Mittwoch, Mai 01, 2019

Hilfe zur Selbsthilfe oder für die Helfer

Kürzlich kamen zwei Jungs zur Nachhilfe, einer war ganz bei der Sache, er hat Schreibübungen gemacht und gebastelt. Er hatte aber zu grosse Flipflops an; und er fragte mich, ob ich ihm nicht Schuhe kaufen würde, am liebsten Fussballschuhe. Und er wusste, wo sie zu haben seien und was sie kosten würden. Ich fragte ihn zurück, wie er denn zur Schule gehen würde, weil er dazu geschlossene Schuhe brauche? Er leihe sich welche, war die lapidare Antwort. Die Bitte nach Schuhen wiederholte er mehrmals. Mit der Zeit bekam ich zu hören, dass sein Vater mit dem Auto zu der Hochzeitsfeier des jüngsten Bruders gefahren war und die Kinder den Verwandten oder sich selbst überlassen hatte... Ich werde dem Jungen kaum Schuhe kaufen, wiewohl mich das nicht viel kosten würde. Denn ich will nicht falsche Erwartungen und Anreize wecken und ungesunde Abhängigkeiten schaffen...
Solche und ähnliche Erlebnisse sind typisch für Guinea. Die Rolle des Weissen ist oft die des grosszügigen Helfers und des wissenden Leiters. Seine Aussagen werden kaum in Frage gestellt, und er fühlt sich in seiner Rolle als "Patron" meistens auch ganz wohl und kann seine Arbeit im Westen so noch gut "verkaufen". Das geht auch mir etwas so! Wer hat nicht schon gerne Zuwendung, Anerkennung und Bedeutung? Viele Guineer aber sind in der Rolle des bedürftigen Bittstellers, und es ist eine Art Fortführung einer unmündigen Abhängigkeit. Manchmal ist dies gar nicht so einfach zu erkennen, aber umso wichtiger zu durchbrechen. Unsere Aufgabe wäre eher die des dienenden Förderers, Ermächtigers und Beraters, der im Laufe der Zeit überflüssig werden wird. Einer, der einige Jahre in Guinea tätig ist, hat es so gesagt: Mission sollte vielmehr Gerüst statt Mauer sein, sie sollte Unterstützung zum Bau eines Gebäudes sein, jedoch nicht Fundament, Mauer oder Dach. Ist ein Haus einmal fertig erstellt, kann ein Gerüst entfernt werden, und das Gebäude besteht unabhängig davon. Immer wieder besteht für Menschen und Organisationen die grosse Versuchung, mehr als Gerüst sein zu wollen.

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