Mittwoch, Dezember 21, 2016

Ein Tag in der Wüste

Etwa um sieben Uhr standen wir jeden Tag in der Wüste Erg Chegaga auf. Meist war ich froh aufzustehen, war doch das Gelieger nicht allzu bequem, und irgendein Körperteil schmerzte immer etwas. Das war nicht weiter schlimm. Mit dem Aufstehen war oft auch der Sonnenaufgang verbunden, ein wundervoller Moment, der alles in ein warmes Licht tauchte. Nun hiess es Anziehen, Einpacken, Zeltabbauen und dann Frühstücken. Etwas von den Zelten entfernt war schon unsere Bastmatte mit Geschirr und Frühstückssachen vorbereitet. Wir durften uns an einen gedeckten "Tisch" setzen, ein wunderschönes Bild mit grosser Symbolkraft! Ich hatte den Eindruck, dass alle diese Zeit des Seins und des Essens sehr genossen haben. Sie dauerte auch etwas länger als notwendig, um etwas von der besonderen Atmosphäre aufzunehmen. Die Chameliers, der Koch und unser marokkanischer Guide waren mit dem Abbau der grossen Zelte, aller Einrichtungen und dem Aufladen der Kamele beschäftigt. Um halbneun Uhr war Losmarsch, wobei in der Regel die Kamelkarawane losging, die auch schneller als wir unterwegs war. Wir wanderten langsamer und trotzdem stetig etwa zwei Stunden bis zur Znünipause. Salah, unser Guide, bot uns Nüsse, Datteln und Feigen an zur Stärkung. Bald ging es jeweils noch ein bis zwei Stunden weiter bis zum Mittagsrast. Nach zwei Stunden Essen und Ausruhen war die Nachmittagsetappe dran, die je nach Strecke zwei bis drei Stunden dauerte. Nachmittags oder früh abends erreichten wir das neue Biwak. Die Arbeit mit Zelt aufstellen, auspacken und Wasser filtrieren begann von neuem. Die Sonne ging unter, Schatten legten sich auf die Wüste und die Nacht brach herein.
So gingen insgesamt neun Tage wohltuend in fast gleichen Rhytmus vorüber. Anfänglich waren wir sehr beschäftigt mit den alltäglichen "Arbeiten" wie Wandern, Wasser filtrieren, Körperpflege, Auspacken, Einpacken, Zeltaufstellen, Essen und Schlafen. Es blieb mir gar nicht so viel Zeit und Energie zum Lesen und zum Nachdenken. Die Aufmerksamkeit war stark auf die Stillung der Grundbedürfnisse ausgerichtet. Erst mit etwas Gewöhnung an diesen Tagesablauf und Lebensstil stellte sich Routine und weniger Aufwand ein. Die innere Reise erhielt nun mehr Raum. In der weiten Wüste und unter dem grossen Sternenhimmel kam ich mir manchmal klein und unbedeutend vor. Wer bin ich eigentlich? Was ist mir wirklich wichtig? Was will ich noch in meinem Leben erreichen? Mit diesen Fragen halte ich mich Gott hin und erwarte, dass er Antworten und Ruhe geben wird.

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