch Max Planck, als er sagte: „Es gibt keine Materie an sich. Sie entsteht und besteht nur durch eigene Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und zusammenhält. Wir müssen hinter dieser Kraft einen bewussten und intelligenten Geist annehmen, der das Wahre ist.“
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