Freitag, Februar 13, 2015

Schalom Ben-Chorin: Bruder Jesus

Dies ist gar kein neues Werk, sondern ein Buch, das erstmals 1967 bei List in München erschienenen ist mit dem Untertitel: Der Nazarener in jüdischer Sicht. Eine spätere Auflage kam 1977 beim Taschenbuch Verlag in München unter der ISBN-Nummer: 3-423-01253-6 heraus. Zum Autor: Schalom Ben-Chorin wurde 1913 in München geboren und studierte Literaturgeschichte bei Artur Kutscher und vergleichende Religionswissenschaft bei Joseph Schnitzer. Nach mehrfacher Verhaftung durch die Gestapo emigrierte er 1935 nach Jerusalem. Er gilt als Vorkämper für ein besseres Verhältnis zwischen Juden und Christen, im speziellen zwischen Israelis und Deutschen. Für sein Wirken erhielt er viele Auszeichnungen, so den Leo-Beack-Preis 1959 des Zentralrats der Juden in Deutschland, das Bundesverdienstkreuz 1969 und die Buber-Rosenzweig-Medaille 1982. Zum Buch: Wie der Titel sagt, sieht Ben-Chorin Jesus als Bruder und nicht als Messias. Doch seine Darstellung ist nicht abwehrend und gar abwertend, sondern wohlwollend, argumentierend und begründend von seiner Herkunft, dem Judentum, her. Er sieht Jesus in der eher sanftmütigen Tradition von Hillel, während er Johannes den Täufer der schroffen Schule von Schammai zuordnet. Die Synagoge war und ist „Beth-Haknesseth“, das Haus der Versammlung für den Wortgottesdienst, wo im Geist und in der Wahrheit angebetet wird. Nach Samson Raphael Hirsch ist das Gebet der innere Gottesdienst, der eine Vorbereitung zum tätigen ist und seinen Zweck nur in ihm findet. Im Judentum zur Zeit Jesu stehe das Liebesgebot klar über dem Kultgebot. Jesus begann seine öffentliche Tätigkeit als „Schedim“, als Arzt; damals waren Heilender und Heiliger noch ungetrennt; Daneben gab es auch „Rabbis“ und „Zaddiks“. Die Bergpredigt bezeichnet er als jüdisches Lehrgut in der Tradition des Rabbiners Jesus. „Maschal“ sind Gleichnisse, die damals eine übliche Erzählform waren. Die Gleichnisse des verlorenen Schafs, des verlorenen Groschens und des verlorenen Sohns im Lukasevangelium 15 waren sogenannte „Teschuba“-Gleichnisse, in denen Gnade vor Recht herrscht. Vollkommenheit lasse sich auf Heiligkeit zurückführen. Wohltätigkeit sei ein Akt der „Zedeka“, der Gerechtigkeit. „Bejn adam le-chavero“ waren Gebote zwischen den Menschen, „bejn adam la-makom“ Gebote zwischen Gott und Mensch. Gott sei der Ort der Welt, nicht die Welt sei der Ort Gottes. Das Unser Vater-Gebet stehe der jüdischen Art zu beten nahe: „Dein Name werde geheiligt“ komme auch im Kaddisch-Gebet vor, „Dein Reich komme“ drücke die jüdische Naherwartung von Gottes Herrschaft aus und „Unser tägliches Brot gib uns heute“ war ein wichtiges Anliegen der damaligen Zeit, in der viele in bitterer Armut leben mussten. Ben Chorin macht darauf aufmerksam, dass es für den Begriff „Menschensohn“ zwei hebräische Wörter gibt: „Bar Enosch“, der in Daniel 7,13+14 messianisch gebraucht wird, und „Ben Adam“, der bei Hesekiel für einen Propheten vorkommt. Jesus sei vor allem ein Wanderprediger im provinziellen Galil gewesen, er habe Jünger gehabt, habe Gleichnisse erzählt, gepredigt und Kranke und Dämonisierte geheilt. Das Wallfahren nach Jerusalem zum Heiligtum geschah zu Passah, Schawuoth (Wochenfest) und Sukkoth (Laubhüttenfest). Die Palmzweige, die Jesus willkommen geheissen haben, könnten aufs Laubhüttenfest hinweisen. Der Gang Jesu nach Jerusalem zum Tempel fand ein- oder dreimal statt, worüber die synoptischen Evangelien und das Johannesevangelium unterschiedlich berichten. Analog dazu gibt es auch die Lesung der Tora auf zwei Arten, einmal pro Jahr im Rahmen des Babylonischen Talmuds, dreimal im palästinensischen Talmud. Die Juden haben in Beziehung zu den römischen Machthabern drei ganz verschiedene Strategien gewählt, die auch in anderen Bereichen festzustellen sind: ·Assimilation, Anpassung durch die Sadduzäer; ·Gegnerschaft, Kampf durch die Zeloten; ·Ignoranz, Aussteigertum durch die Pharisäer und Essener. Das Abendmahl fand während dem jüdischen Sedermahl statt, unter dem griechischen Einfluss kamen dabei auch Elemente wie die Polster des Symposions dazu. Das Passah mit Lamm, Mazzen und Bitterkraut bestand aus fünf Schritten: ·„wehozejti“: Überschreitung, Becher der Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft; ·„wehizalti“: Mazzoth, Fest der ungesäuerten Borte mit Becher der Rettung; ·„wegaalti“: Chag-Haaviv, Frühlingsfest der Erlösung; ·„welakachti“: Seman Cheruthenu, Zeit der Annahme unserer Befreiung; ·Essig mit Ysop war der 5. Becher, von dem Jesus wünschte, dass er an ihm vorübergehe. Der Prozess gegen Jesus war ein kurzer politischer Prozess gegen einen jüdischen Patrioten, jedoch mit langen Folgen. Die Voruntersuchung geschah durch Hannas, der nächtliche Vorprozess war unter Kaiphas und endete mit einer Vollsitzung des Syhedrions. Der rote Mantel, der Jesus umgelegt wurde, weckt zwei Assoziationen, ein jüdische und eine römische: ·Der Hohepriester zog spezielle Kleider an am Versöhnungstag; ·Römische Offiziere und der Cäsar trugen rote Mäntel. Die Bezeichnung am Kreuz „INRI“ weist nicht nur auf den König der Juden hin, sondern kann auch als Anspielung auf den Gottesnamen „JHWH“ verstanden werden: „Jeschu(a) Hanozri Wumelech Hajehudim“.

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